Lange Nacht des Horrors
Der Wahn der roten Augen
Der Wahn der roten Augen
Der Wahn der roten Augen
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Lukas Keller sitzt in einer forensischen Anstalt und wird von seinem Psychiater Dr. Shaw gedrängt, sich an den schrecklichen Vorfall zu erinnern, der ihn dorthin brachte – den Tod seiner Schwester und den Mord an seinem Vater. Doch je mehr Lukas sich der Erinnerung stellt, desto mehr wird er von Albträumen und grotesken Visionen einer schrecklichen Kreatur verfolgt, die in der Anstalt lauert. Als er schließlich einen verzweifelten Fluchtversuch unternimmt, muss er erkennen, dass der wahre Horror viel tiefer geht, als er sich je vorstellen konnte.
Es sind jetzt drei Monate in St. Castor, einer forensischen Anstalt, vergangen. Drei Monate, in denen es mir vorkommt, als würden die Wände immer näher rücken. Die Tage verlaufen immer wieder gleich, als würde die Zeit selbst in den Mauern dieser Einrichtung steckenbleiben. Jeden Tag höre ich das Wimmern der Frau im Zimmer neben mir, jeden Tag stellt mir mein Psychiater die gleichen stumpfen Fragen, und jeden Tag antworte ich ihm mit Schweigen.
In unserem gestrigen und letzten Gespräch hat mein Magen geknurrt und er hat mich gefragt, ob ich heute nichts gegessen habe. Selbst darauf habe ich ihm nicht geantwortet, sondern nur weiter in die Leere gestarrt, anscheinend hat ihr das Ende dazu gebracht, final. Die Wahrheit ist, ich habe heute nichts gegessen, da ein ehemaliger Soldat namens Erik Rausch es gewaltsam für sich beansprucht hat. Ihm fehlt zwar ein Arm, er zittert die ganze Zeit und er kann sich aufgrund von Verletzungen nur hinkend fortbewegen, jedoch ist er trotzdem um einiges stärker als ich.
Heute ist mein erster Termin mit meinem neuen Therapeuten, mir wurde gesagt, er solle der beste sein und mir dabei helfen, mich an den Tag zu erinnern. Die Wahrheit ist, ich will mich nicht erinnern. Ich wünschte, diesen Tag einfach für immer vergessen zu können. Ich betrete den Raum, ein grelles Licht scheint mir in die Augen und die roten Augen meines neuen Psychiaters blicken mich durchdringend an, ich wusste nicht einmal, dass ein Mensch rote Augen haben kann „Grüße Sie, Herr Keller setzen Sie sich, wir haben einiges zu besprechen.“, seine raue Stimme bohrt sich mir in die Gedanken, „Mein Name ist Viktor, Dr. Viktor Shaw, aber sie nennen mich bitte einfach Dr. Shaw“. Ich antworte ihm nicht, jedoch blickt er mich für einige Zeit intensiv an. „Keine Sorge, Sie müssen sich nicht vorstellen, ich weiß bereits alles über sie… lass uns doch gleich zum Punkt kommen, deine Schwester“. Tausend Gedanken rasen durch meinen Kopf, er ist der erste, der es wagt, diesen Abend so direkt anzusprechen, ich will ihn anschreien, dass er leise sein und mich in Ruhe lassen soll, doch das Einzige, was ich herausbringe, ist ein jämmerliches „Bitte… stopp“. Es breitet sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Jetzt bist du also bereit zu reden, ja? Na, dann erzähl mir doch, was an dem Tag passiert ist, als sie beim Spazierengehen mit dir verloren gegangen ist und am nächsten Tag tot gefunden wurde. Erzähl mir, warum du dann deinen Vater töten wolltest und am wichtigsten, erzähl mir, warum du sie getötet hast.” Meine Sicht verschwimmt langsam und Gedanken über den Abend durchströmen meinen Kopf, er soll einfach aufhören zu reden, aber er hört nicht auf. Immer weiter redet er auf mich ein, bis ich das Gefühl habe, mein Kopf explodiert und mir schwarz vor Augen wird.
Als ich am Abend, nachdem ich aus der Krankenstation entlassen wurde, auf meinem viel zu weichen Bett liege und aus diesem Gefängnis, das sich mein Zimmer nennt, herausblicke, meine ich, im Gang eine Art schwarzen Schleim auf dem Boden zu erkennen, doch bei einem zweiten Blick ist da nichts, wahr wohl bloß eine Einbildung.
Dann wache ich mitten in der Nacht zu einem seltsamen Geräusch auf, dann sehe ich es. Schwarzer Schleim quillt aus den kleinen Rissen in der Wand und formt sich in der Mitte des Raumes zu einer großen, schleimigen Kreatur mit zwei rot leuchtenden Augen, die seltsam auf ihrem Körper verteilt sind und viel zu vielen Tentakeln für den Körper, allein die Form dieser Kreatur zu beobachten, macht mir Kopfschmerzen, fast so, als könnte mein Gehirn den Körper der Kreatur nicht verstehen. Die Roten Augen der Kreatur erleuchten das Dunkel der Nacht und die Blicke der Kreatur huschen nur knapp an meiner Zelle vorbei. Mir gefriert vor Angst das Blut in den Adern und meine Luftröhre schnürt sich zusammen.
Das war der Moment, an dem ich entschied, ich muss hier raus. Die Türen aller Zimmer sind offen, damit die Patienten nachts nach draußen gehen können, falls sie einen Anfall haben. Ich muss nur einen Weg hier rausfinden, ohne von dem Personal oder dieser schrecklichen Kreatur entdeckt zu werden. Ich weiß gar nicht, was ich schlimmer fände, von dieser Kreatur gefunden zu werden oder mich weiter von Dr. Shaw an diese Nacht erinnern zu lassen, selbst wenn ich es ihm erzähle, er wird mir nicht glauben, warum auch. Ihn interessiert nur ein Geständnis aus mir heraus zu prügeln, damit er mich als einen weiteren gelösten Fall abstempeln kann. Um diesem Albtraum zu entkommen, entriegle ich langsam die Tür zu meiner Zelle und schiebe sie langsam auf. Vorsichtig schlich ich durch die endlos scheinenden monotonen Gänge der Anstalt. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, die ich durch die Anstalt irre, doch dann höre ich sie, immer lauter werdende Schritte mehrerer Personen. Ich verstecke mich schnell in einem der Therapie-Zimmer hinter einer Liege und hoffe einfach, dass wer auch immer da kommt, mich nicht findet. Als ich jedoch Dr. Shaws Stimme höre, sehe ich vorsichtig an der Liege vorbei, um mitzubekommen, was passiert. Doch was ich sehe, ist nicht der Dr. Shaw der vorhin noch ein Therapiegespräch mit mir geführt hat, auf seinem weißen Kittel sitzt nun nicht mehr sein Kopf, sondern ein dampfartiges Gebilde, dass mit jeweils drei insektenartig wirkenden, hintereinander aufgereihten Augenpaaren ausgestattetist. Es ist ein albtraumhafter Anblick. Er redet mit dem Wachpersonal der Anstalt, nicht nur ihr, sondern auch Shaws Körper ist übersät mit schwarzem Schleim und schwarzen Markierungen. Sie klingen aufgeregt, vermutlich ist ihnen mittlerweile aufgefallen, dass ich verschwunden bin.
Redend ziehen Shaw und die anderen vorbei, jedoch warte ich noch ein wenig, bevor ich mich wieder aus meinem Versteck traue. Ich habe zwar das Gefühl, ihre Schritte hallen noch immer durch die endlosen Gänge, jedoch sehe ich sie nicht mehr, also gehe ich vorsichtig weiter. Während ich durch die Gänge sehe, bemerke ich immer öfter den schwarzen Schleim, der sich überall an den Wänden und auf dem Boden zu befinden scheint. In einem der Gängeist es besonders schlimm, ich muss von Stelle zu Stelle auf dem Boden springen, nur um nicht in die schwarze Masse zu treten. Als ich am Ende des Gangs ankomme, spüre ich etwas Nasses auf meinen Kopf tropfen. Ich fasse mir vorsichtig an die Stelle und als ich mir meine Hand ansehe, bemerke ich, dass etwas des schwarzen Schleimes auf meinem Kopf gelandet ist. Langsam blicke ich hoch, mein Herz pocht, als ich an die Decke blicke, sehe ich die Tentakelkreatur, die ich auch schon von meinem Zimmer aus gesehen habe. Sie presst sich über mir in die Ecke des Ganges und die zig Tentakel der Kreatur bewegen sich langsam auf mich zu, während mich ihre gigantischen roten Augen mit zuckenden Bewegungen mustern. Ich schreie auf und beginne, so schnell wie möglich in die andere Richtung zu rennen. Ich reiße eine der Türen auf und renne so schnell wie möglich durch, in der Hoffnung dahinter Sicherheit zu finden, doch was ich auf der anderen Seite finde, ist kein Therapiesaal oder so, nein, es ist der gleiche Gang, durch den ich vorhin schon durgegangen bin. Das Monster, das oben an der Decke hing, zieht sich mittlerweile mit seinen Tentakeln über den Boden, genau in meine Richtung. Erneut renne ich los, wie kann das überhaupt möglich sein. Diese Tür hätte gar nicht in den gleichen Gang führen können. Egal, das Wichtigste ist es, erst einmal zu überleben. Also renne und renne ich, es fühlt sich wieder nach einer endlos langen Zeit an und ich habe das Gefühl immer wieder an den gleichen Stellen vorbeizulaufen. Nach gefühlten Stunden des stumpfen durch die Gänge Rennens finde ich mich an einem vertrauten Ort wieder. Der Weg zur Kantine ist da und von dort aus müsste ich den Weg hinausfinden. Als ich mich in der Kantine setze, um kurz zu verschnaufen, höre ich die Lautsprecher der Anstalt mit einem rauschenden Geräusch angehen. Dann ertönt die Stimme von Dr. Viktor. Seine unangenehm raue Stimme bohrt sich wieder in meine Gedanken. „Der Patient Lukas Keller ist ohne Befugnis verschwunden und weigert sich zu kooperieren. Alle Patienten imKeller sollen sich bitte unverzüglich beim Personal melden.” Dann verstummen die Sprecher wieder. Ich sollte vermutlich nicht zu lange in der Kantine bleiben, nicht dass ich noch entdeckt werde, also schleppe ich meinen Körper zur Tür, die mich in Richtung Ausgang bringen sollte. Gerade als ich die Tür öffnen will, wird diese von der anderen Seiteaufgeworfen und eine weitere dieser Kreaturen aus schwarzer Masse stürmt durch diese und steht nun nur wenige Meter vor mir. Der amorphe Körper der Kreatur scheint sich unmöglich zu erklären, es ist wie der riesige Kopf eines Raubtieres, der sich mit etwas wie einer Säule oder einem Arm aus schwarzem Schleim über den Boden schlängelt.
Sie dreht sich zu mir um und fixiert mich mit drei in einem Dreieck angeordneten Augen auf jeder Seite ihres unförmigen Kopfes. Der klaffende Schlund der Kreatur verzieht sich zu einem widerlichen Grinsen. Mit dem einem aus ihrem Körper ragenden Arm stützt sich die Kreatur an der Wand ab, während sie sich auf eine Weise, die ich nicht einmal beschreiben kann, auf mich zu schlängelt. Ich renne wieder zurück in die Kantine und um die Tische herum. Es schießt direkt auf mich zu, als wollte es mich zerquetschen, obwohl ihm die Navigation um die Tische herum schwerfiel. Verzweifelt greife ich nach einem der Essensbretter und schlage damit in Richtung der immer näherkommenden Kreatur. Zu meiner Überraschung treffe ich es sogar direkt am Kopf, mit einem stumpfen Aufprall fällt das Wesen zu Boden und schwarze Flüssigkeit rinnt aus der Stelle, wo ich das Biest getroffen habe. Erst jetzt wo der Kampf vorbei ist, bemerke ich, dass mein Körper vor Erschöpfung fast zusammenbricht. Anstatt mich aber noch einmal hinzusetzen und eine weitere Begegnung mit so einem Gegenstand zu riskieren, versuche ich irgendwie weiterzukommen.
Als ich diesmal aus der Tür gehe, werde ich nicht erneut gestört und schon bald finde ich denAusgang aus der Klinik. Als ich den Griff der großen metallischen Doppeltür greife, bemerke ich jedoch etwas, dass ich nicht mit eingeplant habe. Die Tür ist abgeschlossen. Ich habe vorher noch nie versucht, die Anstalt zu verlassen, also habe ich nicht damit gerechnet, obwohl es ja eigentlich ziemlich offensichtlich ist. Verzweifelt rüttle ich noch ein zwei Mal an der Tür, doch es ist vergeblich. Mein einziger Ausweg ist verschlossen. Niedergeschlagen, so knapp vor der Freiheit zu versagen, lasse ich mich auf den Boden fallen, jeder meiner Muskeln schmerzt und ich kann mich nicht mehr wirklich bewegen. Das war es dann wohl. Nach kurzer Zeit betreten mehrere Wachmänner den Raum und greifen mich grob an den Armen. Das Letzte, was ich sehe, bevor ich erneut in Ohnmacht falle, ist wie das Wesen, zu dem Dr. Shaw geworden ist, den Raum betritt.
Als ich aufwache, sitze ich auf einer der Therapieraum-Liegen, meine Hände und Füße festgebunden. Dr. Shaw steht vor mir wieder in seiner menschlichen Gestalt, doch etwas an ihm ist immer noch... falsch. Sein Blick bohrt sich in mich hinein, als würde er einfach nur warten wollen, bis ich endlich nachgebe.
„Erzählen Sie mir, was in dieser Nacht passiert ist, Lukas“, sagt er mit seiner ruhigen, eindringlichen Stimme.
Das war der Punkt, an dem ich nachgab. Tränen rennen über mein Gesicht und ich schluchze. „Es war mein Vater“, flüstere ich mich gebrochener Stimme. „Er hat sie getötet, ich… ich habe es gesehen“. Meine Stimme versagt und meine Gedanken brechen unter der Last der Erinnerungen zusammen.
Dr. Shaw lächelte nur schwach. „Interessant“.