Lange Nacht des Horrors
Der stille Beobachter
Der stille Beobachter
Der stille Beobachter
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Kim, ein stiller Beobachter, verfolgt das Leben von Alina, einem unscheinbaren Mädchen aus seiner Klasse, das er zunehmend obsessiv studiert. Durch das Sammeln von Informationen über sie, sowohl online als auch im realen Leben, geht er immer weiter, bis er schließlich in ihre Wohnung eindringt, was zu einem erschreckenden Höhepunkt führt.
Ich saß im Klassenzimmer, draußen wehten die abgefallenen Blätter umher. Der Himmel war farblos. Sie sprach mich an: „Hey Kim, kannst du mir‘n Stift leihen?“. Alina. Sie war einschwarzhaariges, dürres Mädchen. Unscheinbar. Ich sprach nie mit ihr. Ich weiß nicht, warum sie mich an diesem Tag ansprach. Ich widmete mich danach wieder dem Unterricht.
An diesem Tag nahm ich den Bus. Die Haltestellen kannte ich mittlerweile auswendig. An meiner Haustür lies ich meine Katze ins Haus, danach ging ich in die Küche und räumte den Geschirrspüler aus, bevor ich mich in mein Zimmer verkroch und bis zum Abendessen nicht blicken ließ.
Ich saß im Klassenzimmer. Draußen beobachtete ich, wie meine Mitschüler auf dem Schnee ausrutschten. Ich stellte mir manchmal vor, wie es wäre, stürbe einer von ihnen durch eine Platzwunde. Die einzigen Leichen, die ich bisher gesehen hatte, waren auf Reddit.
Ich sah auf den Platz vor mir, auf das lange schwarze Haar. Alina hatte mir meinen Stift nie wieder gegeben. Der Stift bedeutete mir nichts, soll sie ihn haben. Sie wechselte die Tintenpatrone ihres Füllers und ließ diese nach dem Unterricht achtlos auf ihrem Tisch liegen. Ich hob die Tintenpatrone auf und steckte sie ein.
An diesem Tag nahm ich den Bus. An welchen Haltestellen meine Mitschüler jeweils ausstiegen, kannte ich mittlerweile auswendig. An meiner Haustür ließ ich meine Katze ins Haus, danach ging ich in die Küche und räumte den Geschirrspüler aus, bevor ich mich in mein Zimmer verkroch und bis zum Abendessen nicht blicken ließ.
Ich saß im Klassenzimmer, draußen blühten die ersten Blumen. Alina schminkte sich in der Pause. Sie sprühte Parfüm um sich herum, vergaste dabei die ganze Klasse. Ich wusste viel über sie, obwohl ich nie mit ihr direkt sprach. Ich kannte ihren Stundenplan, die Haltestelle,an der sie ausstieg, ihr Reddit-Profil etc. Sie war ein offenes Buch, naiv und gesprächig. Ich fragte mich, ob sie überhaupt etwas für sich behalten konnte, ob sie Geheimnisse hätte, von denen niemand wusste.
An diesem Tag nahm ich den Bus. Ich beobachtete, wie Alina an ihrer üblichen Haltestelle ausstieg. An meiner Haustür ließ ich meine Katze ins Haus, danach ging ich in die Küche und räumte den Geschirrspüler aus, bevor ich mich in mein Zimmer verkroch.
Ich ging auf Reddit, wobei ich auf Alinas Account stieß. Ich gab ihren Benutzernamen auf diversen Socialmedia-Plattformen ein. Ich fand dabei ihre Profile auf Instagram, Snapchat und TikTok. Ich sammelte ihre Daten durch einfaches Durstöbern oder durch Benutzen meiner bescheidenen Hacking-Skills. Schon bald kannte ich ihre Adresse, ihre Telefonnummer, ihre Interessen sowie jegliches unnützes Wissen über ihre Nutzeraktivität auf jenen Plattformen. An diesem Tag aß ich kein Abendessen.
Ich saß im Klassenzimmer, es war stickig und die Klimaanlage funktionierte nicht. Alina unterhielt sich während des Unterrichts mit ihrer Freundin Marie. Sie wäre in der Nacht auf ihrer Unterwäsche ausgerutscht und habe sich dabei eine Prellung am Bein geholt. Ich wusste das bereits; vom Parkhaus hatte ich schließlich eine gute Sicht.
An diesem Tag nahm ich den Bus. Ich fuhr die Strecke einmal durch, bis ich an Alinas Haltestelle ausstieg. Ich bestieg die Treppen des hohen Parkhauses. Alinas Wohnblock befand sich neben diesem Parkhaus. Vom Dach aus konnte ich durch die Fenster ihres Zimmerssehen. Sie war nichts Besonderes. Es gab keinen Grund, warum ich sie als mein Entertainments auswählte. Es ergab sich einfach
Ich saß vor ihrem Wohnblock, die Blätter fielen von den Bäumen. Die Fenster waren dunkel, nur Alinas Zimmer leuchtete schwach. Ich wusste, dass sie allein war.
Langsam ging ich durch das Treppenhaus. Jede Stufe, jedes Knarren war vertraut. Vor ihrer Tür hielt ich kurz inne. Stille. Ich drehte den Ersatzschlüssel im Schloss und trat ein. Ich lief durch die mir bekannte Wohnung. Ihre Eltern waren noch auf der Arbeit.
Sie saß auf ihrem Bett, in ihr Handy vertieft. Ein flüchtiger Ausdruck von Verwirrung glitt über ihr Gesicht, als sie aufsah und mich erkannte, oder zu erkennen glaubte. Dann verstummte alles; ihr Blick eingefroren, als wäre er nur für mich bestimmt.
Ich saß im Klassenzimmer. Der Sitzt vor mir leer.
An diesem Tag nahm ich den Bus. An meiner Haustür ließ ich meine Katze ins Haus, danach ging ich in die Küche und räumte den Geschirrspüler aus, bevor ich mich in mein Zimmer verkroch und bis zum Abendessen nicht blicken ließ.