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Tortenschlacht zum Jubiläum: Kirsten feiert in ihrer Jugendherberge

Tortenschlacht zum Jubiläum: Kirsten feiert in ihrer Jugendherberge

Tortenschlacht: Kirsten feiert in ihrer Jugendherberge

Ruttebüll/Rudbøl
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Vor 30 Jahren übernahm Kirsten Bossen die Jugendherberge. Seit 20 Jahren gehört sie ihr (Archivfoto). Foto: Karin Riggelsen

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Seit 30 Jahren steht die 63-Jährige am Ruder vom „Hostel Rudbøl“. Seit ihrer Übernahme sind die Häuser komplett renoviert worden. Am Sonnabend, 1. Juni, wird das Jubiläum gefeiert.

„Ich sage, was ich denk, und komme auch damit gut durch die Welt“, sagt Kirsten Bossen. Wer sie kennt, weiß, dass sie eine recht resolute Frau ist und ihre Meinung klipp und klar sagt. Sie geht keiner Diskussion aus dem Weg. Diese Eigenschaften sind vermutlich auch nützlich in ihrem Beruf. 

Tortenschlacht zum Jubiläum

Die Jugendherberge in Ruttebüll (Hostel Rudbøl) läuft seit 30 Jahren in ihrer Regie. Das Jubiläum wird am Sonnabend, 1. Juni, mit einem Empfang von 14 bis 17 Uhr mit der Familie, der Nachbarschaft, Freunden und mit Geschäftspartnern gefeiert. An diesem Tag kommt ihre große Spezialität auf den Tisch: Torten. Zwischen 12 und 15 Stück werde sie wohl backen und natürlich auch trockenen Kuchen für die, die keine Torten mögen. 

Einen faulen Lenz in geerbten Möbeln eines Hoyeraner Ehepaars kann Kirsten Bossen nicht machen. Im Aufenthaltsraum für Gäste hängen Gemälde ihrer Tante und historische Bilder aus Ruttebüll an den Wänden. Foto: Brigitta Lassen

Die gebürtige Rosenkranzerin (das deutsche Grenzdorf liegt direkt auf der anderen Seite der deutsch-dänischen Grenze) pachtete zunächst zehn Jahre den Ferienbetrieb, den sie seit 20 Jahren besitzt. Die 63-Jährige muss den Laden allein schmeißen. Händeringend sucht sie vor Beginn der Hauptsaison nach zwei Teilzeitkräften. Wie in der Gastronomie sind diese aber Mangelware.

Daher bereitet sie das Frühstück für die Gäste vor, macht sauber, steht am Empfang und nimmt Buchungen entgegen, kauft ein, wäscht das Bettzeug und managt den Betrieb im Alleingang.

Der Rekord lag bei 110 Teilnehmern, normal sind es aber 70 Personen.

Kirsten Bossen

Ans Aufhören hat sie auch schon gedacht. „Eigentlich möchte ich so schnell wie möglich verkaufen“, meint sie, die mit ihrem aus Ruttebüll stammenden Mann Ernst-Iwer in dem dänischen Grenzörtchen nicht nur arbeitet, sondern auch lebt.

Aufgaben als Versammlungshaus

Ihre Jugendherberge hat gleichzeitig die Funktion als Versammlungshaus. Das ganze Dorf und auch der Nachbarort kommen hier zusammen, wenn am 24. Dezember Weihnachtsgottesdienst gefeiert wird. Das sei eine Tradition ihrer Vorgänger gewesen, die sie gerne weitergeführt habe. „Der Rekord lag bei 110 Teilnehmern, normal sind es aber 70 Personen“, erzählt Kirsten Bossen. 

Kirsten Bossen liebt Hortensien. Foto: Brigitta Lassen

Nachmessen mit dem Schnapsglas

Beim Bestreiten der vielen Aufgaben kann sie immer auf ihren Mann bauen. „Wir sind ein gutes Team. Er hilft mir und ich helfe ihm. Ich bin auch schon oft auf seinen Baustellen gewesen und habe ihm unter die Arme gegriffen, unter anderem beim Malen von Holzfenstern. In der Anfangszeit haben wir uns so durchgestiefelt“, freut sie sich über das gute Teamwork mit ihrem Mann, den sie vor fast 40 Jahren heiratete.

„Wir harmonieren gut, das klappt einfach bei uns. Und faul sind wir ja auch nicht. Jedes Jahr wird irgendetwas in der Jugendherberge renoviert. Das nächste Projekt ist der Speisesaal. Dieser bekam auch 1997 eine Generalüberholung. Das Dumme war bloß, dass auf der Bühne die Højer Revy stattfinden sollte. Eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn ging erst der Elektriker. „Aber wir haben es geschafft.“

 

Historische Bilder vom Ort Ruttebüll hat Kirsten Bossen im Aufenthaltsraum aufgehängt. Foto: Brigitta Lassen

Handwerkliches Geschick kann man Kirsten Bossen nicht absprechen. Während der Corona-Zeit tapezierte, spachtelte und malte sie die Zimmer neu. Sie kann auch Regale ohne eine Wasserwaage so aufhängen, dass sie gerade hängen. Ihr dienen dazu drei Schnapsgläser. „Die mit den roten Strichen. Dann weiß man, ob das Regal oder das Bild Schieflage hat oder nicht. Ich kann auch Nägel einschlagen, wo Ernst-Iwer erst bohren muss“, meint sie amüsiert. Dabei ist ihr Gatte Tischlermeister.

Rundum renoviert

Seit der Übernahme des Betriebs ist die Jugendherberge rundum renoviert und modernisiert worden. Das gilt unter anderem für die 13 Zimmer, für die Küche und den Speisesaal. Wenn größere Projekte anstanden, haben auch Nachbarn geholfen, besonders der verstorbene Peter Jessen, Freunde und Bekannte sowie Mitglieder von der freiwilligen Feuerwehr, in der sich Ernst-Iwer seit Jahren engagiert ist, oder die Familie. „Wir nahmen uns als Erstes das Hauptgebäude vor. Vor der Jubiläumsfeier steht noch etwas auf der To-do-Liste: Die Stirnbretter müssen erneut werden.“

Diese Hortensie vor der Eingangstür pflanzte Kirsten Bossen vor 30 Jahren. Foto: Brigitta Lassen

Hortensienpracht mit Cola

Ordentlich und gepflegt soll es nicht nur drinnen aussehen. Auf dem Außengelände gilt das auch. Wer sich den Innenhof anschaut, kann sehen, dass hier eine Blumenfreundin das Sagen hat. Besonders Hortensien haben es ihr angetan. Schon halb tote Pflanzen erweckt sie wieder zum Leben, beschneidet sie knallhart und gießt sie auch schon mal mit Cola. „Das funktioniert“, freut sich die Hobbygärtnerin, die sich vor einigen Tagen erstmals eine Sternhortensie gekauft hat.

Obwohl sie die ältere der beiden Schwestern im Alten Grenzkrug in Rosenkranz aufwuchs, stand für sie schon früh fest, dass sie die Gastwirtschaft der Familie nicht weiterführen wollte. „Das wäre überhaupt nichts für Ernst-Iwer gewesen. Ich hätte den Krug nur gekauft, wäre er nicht in der Familie geblieben“, erzählt Kirsten Bossen. Er wurde es nicht: Ihre Schwester Silvia Brodersen führt die Gastwirtschaft weiter.

Die Gästeliste

Die Jugendherberge in Ruttebüll verzeichnet jährlich um die 4.000 Übernachtungen. 70 Prozent der Gäste kommen aus Dänemark. Jeweils 10 Prozent machen Deutsche, Niederländer und Belgier. Zusammen bringen es Schweden und Norwegen auf ein Zehntel des Besucheraufkommens.

Ungefähr 4.000 Gäste gehen im Jahr in der Jugendherberge ein und aus. Die Auslastung sei gut. Es dürften aber auch gerne etwas mehr sein. Ungefähr 70 Prozent der Übernachtenden kommen aus Dänemark. Norweger und Schweden machen ungefähr zusammen 10 Prozent aus.  In diesem Jahr haben wesentlich mehr Schweden als Norweger den Weg nach Ruttebüll gefunden. Auf zehn Prozent bringen es jeweils Deutsche, Niederländer und Belgier.

Frühstück und Bettwäsche

Die Popularität ihres Betriebs steigerte sie, als sie im Gegensatz zu anderen Jugendherbergen ihren Gästen ein Frühstück anbot. Früher mussten sie selbst dafür sorgen. Ein weiterer Pluspunkt war, dass Kirsten Bossen auch Bettwäsche zur Verfügung stellte. 

Näher als die Jugendherberge kann mal kaum an der Grenze leben (Archivfoto). Foto: Karin Riggelsen

Die Ernennung des Wattenmeers zum Nationalpark und zum Weltnaturerbe habe deutlichen Einfluss auf das Gästeaufkommen gehabt, versichert sie. „Es kommen mehr Wandersleute, die unterwegs auf dem Marskstien sind. Und auch Radfahrer. Aber für beide Sparten gilt: Sie bleiben nur für eine Nacht, dann zieht es sie schon weiter, obwohl man Tage die Natur um Ruttebüll erkunden kann“. Zu ihren Stammkunden zählen auch viele Vogelkundlerinnen und -kundler und die wissen das zu schätzen.

Stammkundschaft

Kirsten Bossen freut sich über Stammgäste, die seit 30 Jahren immer wieder in die Jugendberge kommen und erzählt ein Beispiel. Es fing mit einem älteren Ehepaar aus Jelling an. Sie nahmen ihre Kinder mit und heute kommen auch die Enkelkinder. Erst kürzlich haben 17 Personen wieder einen Familienaufenthalt bei uns verbracht. Die Enkelinnen und Enkel waren im Alter von 0 bis 15 Jahre.

„Mein Haus ist für alle offen. Aber ich lasse mich nicht verarschen“, erzählt sie von einer Episode, als ein 35-jähriger Mann unrühmlich im Speisesaal auftrat und andere Gäste schwer beleidigte und störte. „Ich sagte ihm, dass er fünf Minuten hatte, um seine Sachen zu packen und dann musste er mein Haus verlassen.“ Anlegen sollte man sich nicht mit der Hausherrin.

Auf Deutsch und Dänisch macht dieser gestickte Hinweis die Gäste darauf aufmerksam, wie sie die Besucherküche zu verlassen haben. Foto: Brigitta Lassen

Rosenkranz und Ruttebüll kennt sie wie ihre Westentasche. In der Jugendherberge hängen viele historische Bilder, als im Ort noch richtig viel los war. Die Ruhe wird heute von schweren Treckern und Lastzügen gestört, die über die Grenze rollen. Sie verursachen Risse in Häusern und das Geschirr in den Schränken tanzt. Dieses Problem stört die Geschäftsfrau. 

„Die Hänger dürfen nicht schwerer als 30 Tonnen sein, wiegen aber bestimmt mehr“, vermutet Kirsten Bossen.

Das Dorf wird zerstört

Eine weitere Entwicklung in dem am Ruttebüller See idyllisch gelegenen Dorf macht sie bedenklich. Es stört sie, dass immer mehr Häuser als Sommerhäuser verkauft und genutzt werden. „Da es keine Residenzpflicht in der Kommune Tondern gibt, ist dies möglich. Das zerstört das Dorf“, bedauert sie. 

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