Diese Woche in Kopenhagen
„Eye of the Tiger“
Eye of the Tiger
Eye of the Tiger
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Am Mittwoch hat Mette Frederiksen die Wahlen für 1. November ausgeschrieben und damit den Wahlkampf eingeläutet. Walter Turnowsky war bei einigen der ersten Schlagabtausche dabei.
„Rising up, back on the street“: Als ich Mittwochmorgen zur Arbeit radelte, dröhnte mir auf der Dronning Louises Bro der Song „Eye of the Tiger“ entgegen. Es waren die Alternativen, die schon einige Stunden bevor Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) die Wahl ausschrieb, den Wahlkampf eingeleitet hatten.
Die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer wollten sich vielleicht selbst etwas Kampfgeist einflößen. Den können sie auch gut brauchen, denn es würde zu den Überraschungen dieser Wahl zählen, sollte die grüne Partei nach dem 1. November noch im Folketing vertreten sein.
Doch irgendwie ist Sylvester Stallone nicht die erste Person, die mir bei der Alternativen-Vorsitzenden Francsiska Rosenkilde einfällt. Aber vielleicht kommt Rocky Balboa uns 2022 ja doch vegan und in nachhaltigen Boxershorts entgegen.
Der Staatsministerin wird, vornehmlich von der bürgerlichen Opposition und den dito Medien, eher der Charakter eines Rambo vorgeworfen. Doch den hatte sie am Tag davor, in ihrer Eröffnungsrede, sehr weit weggepackt.
Man horchte unwillkürlich auf, als sie die Rede mit Anekdoten aus der Kindheit und den jungen Jahren von Dreien einleitete, die nach vielen Jahren das Parlament verlassen werden. Auch erfahrene Folketingsmitglieder anderer Parteien waren von diesem Teil der Rede gerührt.
Selbstverständlich war es ebenso wenig ein Zufall, dass sie mit Marianne Jelved, Bertel Haarder und Henrik Dam Kristensen drei Parlamentarier unterschiedlicher Parteien gewählt hat, wie die Tatsache, dass alle drei über die Parteigrenzen hinweg hoch respektiert sind.
Indem sie die scheidenden Politiker lobte, hofft sie vermutlich, dass etwas von deren Glanz auf sie abfärbt. In der Rede hatte das Schreiberteam alle scharfen Ecken und Kanten sorgfältig abgeschliffen. Die Landesmutter lobte die Kolleginnen und Kollegen der anderen Parteien und lud zu breiter Zusammenarbeit zum Wohl des Landes ein. Also so ziemlich das Gegenteil von Rambo, aber vielleicht doch ein wenig Rocky:
„Did my time, took my chances
Went the distance, now I'm back on my feet
Just a (wo)man and his (her) will to survive“.
Für Frederiksen und die Sozialdemokratie kam nämlich nach dem Corona-Hoch das Mink-Tief, das mit dem Bericht der Mink-Kommission drohte, in einen Orkan auszuarten. Doch jetzt steht Frederiksen wieder fest auf ihren Füßen. Den Willen als Regierungschefin zu überleben, kann ihr keiner absprechen.
Mit Willen allein ist es jedoch nicht getan, denn ganze zwei Gegner wollen ihr den Titel – Entschuldigung, den Posten – abjagen. Der eine von ihnen, der Konservativen-Chef Søren Pape Poulsen, wankt jedoch durch die Gegend wie Rocky nach 15 Runden gegen Apollo Creed. Und dabei ist die erste Runde kaum eingeläutet worden.
Für seine Steuerpläne mit einer Abschaffung des Spitzensteuersatzes und einem nur geringfügigen Anstieg der öffentlichen Ausgaben erntet er bei den bürgerlichen Kolleginnen und Kollegen nur wenig Applaus. Dafür freuen sich die sozialdemokratischen Gegnerinnen und Gegner mit Unterstützung von den Volkssozialisten umso mehr. Sie dreschen mit größter Wonne auf die Steuerpläne und Pape ein. Dass da nicht alle Schläge ganz regelkonform sind, bedeutet weniger, solange der Schiedsrichter es nicht merkt.
Man sagt: Wo zwei sich streiten, freut sich der Dritte. In der Politik und vor allem im Wahlkampf gilt das nicht. Denn dem Dritten, der außerhalb des Ringes steht, wird deutlich weniger Beachtung geschenkt. Und Beachtung braucht man nun einmal, um gewählt zu werden.
Und so kann sich Venstre-Chef Jakob Ellemann-Jensen nicht so richtig über der sozialdemokratisch-konservativen Infight freuen. Er versucht zwar aus der Not eine Tugend zu machen, und sich als die Stimme der Vernunft und des Realismus im bürgerlichen Lager darzustellen. Große Breaking-Überschriften löst das nicht aus.
Doch immerhin ist seine Partei jetzt in den Umfragen wieder größer als die konservative Konkurrenz, und er hat somit die besseren Karten ins Staatsministerium einzuziehen, sollte es eine bürgerliche Mehrheit geben. Das „Sollte“ ist in dem Satz jedoch das entscheidende Wort. Die Demoskopinnen und Demoskopen sagen derzeit „eher nicht“ zu einer bürgerlichen Mehrheit.
Und so taucht uneingeladen einer im Ring auf, der schon fast als ausgezählt galt. Für Lars Løkke Rasmussen ist es die Traumposition, dass er als Königsmacher gehandelt wird. Als ausgezählt galt er schon mehrfach, aber er verträgt noch mehr Schläge als selbst Rocky Balboa.
Doch sind wir wie bereits erwähnt erst am Anfang der ersten Runde. Es werden noch so einige Uppercuts sowie rechte und linke Jabs auf uns zukommen. Ob es am Ende eine klare Siegerin oder einen klaren Sieger geben wird, ist so ungewiss wie am Schluss des ersten Rocky-Films.
„It's the eye of the tiger
It's the thrill of the fight
Rising up to the challenge of our rival
And the last known survivor“.
Disclaimer: Ich habe keinen der Rocky-Filme gesehen – dagegen so einige Wahlkämpfe.