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Booster für alle? Was wir über die dritte Impfung bislang wissen

Booster für alle? Was wir über die dritte Impfung bislang wissen

Was wir über die dritte Impfung bislang wissen

SHZ
Berlin/Dortmund
Zuletzt aktualisiert um:
Booster-Piks für Gefährdete: Senioren sollen in den kommenden Monaten schon wieder mit Impfbuch zum Arzt. Foto: Christian Charisius, dpa/shz.de

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Lässt sich mit Auffrischungsimpfungen für alle das Infektionsgeschehen beeinflussen? Und sind die angekündigten Booster-Impfungen für Menschen in Deutschland gerecht?

Die vierte Welle der Corona-Pandemie in Deutschland hat längst begonnen. Und nicht nur Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) denkt öffentlich darüber nach, allen Bürgerinnen und Bürgern eine Auffrischungsimpfung anzubieten. Experten betonen, dass eine solche Booster-Impfung zunächst älteren Menschen und anderen Risikogruppen ermöglicht werden sollte. Für das Infektionsgeschehen sei zudem wichtiger, jene jungen und gesunden Menschen zu impfen, die bislang noch gar kein Vakzin erhalten haben. Länder wie die USA und Israel haben sich bereits für Booster-Impfungen für sämtliche Bürger entschieden.

Wie sinnvoll wäre eine dritte Impfung für alle mit Blick auf das im Herbst und Winter drohende Infektionsgeschehen hierzulande?

Was für die dritte Impfung in diesem Winter spricht

Laut Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund, fällt die Antwort auf diese Frage differenziert aus: "Aus immunologischer Sicht ist das sehr sinnvoll: Das Immunsystem verbessert bei jedem Kontakt mit einem Erreger die Immunreaktion auf diesen deutlich." Eine Auffrischungsimpfung würde zum einen wegen einer größeren Zahl an Gedächtniszellen eine langanhaltendere Immunisierung bedeuten. Zum anderen falle der Impfschutz auch stärker aus, weil deutlich mehr Antikörper vorhanden seien.

Was gegen die dritte Impfung für Deutsche spricht

Sowohl ethisch als auch virologisch stellten Booster-Impfungen laut Watzl, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie ist, indes Probleme dar: "Weltweit herrscht immer noch Impfstoffmangel. Durch diesen sterben mehr Menschen als hierzulande durch eine dritte Impfung gerettet würden."


Zudem mutiere das Virus vor allem dort, wo es sich ungehindert ausbreiten könne. "Es gibt eine Korrelation zwischen der Anzahl der Virusmutanten und dem Impfstatus eines Landes: Gerade in Ländern, wo die Impfquote sehr niedrig ist, beobachten wir eine viel höhere Mutationsrate."

WHO: Grundversorgung mit Impfstoff weltweit geht vor

Mit Blick auf die Diskussion um Booster-Impfungen appellierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich, erst die vorhandenen Impfstoffe an gefährdete Menschen weltweit zu verteilen. "Wenn einem großen Teil der Bevölkerung Auffrischungsimpfungen angeboten werden, obwohl viele noch nicht einmal eine erste Dosis erhalten haben, wird der Grundsatz der nationalen und globalen Gerechtigkeit untergraben", heißt es in einer WHO-Stellungnahme. Die Priorisierung von Auffrischungsdosen gegenüber einer raschen und umfassenden Versorgung mit der ersten Dosis könne auch die Aussichten auf eine globale Eindämmung der Pandemie beeinträchtigen, was schwerwiegende Folgen für die Gesundheit sowie das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen der Menschen weltweit hätte.

Was die Politik plant: Dritter Piks zuerst für Gefährdete

Nichtsdestotrotz wurde in der vergangenen Woche berichtet, dass das Bundesgesundheitsministerium darüber nachdenke, allen Bürgerinnen und Bürgern eine Auffrischungsimpfung anzubieten. Schon jetzt begännen die Länder Schritt für Schritt mit den Booster-Impfungen in den Pflegeeinrichtungen und für besonders gefährdete Menschen, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).


Gerade für Ältere sowie für Menschen aus anderen Risikogruppen sei dies auch medizinisch sinnvoll, betont der Infektiologe Leif Erik Sander mit Verweis auf jüngst als Preprint veröffentlichte Zwischenergebnisse einer Studie seiner Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité. Diese bestätigt, dass die Immunantwort von älteren Menschen auf die Impfung deutlich stärker nachlässt als bei jüngeren.

Was Studien sagen: Impfschutz lässt bei Älteren rasch nach

Bei vier von zehn Menschen in einer Gruppe, deren Durchschnittsalter in der Studie bei 82 Jahren lag, seien nach einem halben Jahr keine neutralisierenden Antikörper mehr gegen die Delta-Variante feststellbar. Im Vergleich dazu bestimmte die Forschungsgruppe auch den Antikörperspiegel bei Charité-Mitarbeitern, die im Durchschnitt 35 Jahre alt waren. Diese hatten immer noch zu über 97 Prozent neutralisierende Antikörper gegen die Delta-Variante – obwohl beide Studiengruppen zur gleichen Zeit mit dem gleichen Vakzin (Biontech) geimpft worden waren.

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Ein signifikanter Unterschied zeigte sich auch in der T-Zell-Antwort. "Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass das etablierte Zwei-Dosen-Impfschema bei älteren Menschen im Vergleich zu jungen Erwachsenen weniger dauerhafte Immunreaktionen hervorruft", heißt es im Preprint. Entsprechend sei die Empfehlung, ältere Menschen noch einmal zu boostern, unbedingt nachvollziehbar, so Sander. Zumal deren Risiko, schwer zu erkranken, je nach Altersgruppe hundertfach erhöht sei.

Infektionsrate dürfte sich durch Booster-Impfungen kaum verändern

Abgesehen von Risikogruppen und unter Umständen deren Umfeld brauche derzeit allerdings niemand, der erst vor kurzem geimpft worden sei, eine dritte Impfung, so Sander. Natürlich könnten Booster-Impfungen die Zahl der Durchbruchsinfektionen senken, wie eine Studie aus Israel erst kürzlich gezeigt habe. "Auf das Infektionsgeschehen hat aber die Impfung von bislang Ungeimpften einen viel stärkeren Einfluss als eine dritte Impfung für junge gesunde Menschen", unterstreicht der Infektiologe.

Video: Drosten: Auffrischungsimpfung im Herbst für die meisten unnötig


Zudem sei bei einer Auffrischung zu beachten, dass der Abstand zur zweiten Impfung mindestens ein halbes Jahr betragen sollte. "So lange sollte man warten, damit sich die Gedächtniszellen beruhigen", sagt Carsten Watzl und fährt fort: "Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir zu der Erkenntnis kommen, dass eine Corona-Schutzimpfung drei Injektionen braucht: Eine zweite sechs bis acht Wochen nach der ersten und eine dritte nach weiteren sechs bis acht Monaten." Dieses Prinzip dreier Impfdosen sei auch von anderen Vakzinen bekannt, die etwa im Kindesalter verabreicht werden.

Für die dritte Dosis könnte indes eine geringere Dosis ausreichen, wie ein Team um den Epidemiologen Benjamin Cowling von der Universität Hongkong im Fachblatt "Nature Medicine" kürzlich anmerkte. Dieses "Fraktionierung" genannte Verfahren ist bereits von anderen Impfstoffen bekannt und könnte, so die Autoren der Studie, eine mögliche Lösung für den weltweiten Mangel an Impfstoffen sein, die bisher nicht ausreichend beachtet und berücksichtigt worden sei.

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