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Das waren die Kultur-Erlebnisse des Jahres 2022
Das waren die Kultur-Erlebnisse des Jahres 2022
Das waren die Kultur-Erlebnisse des Jahres 2022
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Bei den besten Kultur-Erlebnissen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dreht es sich um eine lebenslange Zuneigung, Überraschungen auf der Bühne, ein Musical der Spitzenklasse und das Ende eines Konzerts, das einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Nils Baum: Die Helden von 1985
Sie gehören zu den großen musikalischen Helden des Jahres 1985. Die norwegische Teenie-Band A-ha stürmte in jenem Jahr mit ihrem Hit „Take On Me“ die Charts und mischte den noch jungen Musikvideomarkt auf.
37 Jahre später können die drei Norweger immer noch liefern. Sah Sänger Morten Harket beim ersten Comeback der Band im Jahr 2000 noch so frisch aus, als wäre er 15 Jahre nach dem ersten großen Hit des Trios gerade erst wieder aus einem Eisblock aufgetaut worden, strahlte er beim um zwei Jahre verschobenen Konzert zum 35-jährigen Jubiläum des „Hunting High And Low“-Albums nun die Würde des gealterten und dennoch ewigen Popstars aus.
Beim Konzert in der Royal Arena in Kopenhagen am 29. April gab Morten Harket denn auch zu Protokoll, dass es doch eine Leistung sei, auch mit 62 Jahren noch auf der Bühne zu stehen. Und trotz des auf die Sekunde genau abgepassten Countdowns, wie lange die Pause nach der ersten Spielhalbzeit noch dauern würde und dem nicht ganz verschwinden wollenden Eindruck, dass sich die Band an den Songs ihres ersten Albums im zweiten Teil des Konzerts vor allem abarbeitete, war das Jubiläumskonzert mein Kulturerlebnis des Jahres 2022.
Amanda Klara Stephany: Wenn die Lieblingsgeschichten es auf die Bühne schaffen
Als ich im Jahr 2021 zum ersten Mal „Die Wand“ von Marlen Haushofer las, war ich mir direkt sicher, dass es für immer eines meiner liebsten Bücher sein wird.
Und als ich dann erfuhr, dass das Düsseldorfer Schauspielhaus Haushofers Roman auf die Bühne brachte, waren die Tickets schnell gekauft. Zugegebenermaßen war ich doch anfänglich eher unsicher, wie die Geschichte auf der Bühne funktionieren sollte. Handelt das Buch doch von einer Frau, die durch eine plötzlich auftretende Wand von der Zivilisation abgeschnitten wird.
Doch Regisseurin Laura Linnenbaum hatte diese Herausforderung unglaublich gut gemeistert, indem sie die Schauspielerin Hanna Werth einen Monolog sprechen ließ. Eine Stunde und 15 Minuten hing man an Hanna Werths Lippen. Ihre Performance war intensiv und berührend. Die Ängste und Gedanken der Protagonistin und ihre innere Zerrissenheit waren fast greifbar. Die „Rheinische Post“ schrieb: „Werth spielt dieses Drama nicht, sie durchlebt es“, und dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
Kerrin Trautmann: Wenn Geschichte modern wird
Ein Musical über das Leben des amerikanischen Gründervaters Alexander Hamilton klingt auf den ersten Blick vielleicht langweilig, doch es ist zu meinem Kulturerlebnis des Jahres geworden. Die modernen Hip-Hop- und Rap-Lieder über Krieg, Unabhängigkeit, Liebe und Verlust haben mich im Operettenhaus in Hamburg zum Lachen und zum Weinen gebracht. Obwohl ich zunächst skeptisch war, dass die amerikanischen Songs ins Deutsche übersetzt worden sind, war es eines der besten Musicals, das ich je gesehen habe.
Volker Heesch: Komplizierte Geschichte Nordschleswigs
Mein größtes Kulturerlebnis war im April die Exkursion der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) nach Christiansfeld. Während des Aufenthaltes erlebte die HAG-Gruppe das Erbe der 1773 überwiegend von Zuwanderern gegründeten Siedlung, die zu den heute eher vergessenen Elementen „deutscher“ Kultur in Nordschleswig zählen.
Das Beispiel Christiansfeld zeigt auch, wie kompliziert die Geschichte Schleswigs und Dänemarks ist und dass sie weit mehr Aspekte umfasst als „Grenzstreitigkeiten“, Wiedervereinigung, Teilung oder nationale Überformung der Geschichte in Zeiten, als es noch keinen Nationalismus gab.
Bei der Fahrt nach Christiansfeld gab es Weltkulturerbe zu erleben, das sich auch zwischen alten Steinen Nordschleswigs erhalten hat, auch wenn der Ort heute Teil der Kommune Kolding ist.
Cornelius von Tiedemann: Die Zukunft ist gerettet
Wenn The Cure nach Kopenhagen kommen, gibt es keine Alternative. Zuletzt vor Corona 2019 in einer Spätsommernacht unter freiem Himmel in Paris gesehen und gehört, hatte die Royal Arena natürlich einen schweren Stand im Ringen einer nüchternen Mehrzweckhalle gegen den Sternenhimmel der Stadt der Liebe.
Doch die völlig zu Recht im Vereinigten Königreich als Beleuchterin des Jahres ausgezeichnete Anna Mac schaffte es, zur fantastisch neu abgestimmten Musik eine eindrückliche Stimmung selbst im funktionell-kühlen Norden zu erzeugen.
Dass es dann auch noch bisher unveröffentlichte Songs zu hören gab, die das inzwischen 14 Jahre währende Versprechen eines neuen Albums in den Bereich des Möglichen hievten, machte aller Weltuntergangsstimmung zum Trotze dann doch irgendwie Hoffnung auf eine zumindest einigermaßen lebenswerte Zukunft.
Was sage ich: Die Zukunft ist eigentlich schon gerettet. Denn, wie ich später erfuhr, es sollen zwei neue Alben werden, und dann soll auch noch ein Soloalbum von Robert Smith (Mastermind der Band) kommen.
Für meine Kulturerlebnisse des Jahres der kommenden Jahre ist also bereits gesorgt. Habe ich schon erwähnt, dass Perry „Teddy“ Bamonte überraschend nach 17 Jahren wieder mit der Gitarre auf der Bühne stand? Die guten Nachrichten wollen einfach kein Ende nehmen.
Jan Peters: Gemeinsame Gänsehaut bei Lukas Graham
Es war ein Geschenk für meine 13-jährige Tochter: Sie bekam zum Geburtstag eine Karte für das Lukas-Graham-Konzert, das im August auf dem Sonderburger Ringreiterplatz stattfand. Eine weitere Karte gab es für mich, damit sie in Begleitung dorthin konnte.
Ich kannte Lukas Graham von einem Konzert, das er vor einigen Jahren auf dem Tønder Festival gegeben hat. Damals, bei Tageslicht und vor einigen Hundert kreischenden Schülerinnen und Schülern im Rahmen eines Schulkonzerts überzeugte der junge Mann mich mit seiner Musik, aber auch mit seinem Auftritt. Schnell hatte er die jungen Menschen in seinen Bann gezogen. Er verstand seine Arbeit und überzeugte auch mich.
Von seinem neuesten Konzert erwartete ich allerdings nicht viel Neues. Seine Lieder hatte ich genügend gehört – zumeist im Radio, aber einiges auch in meiner privaten Playlist.
Deshalb war ich überrascht, was mit mir passierte, als Lukas Graham dann auf die große runde Bühne kam: Die Dunkelheit hatte sich über den Ringreiterplatz gelegt, sodass die Strahlen der Lichtshow – wie Flammen – den Himmel erhellten. Die Musik setzte ein, dann war die Stimme des Künstlers zu hören. Dieser Moment setzte bei mir etwas in Bewegung. Die Härchen auf den Armen und im Nacken richteten sich auf; ein kleiner Schauer durchlief meinen Körper. Dann trat Lukas Graham auf die Bühne. Die Konzertgäste begannen zu rufen und zu johlen. Ein weiterer Schauer überzog mich.
Und es blieb nicht der letzte an diesem Abend. Immer wieder schaffte der Sänger es, mich zu überraschen. Bei seinem wohl bekanntesten Stück „Seven Years“, der Höhepunkt der Show: Es schien, als wenn die Gäste eins wurden. Die Arme in der Höhe schwingend, sang der Platz mit.
Meiner Tochter, das erzählte sie mir später, ging es übrigens ähnlich. Für sie war es das erste Konzert ihres Lebens. Deshalb war es nicht nur Lukas Graham, der dieses Erlebnis zu einem besonderen machte.
Gwyn Nissen: Das 15-Minuten-Wunder
Es dauerte nur 15 Minuten, aber es hinterließ einen bleibenden Eindruck. Wie es so oft ist, beim Tønder Festival schnuppert man zwischen geplanten Konzerten auch bei anderen Bands rein. Was heißt hier schnuppern – ich war gerade von einem Konzert mit Connie Kaldor (ein schönes Wiedersehen – und -hören – aus den 90ern) auf dem Weg über den Festplatz, als ich die unbekannte Band auf der großen Open-Air-Bühne gar nicht überhören konnte. Ich wusste vom Programm her, dass es die norwegische Band Madrugada war, aber ich hatte mich – ausnahmsweise – nicht gut vorbereitet auf das Festival, und norwegische Musik sagte mir gar nichts.
Doch was ich in den 15 Minuten „im Vorbeigehen“ hörte, hat mein musikalisches Leben für immer geprägt. Wie so oft in den vergangenen 40 Jahren in Tondern (Tønder) war es Liebe auf den ersten Blick. Gebadet in rotem Scheinwerferlicht und weißem Rauch dröhnte die intensive Folk-Rock-Blues-Country-Musik der Norweger durch das Dunkel des Abends. Das Konzert neigte sich dem Ende zu, als ich stehen blieb und Madrugada 15 Minuten lang magisch auf mich wirken ließ. Noch besser: Madrugada gibt es seit 1993 – also fast schon 30 Jahre lang. In der Zeit haben die Norweger acht Alben aufgenommen – die habe ich seit August mehr gehört als jede andere Musik 2022.
Anke Haagensen: Junger Werther – alternde Ikone
Als Tonderanerin ist für mich das Tønder Festival natürlich in jedem Jahr – in dem es nicht wegen Corona ausfällt – ein kultureller Höhepunkt.
Eine Überraschung war für mich – und viele andere Nordschleswigerinnen und Nordschleswiger auch, die damals mit mir im Theater Flensburg saßen – sicherlich die Aufführung „Die Leiden des jungen Werther“ im Rahmen des Theater-Abos des Bundes Deutscher Nordschleswiger. Eigentlich stand der Urfaust auf dem Programm. Wegen Krankheit musste kurzfristig umdisponiert werden. Das Bedauern darüber wich aber schnell der Begeisterung für die Inszenierung des jungen Werthers. Besonders beeindruckend: Der Schauspieler verstand es, echte Schwierigkeiten mit der Digitalkamera glänzend in sein Spiel einzubinden. Wer schon mit technischer Unbill zu kämpfen hatte, konnte seine Frustrationen sehr gut nachvollziehen.
Völlig ohne Erwartungen war ich Ende des Jahres einer Einladung ins Musikhaus Esbjerg gefolgt. Trine Pallesen stand in dem Programm „Ta’ mig som jeg er” als Grethe Ingmann auf der Bühne. Grethe Ingmann kannte ich eigentlich nur als beliebte Sängerin, die 1963 gemeinsam mit ihrem Mann Jørgen Ingmann den Grand Prix Eurovision de la Chanson mit dem wunderschönen Lied „Dansevise“ gewann. Die musikalische Vorführung gab jedoch Einblicke in das Leben Grethe Ingmanns, die einst als gefeierte Diva auf internationalen Bühnen zu Hause war, aber ursprünglich aus ärmlichen Verhältnissen kam und zuletzt mit seichten dänischen Schlagern durch das Land tingelte. Welche Schicksalsschläge sie im Laufe ihres Lebens zu meistern hatte, war mir nicht bekannt.
Trine Pallesen überzeugte mich musikalisch wie schauspielerisch in der Rolle als Grethe Ingmann.