Handball
Was bringt die Zukunft nach dem goldenen Jahrzehnt?
Was bringt die Zukunft nach dem goldenen Jahrzehnt?
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Die Handball-Weltmeisterschaft in Schweden und Polen steht vor der Tür. Dänemark hat im Laufe des vergangenen Jahrzehnts vier Titel und vier Silbermedaillen geholt. Kann sich Dänemark auch in den nächsten Jahren in der absoluten Weltspitze halten? DHF-Sportchef Morten Henriksen steht dem „Nordschleswiger“ Rede und Antwort.
Der Nordschleswiger: Dänemark ist 2019 und 2021 Weltmeister geworden. Kann Dänemark als erste Nation überhaupt zum dritten Mal in Folge Weltmeister werden?
Morten Henriksen: „Die kurze Antwort lautet: Ja! Das sage ich aber mit großem Respekt, denn das hat noch keine Nation geschafft, und der Konkurrenzkampf ist groß. Wir spüren aber auch nach vier Jahren an der Spitze, dass die Lust groß ist, uns zu schlagen. Wenn ich aber auf unser Material blicke, kann ich den Experten nur Recht geben, die sagen, dass wir das packen können. Es entscheiden aber oft nur Kleinigkeiten. Wir können auch auf Platz sieben landen. Wir brauchen wieder eine herausragende Einzelleistung, egal von welchem Spieler die kommt. Ob es wieder einmal Mikkel Hansen ist, obwohl er einen wechselhaften Herbst hinter sich hat. Ob es ein Mathias Gidsel ist, der nicht zu stoppen ist, obwohl er lange verletzt war, oder ob es ein Rasmus Lauge ist. Wir müssen auch eine Deckung finden, die Stand hält, nachdem die Toft-Brüder nicht mehr da sind und von den Treuen nur noch Møllgaard übrig ist. Wir brauchen eine herausragende Einzelleistung, kombiniert mit einem guten Kollektiv.“
Der Nordschleswiger: Der EM-Titel 2008 war der Startschuss. Danach folgte das goldene Jahrzehnt mit den Titelgewinnen bei der Europameisterschaft 2012, den Olympischen Spielen 2016 und den Weltmeisterschaften 2019 und 2021 sowie den Silbermedaillen bei den Olympischen Spielen 2020, der Europameisterschaft 2014 und den Weltmeisterschaften 2011 und 2013. Kann Dänemark diese Position an der Weltspitze behaupten oder sogar ausbauen?
Morten Henriksen: „Das ist die Vision und der Traum. Nicht nur für mich, sondern auch für den Verband und für Nikolaj Jacobsen. Wir haben aber schon den Rahmen gesprengt. Wenn man auf andere Nationen blickt, die eine goldene Ära hatten, so wie Frankreich oder Schweden, dauerte sie maximal zehn Jahre. Wir sind an dieser Marke schon vorbei, und da fragt man sich in aller Bescheidenheit, ob das so bleiben kann? Wenn man auf das Material blickt, und auch auf die Arbeit, die geleistet wird, habe ich Lust, Ja zu sagen.“
Der Nordschleswiger: Mikkel Hansen und Niklas Landin sind seit mehr als einem Jahrzehnt Garanten für dänische Erfolge, werden wohl aber nicht für immer spielen. Was kommt danach?
Morten Henriksen: „Ich habe bemerkt, dass kein Journalist irgendetwas über einen Generationswechsel schreibt, obwohl wir für die bevorstehende WM vier Neulinge im Kader haben. Es ist uns gelungen, ständig neue Spieler einzubauen, ohne dass es sportlich etwas gekostet hat. Großes Lob an Nikolaj, dem es gelungen ist, neue Spieler zu integrieren, auch in den vielerorts kritisierten Frühjahrslehrgängen, wo viele neue Gesichter die Chance bekommen haben. Es ist aber auch eine Kultur geschaffen worden, wo es neuen Spielern nicht schwer gemacht wird, in die Mannschaft aufgenommen zu werden. Es drängen sich ständig neue Spieler auf. Wenn ich auf die Talente blicke, ist nicht jeder Jahrgang stark, aber wir blicken gerne auf eine vierjährige Zeitspanne, und da habe ich noch keine Löcher entdeckt.“
Der Nordschleswiger: Hat Dänemark als Handball-Nation Schwächen oder nicht ausgeschöpftes Potenzial? Was muss besser werden?
Morten Henriksen: „Wir wissen, dass einige Nationen mehr Geld in den Handball stecken und auch mehr Spieler zur Auswahl haben. Wir fragen uns auch ständig, was wir langfristig besser machen können. Wir wollen gerne daran festhalten, Weltklassespieler im Rahmen des dänischen Kollektivs zu schaffen, ohne die Kreativität aus dem Spieler zu nehmen. Es muss die richtige Balance gefunden werden und auch der Rahmen, wo sich ein Spieler entfalten kann, ohne das Kollektiv zu sprengen. Wir dürfen aber einen Spieler auch nicht begrenzen, sondern müssen Platz für den Individualismus bieten, der in anderen Handball-Kulturen für Begeisterung sorgen würde. Es gibt eine kleine Begrenzung in dem dänischen Kollektiv-Denken, aber es ist uns dennoch gelungen, Spieler wie Rasmus Lauge oder Mathias Gidsel hervorzubringen.“
Der Nordschleswiger: Dennoch wandert die Nationalmannschaft von Erfolg zu Erfolg. In welchen Bereichen ist Dänemark besser als alle anderen Handball-Nationen?
Morten Henriksen: „Es ist uns besser als vielen anderen Nationen gelungen, diese individuellen Fähigkeiten in ein Kollektiv einzubringen. Wir sind taktisch stark und haben in Nikolaj Jacobsen einen einzigartigen Trainer, der die Spieler hervorragend in Szene setzt. Wir investieren aber auch viele Kräfte in dem, was außerhalb des Spielfeldes passiert. Wir wollen dafür sorgen, dass Platz für unterschiedliche Charaktere ist, und dass alle sich wohl fühlen. Ich höre oft, dass die Spieler einfach ihre Leistung bringen müssen, aber wir drehen es ein wenig um und sagen, dass sie schon ihre Leistung bringen werden, wenn sie sich wohl fühlen. Die Spieler freuen sich darauf, zur Nationalmannschaft zu kommen, und kommen nicht nur, um Handball zu spielen. In dem Punkt sind wir weit vor anderen Nationen.“
Der Nordschleswiger: Anders Zachariassen und Aaron Mensing sind in ihren jungen Jahren bei SønderjyskE von dir gefördert worden, sind bei dieser WM nicht dabei. Wie stehen ihre Chancen auf eine Rückkehr in die Nationalmannschaft?
Morten Henriksen: „Anders steht leider mit einer Kreuzbandverletzung nicht zur Verfügung. Ich bin mir sicher, dass er gute Chancen auf eine Rückkehr hat, wenn er wieder obenauf ist. Aaron ist dieses Mal nicht nominiert worden. Es ist nicht lange her, wo er sich entscheiden musste, ob er für Deutschland oder Dänemark spielen möchte, und jetzt ist sicherlich ein Moment, wo es sich hart anfühlt, dass er sich für Dänemark entschieden hat. Lasse Møller ist im Augenblick ein Stück vor ihm, und die Frage ist, welchen Spieler kann er verdrängen? Er spielt einfach auf einer Position, wo der Konkurrenzkampf wahnsinnig groß ist. Aaron hat aber bewiesen, dass er einen Unterschied ausmachen kann, wenn er dabei ist. Ich bin mir sicher, dass er in die Nationalmannschaft zurückkehren wird. Die Frage ist nur, wann und für wie lange?“