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Landwirtschaft in SH: Das fordert der Bauernpräsident von der Politik

Landwirtschaft in SH: Das fordert der Bauernpräsident von der Politik

Landwirtschaft in SH: Das fordert der Bauernpräsident

Frank Jung/shz.de
Flensburg
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Vor großer Kulisse: Bauernpräsident Klaus-Peter Lucht auf dem Landesbauerntag in der Deula-Halle des Agrar-Zentrums Grüner Kamp in Rendsburg Foto: Dewanger

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In der Debatte über den Klimaschutz drohten Interessen der Landwirtschaft zu stark hinten runter zu fallen: Davor hat Schleswig-Holsteins Bauernpräsident Klaus-Peter Lucht auf dem Landesbauerntag in Rendsburg gewarnt. Vor allem über die...

Für Klaus-Peter Lucht ist es d i e Gelegenheit im Jahr, öffentlich Dampf abzulassen. Zum Landesbauerntag zeitgleich zur Messe Norla in Rendsburg Anfang September macht dem Bauernpräsidenten Schleswig-Holsteins eine besonders große Zahl an Politikern aller Couleur und Vertretern von Fachverbänden ihre Aufwartung. Lucht spricht bei ihrer Aufzählung zur Begrüßung extra schnell und betont dies selbst – denn letztes Jahr bei seiner Premiere im Amt habe allein das 28 Minuten gedauert – „viel zu lang“.

Diesmal werden es denn auch nur neun. Umso mehr Raum für Inhalte, von denen den obersten Repräsentanten des Berufsstands viele bewegen. Sucht man nach einer Klammer, so ist es diese: Lucht warnt eindringlich vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft, so seine eigenen Worte. „Die deutsche Politik packt immer noch einen drauf“ über Vorgaben der EU hinaus, ärgert sich der Bauernpräsident. Die CO2-Debatte überlagere anderes zu stark: „Manche Politiker reden nur noch übers Klima und verlieren dabei die landwirtschaftliche Produktion aus den Augen.“ Stattdessen seien „integrative Lösungen“ gefragt, die Natur fördern, aber auch Argrar-Produktion sichern.

Skeptisch beim Nationalpark Ostsee

Skepsis ruft deshalb bei ihm ein möglicher Nationalpark Ostsee hervor: „Wenn so ein Ding erstmal eingerichtet ist, kann das eigentlich nur Verschärfungen und Verbote bedeuten.“ Ohnehin sieht er einen Park „nicht als richtiges Instrument, um die Ostsee voranzubringen“. Man möge doch die verschärfte deutsche Düngeverordnung zu Gunsten des Gewässerschutzes „erstmal leben lassen“ und auch erstmal mit Polen reden, damit dieses weniger Schadstoffe in die Ostsee einleite.

Agrarproduktion in SH im günstigen Vergleich

Der im Hauptberuf als Milchviehhalter im Kreis Rendsburg-Eckernförde Tätige ruft ins Bewusstsein, dass sich Schleswig-Holsteins Landwirtschaft unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nicht zu verstecken brauche. Um ein Kilo Fleisch zu erzeugen, brauche es hier nur zwei Kilo Getreide als Zufütterung. In anderen Weltregionen liege das Verhältnis bei eins zu fünf oder gar eins zu acht. Oder ein Kilo Milch: das gebe es in Schleswig-Holstein für ein Kilo CO2-Äquivalente. „In den USA hingegen beträgt das Verhältnis eins zu vier.“

Sorge vor Verlust von Tierbeständen

Dennoch „fürchtet“ Lucht, „dass wir Tierbestände verlieren“ – und zwar auch durch die Unklarheit über die künftigen Haltungsbedingungen. Die habe der grüne Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir durch die Nichtannahme der Reformvorschläge der so genannten Borchert-Kommission mit zu verantworten. „Wir sind sauer über das, was da in Berlin passiert“, ruft Lucht – und verrät, dass der Bauernverband eine Groß-Demo gegen die Bundesagrarpolitik in Kiel vorbereitet.

Plädoyer für Glyphosat-Zulassung

Von Berlin wünscht sich der Schleswig-Holsteiner auch eine Wiederzulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat. Neue Versuche in vier EU-Ländern hätten offenbar doch keinen Krebsverdacht zu Tage erhärtet.

In Schleswig-Holstein brauche man ja „zum Glück nicht aufeinander rumzuhauen“ – nun, wo es mit Luchts Amtsvorgänger Werner Schwarz (CDU) doch seit letztem Jahr einen Landwirtschaftsminister gebe, der etwas von der Materie verstehe, wie der Bauernpräsident betont.

Premiere für den Landwirtschaftsminister

Der Gewürdigte kündigt bei seiner ersten Rede als Minister auf einem Landesbauerntag denn auch an, massiv die Interessen des ländlichen Raums zu vertreten, wenn jetzt die Debatte über die Niederungsstrategie beginnt. Die hat das grüne Kieler Umweltministerium erarbeitet.

Regionalkonferenzen über die Niederungen

Am Freitag nächster Woche findet dazu laut Schwarz in Nordfriesland der Auftakt mehrerer Regionalkonferenzen statt. Immerhin gehe es um ein Fünftel der Fläche Schleswig-Holsteins, verdeutlicht Schwarz. 80 Prozent davon würden landwirtschaftlich genutzt, vor allem für Milchviehhaltung. Eine weitgehende Wiedervernässung der moorigen Böden dort würde auf die Klimaziele des Landes einzahlen.

Schwarz betont zwar auch: „Ein Weiter-So wird es nicht geben.“ Der Klimawandel sei auch in Schleswig-Holstein angekommen. Starkregen und steigende Wasserstände „stellen die Moorgegenden vor einen erheblichen Anpassungsbedarf“. Aber: „Es kann nicht das Ziel sein, dort jegliche Nutzung aufzugeben“, sagt der Agrarminister. „Es gilt, für die Bettriebe dauerhafte wirtschaftliche Perspektiven herzustellen.“ Sein Grundsatz sei: „Landwirtschaft als Teil der Lösung“ begreifen.

Rückenwind vom Bundesamt für Naturschutz

Dazu ermutigt Festrednerin Sabine Riewenherm, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz in Bonn. Lucht hat sie eingeladen und schon zum Frühstück getroffen, weil sie genau die von ihm vertretenen „integrativen Lösungen“ vertrete. „Zum Teil sehr verhärtet“ fand Riewenherm die „Fronten“ bei Amtsübernahme vor zwei Jahren. Mehr Zusammenarbeit zwischen Umwelt- und Agrarfraktion will sie „wieder neu in Gang setzen“ und „Landwirtschaft multifunktional denken“.

„Mehr Naturschutz in der Landwirtschaft soll keine Drohung sein – so etwas funktioniert nur zusammen“, lautet ihr Motto. Bei zwei Drittel der von ihrem Haus veranlassten Forschungsprojekte werde deshalb auch die Landwirtschaft beteiligt. So zum Beispiel auch die Universität Kiel bei einem Projekt zu „vernetzten Lebensraumstrukturen“. Dabei geht es darum, wie Artenschutz weniger inselartig in kleinen Einzelbiotopen vonstatten geht, sondern wirkungsvoller über achsenartig miteinander verwobene größere Räume – aber so, dass extensive Landwirtschaft ausdrücklich möglich bleibt.

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