Geplante Steuererleichterungen
Wirtschaft kritisiert neue Corona-Hilfen als «halbherzig»
Wirtschaft kritisiert neue Corona-Hilfen als «halbherzig»
Wirtschaft kritisiert neue Corona-Hilfen als «halbherzig»
Die Koalition greift den Unternehmen in der Pandemie mit neuen Steuererleichterungen unter die Arme. Wirtschaftsverbänden geht das nicht weit genug: Sie sprechen von einer vertanen Chance.
Die Wirtschaft ist mit den von der großen Koalition beschlossenen Steuererleichterungen in der Corona-Krise nicht zufrieden.
Die Pläne seien halbherzig und gingen nicht weit genug, kritisierten zahlreiche Branchenverbände wie die Autoindustrie, das Handwerk und der Mittelstands-Verband. Union und SPD hätten eine Chance vertan, die Unternehmen wirklich wirksam zu unterstützen. Zufrieden zeigte sich vor allem das Gastgewerbe.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier verteidigte die neuen Hilfen.
Die Spitzen von Union und SPD hatten sich am Mittwochabend auf zwei steuerliche Erleichterungen geeinigt: Auf Speisen in Restaurants und Bars soll bis Ende 2022 der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 statt 19 Prozent anfallen.
Außerdem wird der steuerliche Verlustrücktrag von fünf auf zehn Millionen Euro verdoppelt. Damit können Unternehmen Verluste aus 2020 und 2021 bei der Steuererklärung in deutlich größerem Umfang mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnen. Sie müssen dadurch jetzt weniger Steuern zahlen und haben mehr Geld zur Verfügung.
Grundsätzlich sei diese Maßnahme gut, hieß es beim Autoverband VDA. «Allerdings ist der beschlossene Umfang ernüchternd», sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur. Letztlich werde ein wirksames Instrument nicht im vollen und notwendigen Umfang genutzt. «Dass die Bundesregierung hier nicht in größerem Maßstab agieren will, ist weder verständlich noch wirtschaftlich sinnvoll.»
Auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer betonte, angesichts der riesigen unverschuldeten Liquiditätsprobleme der Betriebe seien die Hilfen «in keiner Weise weitreichend genug». Die Verbände verlangen vor allem eine zeitliche Ausweitung: Betriebe sollten ihre Verlustrechnung über zwei bis fünf Jahre strecken, Verluste aus 2021 also auch mit Gewinnen aus umsatzstarken Jahren wie 2018 verrechnen dürfen.
«Dadurch würden nur Unternehmen mit einem funktionierenden Geschäftsmodell entlastet, die zudem ihre Gewinne in Deutschland versteuern», betonte der Chefvolkswirt des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Hans-Jürgen Völz. «Dass die GroKo hier nicht mutiger entschieden hat, ist umso rätselhafter, wenn man weiß, dass dem Fiskus hierdurch kaum Steuerausfälle entstehen.»
Altmaier verteidigte den Beschluss. «Wir stärken damit viele mittelständische Unternehmen, auf deren Wettbewerbsfähigkeit wir angewiesen sind, damit die Wirtschaft nach der Krise schneller in Schwung kommt», erklärte er.
Laut Finanzminister Olaf Scholz (SPD) kostet der ausgeweitete Verlustrücktrag voraussichtlich weniger als eine Milliarde Euro. «Wir tasten uns gewissermaßen ein bisschen vor», sagte er im Deutschlandfunk. Man habe in einem ersten Schritt rund 96 Prozent der Unternehmen entlastet. «Jetzt geht es um ein paar Weitere. Und wir versuchen gewissermaßen rauszufinden, wo das wirtschaftlich vertretbar ist, ohne dass die Finanzierungsgrundlagen kaputtgehen.»
Der Wirtschaftsweise Lars Feld bezeichnete die Pläne der Koalition zum Verlustrücktrag als «absolut richtig». «Es ist das Instrument der Wahl, um den Unternehmen über die aktuell schwierige Lage hinwegzuhelfen», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
FDP-Fraktionsvize Christian Dürr dagegen schloss sich der Kritik der Verbände an. «Die vermeintlich großzügigen Änderungen beim Verlustrücktrag sind ein schlechter Scherz», sagte er der dpa. Wer 2021 Verluste mache, könne diese nur mit dem Krisenjahr 2020 verrechnen. «Gastronomie-Betriebe und Hotels, die schon im letzten Jahr durch den Lockdown Verluste gemacht haben, können mit dieser Regelung jetzt überhaupt nichts anfangen.»
Auf weitgehend positive Resonanz dagegen stieß die verlängerte Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie. «Die Entscheidung ist eine wichtige Motivation für die Unternehmer, ihre Betriebe fortzuführen, und auch für die Beschäftigten eine mutmachende Botschaft», erklärte der Hotel- und Gaststättenverband. Derzeit bangen laut Dehoga drei von vier Betrieben wegen der fehlenden Öffnungsperspektiven um ihre Existenz.
Die Mehrwertsteuersenkung könne helfen, Hunderttausende Arbeitsplätze zu retten. Zugleich kämpfe der Verband aber weiter darum, dass auch für Getränke in Kneipen, Clubs und Diskotheken ein geringerer Steuersatz gilt. Im Abhol- und Lieferservice gelten derzeit ohnehin reduzierte Steuersätze.
Feld kritisierte die Steuersenkung für die Gastronomie als «Wahlgeschenk». Profitieren könnten nur die Unternehmen, die nach der Krise wieder ordentliche Umsätze erzielen könnten. Auch der Grünen-Politiker Danyal Bayaz kritisierte: «Die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie bleibt wirkungslos, solange Restaurants zu und Kunden fern bleiben.» Der Finanzpolitiker der Linken, Fabio De Masi, forderte stattdessen bessere Überbrückungshilfen. «Eine gezielte Unterstützung kleiner und mittlerer Einkommen ist sinnvoller als steuerliche Maßnahmen», sagte er.