75 Jahre „Der Nordschleswiger“
Wildschweinzaun weckt Erinnerungen an Neubeginn im Grenzland
Wildschweinzaun weckt Erinnerungen an Neubeginn im Grenzland
Wildschweinzaun weckt Erinnerungen an Neubeginn im Grenzland
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„Der Nordschleswiger“ wurde am 2. Februar 75 Jahre alt. Wir bringen im Laufe des Jubiläumsjahres eine Serie über uns selbst. In diesem Abschnitt erinnern sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an eine Arbeitsaufgabe, die einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen hat. Gedanklich verbindet Lana Riedel ihren Umzug mit dem Bau des Wildschweinzauns.
Multimediaproduzentin Lana Riedel ist seit rund drei Jahren beim Webmedium der deutschen Minderheit in Nordschleswig angestellt. Die 36-Jährige ist Grenzpendlerin und fährt von ihrem Wohnsitz in Flensburg (Flensborg) zu ihrem Arbeitsplatz im „Haus der Medien“ in Apenrade. Die Grenze und der 70 Kilometer lange Wildschweinzaun, für den im Januar 2019 in Dänemark der erste Spatenstich gesetzt wurde, bewegten die Wahl-Flensburgerin seit ihrem Wohnortwechsel von Kiel in die Grenzregion.
„Die Protestaktionen zum Wildschweinzaun und der Zaunbau an sich haben bei mir auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen und mir gezeigt, was das Grenzland eigentlich bedeutet. Das war mir vorher alles gar nicht so bewusst, da ich die Region ja erst mit Arbeitsbeginn beim ,Nordschleswiger‘ im Oktober 2018 kennengelernt habe“, sagt Lana Riedel.
Von Celle über Hannover und Kiel nach Flensburg
In einem kleinen Dorf bei Celle in Niedersachsen aufgewachsen, ging Lana Riedel nach der Schule nach Hannover. Nach dem einjährigen Freiwilligendienst im Bereich Kultur begann sie 2007 in Hannover die Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik mit Schwerpunkt Ton- und Lichttechnik.
Sie arbeitete einige Jahre in dem Beruf. „Ich habe auf Festivals gearbeitet und war auch als Tontechnikerin auf einer Minitournee mit einer Band unterwegs“, sagt Riedel. Von 2011 bis 2013 war sie an der Universität in Hannover, wo sie die Techniken in den Hörsälen betreute. „Vielleicht war es die Nähe zur Universität, die mich dazu brachte, ein Studium anzufangen“, überlegt Lana Riedel. 2013 erfolgte der Umzug von Hannover nach Kiel, wo sie ihr Studium zur Multimediaproduzentin begann.
„Ich habe 2018 meinen Abschluss gemacht und mich dann beim ,Nordschleswiger‘ beworben. Das war der Grund dafür, dass ich in die Region gekommen bin“, sagt Lana Riedel, die mit ihrem Partner von Kiel nach Flensburg ging. Sie habe damals nicht so viel darüber nachgedacht, auf welcher Seite der Grenze sie sich niederließ.
Grenze spielte zunächst keine Rolle
„Die Stellenbezeichnung passte so gut, und den ,Nordschleswiger‘ fand ich sehr interessant“, so Lana Riedel. 2018 habe es keine Rolle gespielt, dass sie die Grenze queren musste, um zur Arbeit zu gelangen. Sie habe anfangs nie das Gefühl gehabt, in ein anderes Land zu kommen, wenn sie die Grenze passierte. Problematisch wurde es erst mit Beginn der Corona-Pandemie. Danach habe sie im Homeoffice gearbeitet. „Dann ist es auch egal, in welchem Land man dann sitzt. Nur, dass in Dänemark die Internetverbindung besser ist“, sagt Lana Riedel mit einem Lächeln.
Regeln visuell dargestellt
Die Aufgaben der Multimediaproduzentin sind vielfältig. Lana Riedel betreut und managt die sozialen Medien Facebook, Instagram und Twitter. Des Weiteren erstellt, schneidet und produziert sie Videos und Infografiken. Bei den Infografiken arbeitet sie entwender allein oder zusammen mit Kolleginnen und Kollegen. Mit Journalistin Kerrin Jens habe sie in den Pandemiemonaten sehr viel mit Grafiken gearbeitet, um die Einreisebeschränkungen visuell darzustellen. „Das ist eine große Kopfarbeit, wir denken immer darüber nach, wie man die Regeln verständlich visualisieren kann“, verrät Riedel. Hannah Dobiaschowski, Projektmitarbeiterin in der Marketing-Abteilung, unterstützt Riedel bei der Aufbereitung der Videodateien.
Das hat mich wirklich begeistert. Ich wollte gerne einen Artikel schreiben. Ich fand es schön, mich dieses Themas anzunehmen
Lana Riedel, Multimediaproduzentin
Verschönerungsaktion für Wildschweinzaun begeisterte die Zuzüglerin
Die Region und die Minderheiten sind ein recht neues Thema, mit dem sich Lana Riedel auseinandergesetzt hat. In den sozialen Medien verfolgte sie Ende 2018 und Anfang 2019 die Diskussionen zum Bau des Wildschweinzauns.
Dabei war sie auf einen deutsch-dänischen Freundeskreis gestoßen, der den Wildschweinzaun verschönern wollte als Symbol der Verbundenheit.
„Das hat mich wirklich begeistert. Ich wollte gerne einen Artikel schreiben. Ich fand es schön, mich dieses Themas anzunehmen“, erinnert sich Lana Riedel. Beim „Nordschleswiger“ habe sie auch als Crossmedia-Mitarbeiterin die Möglichkeit, sich journalistisch einzubringen. „Wenn mich ein Thema beschäftigt und niemand anderes gerade damit arbeitet, dann schreibe ich auch gerne. Journalistisches Schreiben war auch ein Modul in meinem Studium“, sagt Riedel.
Reportage am Wildschweinzaun
Über die sozialen Medien hatte sie mit der Gruppe, deren Mitglieder namentlich nicht öffentlich genannt werden wollten, Kontakt aufgenommen. „So war ich informiert über die Intentionen der Gruppe und wusste, wieso sie die Ausschmückung gemacht haben“, erinnert sich Lana Riedel. Sie habe direkt mit einer Kontaktperson geschrieben und Mails ausgetauscht. Im April 2019 fuhr Lana Riedel dann in die Nähe von Pattburg (Padborg), um sich den dekorierten Zaun anzuschauen.
Den Artikel „Wildschweinzaun der Liebe" veröffentlichte „Der Nordschleswiger" im April 2019, nachdem sich Riedel durch Augenschein einen Eindruck verschafft hatte von der ungewöhnlichen Ausgestaltung des Wildschweinzauns. Sie berichtete, wie die Gruppe den Zaun mit selbst hergestellten Dekorationen und freundlichen, teils kritischen Botschaften in Richtung Kopenhagener Politik die Zweckmäßigkeit des Wildschweinzauns als Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest anzweifelten.
Volleyballspiel über den Zaun
Sehr viel mediale Aufmerksamkeit bekam der Wildschweinzaun auch im Mai 2019, als die politischen Jugendparteien der beiden Minderheiten diesseits und jenseits der Grenze eine Protestaktion gegen den Zaun organisierten. Die „Jungen Spitzen“, die Jugendorganisation der „Schleswigschen Partei“ (SP) unter dem Dach des „Bundes Deutscher Nordschleswiger“ (BDN) und „SSWUngdom“, die Jugendpartei von „Sydslesvigsk Vælgerforening“, veranstalteten ein Volleyballspiel am Wildschweinzaun.
„Es war als eine Protestaktion gedacht, mit der sie zeigen wollten, wie absurd dieser Zaun ist“, erinnert sich Lana Riedel. An der Stelle, wo das Volleyballspiel über den Zaun vonstattenging, verläuft der Zaun mehr oder weniger auf dem Grundstück eines Bauern, fügt sie hinzu.
Ein schöner Moment
„Das war ein schöner Moment, die jungen Menschen zu sehen, wie sie an dem Zaun spielten. Es ging auch darum, Medienpräsenz zu zeigen. Beeindruckend, dass sie es auf die Beine gestellt haben und wie viel Aufmerksamkeit sie bekommen haben. Das zeigt auch, dass die Menschen hier in der Region nicht einverstanden sind mit der sichtbaren Grenze“, unterstreicht die 36-Jährige, die für den „Nordschleswiger“ eine Reportage von den sogenannten Grenzzaun-Games machte.
Über den Sinn des Wildschweinzaunes könne man nach wie vor diskutieren: „Der eine sagt, der Zaun ist hilfreich, der andere nicht. Jetzt baut Deutschland auch einen Wildschweinzaun“, ergänzt Lana Riedel. An diesem Tag vor mehr als zwei Jahren habe sie zum ersten Mal begriffen, was die Region und die Minderheiten bedeuten und wie wichtig es für die Minderheiten ist, präsent zu sein in der Öffentlichkeit und welche Rolle „Der Nordschleswiger“ dabei spielt.
„Das war beeindruckend, da sind sie mir richtig ans Herz gewachsen, die Minderheiten und die Region. Es ist ein schönes Miteinander hier im Grenzland, umso trauriger, dass die Grenze coronabedingt geschlossen war und immer noch schwer passierbar ist. Das ist absolut kontraproduktiv für dieses Miteinander“, unterstreicht Lana Riedel bei dem Interview, dass Mitte Juni geführt wurde.
Von der Tageszeitung zum Webmedium
Lana Riedel machte seit Beginn ihrer Arbeit beim „Nordschleswiger“ den Digitalisierungsprozess mit. „Der Nordschleswiger“ ist seit 3. Februar 2021 ein digitales Webmedium. Als Ersatz für die Leser, die nicht digital sind, erscheint 14-täglich eine Zeitung mit bereits veröffentlichten Artikeln von der Homepage www.nordschleswiger.dk.
„Ich habe die Digitalisierung mitgemacht. Das war ein spannender und aufregender Prozess, der mit viel Arbeit verbunden ist“, sagt Lana Riedel, die „sehr zufrieden ist“ mit dem Webmedium: „Wenn man den ,Nordschleswiger‘ 2021 digital liest, ist das schon etwas anderes als ,Der Nordschleswiger‘ digital 2018.“
Der eine sagt, der Zaun ist hilfreich, der andere nicht. Jetzt baut Deutschland auch einen Wildschweinzaun.
Lana Riedel, Multimediaproduzentin
Festtag mit vielen Arbeitsaufgaben
Bei dem Besuch von Königin Margrethe II., dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und der dänischen sozialdemokratischen Regierungschefin Mette Frederiksen anlässlich der Feierlichkeiten zum 101-jährigen Jubiläum der Wiederangliederung (dänisch Genforeningen) Nordschleswigs mit Dänemark sei „Der Nordschleswiger“ sehr gut vertreten gewesen – sowohl mit Artikeln auf der Webseite als auch mit Videos und in den sozialen Medien, sagt Lana Riedel.
„Die Webseite und die App, das ist schon sehr gelungen“, freut sie sich über den neuen Online-Auftritt. Für sie sei der Festtag im Juni mit viel Arbeit verbunden gewesen. Als Crossmedia-Mitarbeiterin sei es auch an dem Tag ihre Aufgabe gewesen, die Videoschnipsel und die kurzen Texte, die ihre Kolleginnen und Kollegen als erste Meldungen von den Veranstaltungen an der nordschleswigschen Ostküste in die Redaktion schickten, zusammenzubasteln, ins Internet zu stellen und nebenbei in den sozialen Medien zu veröffentlichen. „Ich bin zwischenzeitlich ins Schwitzen gekommen, aber es hat großen Spaß gemacht“, lacht Lana Riedel.
Entscheidung nicht bereut
„Ich fühle mich hier richtig zu Hause, die Region ist wirklich schön“, unterstreicht Lana Riedel. Die Entscheidung, gemeinsam mit ihrem Lebenspartner nach Flensburg zu gehen, habe sie keinen einzigen Tag bereut. Um das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken und ihr den Arbeitsalltag zu erleichtern, lernt Lana Riedel Dänisch. „Ich recherchiere viel auf Dänisch. Lesen geht mittlerweile gut, aber ich muss die Sprache ein bisschen besser können“, so Riedel, die bedauert, dass ihre Dänisch-Kurse in den vielen Monaten der Pandemie ausgefallen sind.