Nachtleben

Frauen auf der Hut: Forderung nach sicheren Partys für alle

Frauen auf der Hut: Forderung nach sicheren Partys für alle

Belästigung: Forderung nach sicheren Partys für alle

Allinge
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Emilie Vorndran Thygesen (links) in der Diskussionsrunde mit Anna Lin (Moderatorin „DR“), Frederik Enevoldsen (Dansk Ungdoms Fællesråd), Mika Christoffersen (Roskilde Festival) und Birgitte Wad (Danmarks Restauranter og Caféer) Foto: Walter Turnowsky

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Unerwünschte Zurufe, eine Hand am Hintern oder auf der Brust, ein Kuss, der einem aufgedrängt wird. Partyspaß für alle ist erst, wenn das abgestellt wird. Aber #MeToo kommt im Nachtleben nur zögerlich an – und in kleineren Städten noch zögerlicher. Das zeigte eine Diskussion beim Folkemøde.

Für Emilie Vorndran Thygesen ist es immer mit einem großen Aber verbunden, wenn sie abends im Kopenhagen ausgeht.

„So gut wie jedes Mal, wenn ich mich im Nachtleben bewege, erlebe ich etwas, dass in größerem oder minderem Ausmaß meine Grenzen überschreitet“, schildert sie dem „Nordschleswiger“.

Andere Regeln im Nachtleben

Beim Folkemøde auf Bornholm hat sie als als Freiwillige der Beratungsorganisation „Sex og Samfund“ an einer Diskussionsrunde zu der Frage teilgenommen, wie man auch in Nachtclubs und auf Festivals eine Kultur des Einvernehmens schaffen kann. Anna Lin, Fernsehmoderatorin bei „DR“, kann Vorndran Thygesens negative Erfahrungen nur bestätigen.

„Es gelten andere Regeln im Nachtleben, man darf sich etwas mehr erlauben. Doch so sollte es nicht sein. Es geht nicht darum, die Party kaputtzumachen, sondern sie zu einem guten Fest für alle zu machen“, sagt sie in der Podiumsrunde.

Frauen sind immer wachsam

Denn so lange Frauen unerwünschte Zurufe erleben, bedrängt und begrabscht werden, oder sogar befürchten müssen, dass ihnen jemand Drogen in ihr Getränk mischt, könnten sie nicht feiern, ohne sich gleichzeitig immer auf der Wacht zu sein.

„Es bedeutet, dass ich mich nicht gehen lassen kann, wie ich möchte. Ich bin immer wachsam; ich kann meinen Drink nicht abstellen, ohne ihn immer im Auge zu behalten. Ich scanne immer den Raum, wenn ich reinkomme, um zu sehen, welche Leute im Nachtclub sind“, so Vorndran Thygesen.

Eine unerwünschte Last

Auch hat sie immer ein Auge auf ihre Freundinnen, um sicherzustellen, dass sie nicht belästigt werden. Die Summe der negativen Erfahrungen in ihrem Freundeskreis bedeutet, dass sie sich automatisch innerlich auf eine unangenehme Begegnung vorbereiten, wenn sie alleine sind und ein Mann auf sie zukommt.

„Wenn ich ausgehe, ist das eine große Last auf meinen Schultern, die ich nicht tragen sollte.“

Kulturänderung

Die Podiumsrunde ist sich einig, dass es eine Kulturänderung brauche. Es fehle an der Sprache dafür, wann man an einem Flirt interessiert ist und wann nicht. Auch müsse thematisiert werden, dass das Risiko einer Ablehnung zum Flirt dazugehört und keine Niederlage ist.

„Man soll sich darauf einstellen, dass es eine Ablehnung geben kann. Umso größer ist die Freude, wenn der Flirt beantwortet wird“, so Moderatorin Lin.

Beja aus Lynge erzählt, dass in ihrer Heimatstadt ein Klaps auf den Hintern noch als normales Verhalten gesehen wird. Foto: Walter Turnowsky

Folkemøde auf Bornholm

Das Folkemøde ist ein dreitägiges Demokratiefestival, das seit  2011 jährlich in der Stadt Allinge stattfindet.

Auf über 200 Bühnen in Zelten und auf Schiffen veranstalten Parteien, Verbände, Medien, Unternehmen und PR-Büros Debatten und Events.

Die Idee stammt von dem nordschleswigschen Venstre-Politiker Bertel Haarder, der ein entsprechendes Event, die „Almedalsveckan” auf der schwedischen Insel Gotland erlebt hat.

2023 haben zwischen 28.000 und 44.000 Menschen pro Tag das Folkemøde besucht

Diskussion in der Kleinstadt nicht angekommen

Aus dem Publikum bringt sich Freja aus der seeländischen 4.000-Seelen-Stadt Lynge in die Diskussion ein. Mittlerweile wohnt sie in Kopenhagen. Sie macht darauf aufmerksam, dass in der Großstadt zumindest über das Problem gesprochen werde, während die Diskussion in ihrem Heimatort noch nicht angekommen ist.

„Wenn ich mit Freunden aus meiner Stadt über Einvernehmen spreche, wird häufig darüber Witze gemacht und dann reden wir schnell über etwas anderes“, sagt sie dem „Nordschleswiger“.

Die dominierende Stimmung sei, dass es ja alles nicht so ernst gemeint sei, man sich als Frau grenzüberschreitendes Verhalten gefallen lassen müsse.

„Es ist häufig diese Wirtshausstimmung mit vielen Männern, und da macht es Spaß, Frauen einen Klaps auf den Hintern zu geben. Aber als Frau ist das nicht sehr spaßig.“

Drer Vater hat es vorgemacht

Die Frage eines Einvernehmens werde lächerlich gemacht. Jene, die gegen eine Änderung dieser Kultur sind, würden andere mit sich ziehen. Man fühle sich entweder genötigt mitzuspielen, oder habe nie darüber nachgedacht, dass es anders sein könne.

„Man spricht nicht darüber, was es bei uns auslöst, dass jemand uns etwas hinterherruft, oder man einen Klaps auf den Hintern gibt. Denn so hat man es ja immer getan. So hat der Vater seinerzeit die Mutter aufgegabelt“, beschreibt Freja die Stimmung.

Noch ein weiter Wege bei den Nachtclubs

In der Podiumsrunde berichtet die Innovationschefin des Verbandes der Restaurants und Cafés, Birgitte Wad, dass die Nachtklubs in immer höherem Maß auf das Problem aufmerksam werden – auch wenn der Weg noch weit sei.

„Es ist nicht cool, als Nachtklub den Ruf zu bekommen, dass man hier belästigt wird oder man sogar etwas in den Drink gemischt bekommt“, sagt sie.

Es gehe darum, die Gäste zu einer festlichen Einvernehmenskultur zu erziehen und deutliche Regeln aufzustellen. Der Verband empfiehlt den Nachtclubs, das Personal zu schulen, damit es übergriffiges Verhalten entdeckt und unterbindet. Dies kann unter anderem geschehen, indem es im Lokal Runden dreht. Auch solle man Paaren Kontrollfragen stellen, wenn sie den Club verlassen, und es unsicher erscheint, ob die Frau einverstanden ist.  

Der Einsatz beim Roskilde Festival

Das Roskilde Festival arbeitet mit der Initiative „Orange Together“ daran, Verhalten, das Grenzen anderer überschreitet, einzudämmen. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer werden darin geschult, übergriffigem Verhalten vorzubeugen. Es wird gesondert Personal (Safety-Værter) eingesetzt, das Runden durch die Camps dreht, um durch Dialog Sicherheit zu schaffen.

„Um übergriffigem Verhalten vorzubeugen, vermitteln wir deutlich an unsere Gäste, welche Erwartungen wir an sie haben“, bringt Mika Christoffersen, Programmleiterin beim Festival, in die Diskussionsrunde ein.

Die Tatsache, dass im vergangenen Jahr sieben Vergewaltigungen während des Festivals bei der Polizei angezeigt worden sind, zeigt, dass auch hier die Veranstalterinnen und Veranstalter noch Arbeit vor sich haben. Zwei neue Dialogpunkte in den beiden Camps bieten Beratung und Hilfe an – auch und gerade für Menschen, die im Zweifel sind, ob das, was sie erlebt haben, in Ordnung gewesen ist.

Kritik am Folkemøde

Das Podium auf Bornholm bemängelte unterdessen, dass ausgerechnet das Folkemøde im Gegensatz zum Roskildefestival keine Politik für angstfreies und sicheres Miteinander (Safer-Space-Politik) hat. Emilie Vorndran Thygesen kann berichten, dass es durchaus Grund dafür geben würde.

„Donnerstag war ich nach den Debatten noch etwas feiern. Ein Mann kommt auf mich zu und bittet um eine Zigarette, die ich ihm gebe. Dann drückt er mir einen großen Kuss auf die Wange. Das überschreitet meine Grenze, denn ich habe keine Lust geküsst zu werden, ohne gefragt worden zu sein“, betont sie.

Anna Lin meint, das Thema Einvernehmen sei bisher zu sehr mit erhobenem Zeigefinger unter zusammengezogenen Augenbrauen diskutiert worden. Alle wollten ihren Spaß haben, auch jene, die Grenzen anderer überschreiten. Man solle versuchen, ihnen zu vermitteln, dass man auch selbst seinen Spaß wolle – ohne dauernd wachsam sein zu müssen.

Forderung nach besserem Sexualkundeunterricht

Vorndran Thygesen betont, dass viele Elemente zu einer Kulturänderung beitragen müssen. Gespräche im Freundeskreis, bessere Ausbildung für Barpersonal, größere Bereitschaft (bei Männern wie Frauen) einzugreifen, wenn man übergriffiges Verhalten beobachtet. So eine Veränderung könne nicht von einem Tag auf den anderen geschehen.

Daher meint sie auch, dass man bereits früh beim Sexualkundeunterricht in der Volksschule ansetzen müsse. Es solle nicht nur geübt werden, wie man ein Kondom einer Penisattrappe überstülpt, sondern vor allem auch, wie ein lustvolles und einvernehmliches Miteinander funktioniert.

 „Es ist wichtig, dass man die Leute von ganz jung an erreicht, damit ein solches Verhalten im Rückgrat sitzt.“

Ihr Traum ist, dass junge Frauen eines Tages feiern können, ohne Vorsichtsmaßnahmen treffen zu müssen.

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