Ringreiten 2024

Tradition „Herrefrokost“: Erfahrungsbericht eines Neulings

Tradition „Herrefrokost“: Erfahrungsbericht eines Neulings

Tradition „Herrefrokost“: Erfahrungsbericht eines Neulings

Sonderburg/Sønderborg
Zuletzt aktualisiert um:
Das Zelt des Herrefrokost ist so groß, dass die Reden für die Anwesenden in den hinteren Reihen auf Monitoren übertragen werden müssen. Foto: Gerrit Hencke

Diesen Artikel vorlesen lassen.

„Nordschleswiger“-Redakteur Gerrit Hencke ist zum ersten Mal beim „Herrefrokost“ des Ringreiter-Festivals in Sonderburg. Ein Erfahrungsbericht über eine gelebte Tradition.

„Es ist das größte und älteste Herrenfrokost“, sagt Revueschauspieler Leif Maibom gleich zur Begrüßung in dem mit 2.200 Männern gefüllten Festzelt. Es ist mein erstes „Herrefrokost“, und schon auf dem Weg aus der Stadt zum Ringreiterplatz ist das zu merken. Ich reihe mich in einen Tross aus leger bis elegant gekleideten Herren jeden Alters ein. Schwarze Hose, weißes Hemd und Sakko – das scheint der Klassiker zu sein. Weil ich mich vorher informiert habe, trage ich diese Kombination auch. Zur Sicherheit gibt es einen Regenschirm, denn immer wieder fallen Regenschauer. 

Bei der Ankunft am Platz werden Hose und Schuhe gleich in Mitleidenschaft gezogen, denn die Wiese ist ziemlich matschig. Überall stehen Trauben von gut gelaunten Herren – 20 Minuten bevor es im Zelt mit dem Programm losgeht, füllt sich die Fläche. 

 

Herrengedecke
Herrengedeck: Bier und Aquavit Foto: Gerrit Hencke

Generationenübergreifende Tradition

Im Zelt setze ich mich an einen gedeckten Tisch – zwischen mir fremde Männer. Bier, Aquavit, Lakritzpfeife: Die Richtung, in die es hier heute geht, ist somit schon einmal klar. Mit mir am Tisch sitzt Gorm Larssen. Ich erzähle ihm, dass ich das erste Mal dabei bin. Er selbst sei schon mindestens das 17. Jahr dabei, sagt er auf Nachfrage. Warum man beim Herrenfrokost dabei sein muss? „Es ist eine Tradition, die in der Familie weitergegeben wird“, sagt Larssen. Es gehe dabei um das Zusammensein. Das wird auch immer wieder zwischendurch deutlich, wenn gemeinsam geprostet und aus voller Kehle gesungen wird – etwa eine der zwei Nationalhymnen „Det er et yndigt land“ oder regionale Volkslieder wie der „Sønderborg March“. 

 

Band
Musik kommt von der Bühne – mit Schlagzeug und Blasorchester. Foto: Gerrit Hencke

Wie viel einigen Menschen das Ringreiten in Sonderburg bedeutet, zeigt sich später bei der Ehrung von langjährigen Ringreitern. Standing Ovations gibt es etwa für einen sichtlich gerührten Thorkild Dau aus Sonderburg, der eine Medaille für 60 Jahre Teilnahme erhält. Reitmeister Hans Otto Ewers, der die Ehrungen mit kurzen Wortbeiträgen begleitet, erzählt, dass Thorkild Dau als kleines Kind begonnen und bis heute kein Ringreiten verpasst habe.

Doch zurück zu Leif Maibom, der humoristisch durch das Programm führt und so immer wieder für Lacher sorgt – darunter auch ein Seitenhieb auf das wechselhafte Wetter, das wohl dem viel zitierten Klimawandel zu verdanken sei. „Früher nannten wir es Jahreszeiten“, so der Revueschauspieler. 

Gleich vier Hauptredner

Maibom kündigt zu Beginn die Redner des Tages an. Neben Bürgermeister Erik Lauritzen (Soz.) spricht Brian Mikkelsen, administrativer Direktor des Wirtschaftsverbandes Dansk Erhverv. Außerdem kündigt Maibom den Komiker, Musiker, Sänger und früheren Politiker Jacob Haugaard an. Ebenfalls ans Rednerpult tritt Benny Engelbrecht (Soz.), Folketingsmitglied und früherer Minister. 

Bevor es so weit ist, wird neben Aquavit und Bier zunächst traditionelles Vollkornbrot mit verschiedenen Variationen Hering und Krabben gereicht. Später folgen weitere Gänge.  

2.200 Männer in einem Saal.
2.200 Männer in einem Saal Foto: Gerrit Hencke

Große Bedeutung für Sonderburg

Lauritzen, der zuerst ans Mikrofon tritt, spricht vom Ringreiten als ein Fest mit großer Bedeutung für die Kommune – es sei ein tolles Fest mit vielen Gästen. Lauritzen referiert in der Folge über die Herausforderungen für Sommerhausbesitzende und Unternehmen, die Entwicklung des Flughafens, die niedrige Erwerbslosigkeit und Ptx-Anlagen. Dabei gibt es immer wieder Anekdoten und Seitenhiebe, die das Publikum mit Lachern und Applaus quittiert. Allerdings sind auch etwas flachere Witze dabei. So fallen Sprüche über das Damenfrokost und die LGBTQ-Bewegung. Es gebe immer mehr verschiedene Geschlechter, weshalb man „in Zukunft vielleicht noch mehr Frokoste habe“. Beim Publikum kommt das offenbar an.

Trotz der Aufforderung, bei den Reden leise zu sein, muss Maibom immer wieder die Anwesenden ermahnen. Das geschieht mit einem lauten „Schhhh“. Die Wirkung hält im Verlauf der paar Stunden, die ich dort bin, immer nur kurz an. Der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen, den ich zufällig treffe, äußert sich kritisch dazu. Er sei lange dabei, aber es scheine immer schwieriger zu sein, während der Reden ruhig zu sein. Beim Frokost in Apenrade (Aabenraa), wo das Frokost für Männer und Frauen geöffnet sei, habe man daher gar keine Hauptrednerinnen und Hauptredner mehr. Woran das liege, wisse er nicht. Im vergangenen Jahr hieß es, es liege an zu lauten Frauen. Doch auch an diesem Montag ist das laute „Schhhh“ ein steter Begleiter des Nachmittags.

 

Gebannt wird der Rede von Brian Mikkelsen gelauscht. Foto: Gerrit Hencke

Seitenhiebe nach Apenrade

Stete Begleiter sind auch Seitenhiebe nach Apenrade. Das kommt sowohl in den Reden von Leif Maibom als auch später von Brian Mikkelsen vor. „Das ist auch Tradition und gehört dazu“, sagt Hinrich Jürgensen. Es seien zwei verschiedene Feste. „Wenn nachher Mogens Dall (Vorsitzender Ringreiterverein Apenrade, Anm. d. Red.) spricht, wird er sicher zurück austeilen“, so der BDN-Vorsitzende.

Brian Mikkelsen gibt in seiner Rede eine Anekdote über ein früheres Treffen mit Königin Margrethe zum Besten, anschließend kommt auch er auf seinen Themenschwerpunkt zu sprechen: die 18.000 dänischen Unternehmen, denen er vorsteht. „Ich liebe Firmen einfach“, sagt er. Auch berichtet er über die Rede einer jungen Frau, die im Börsenbrand etwas Gutes sah – nämlich wie das kapitalistische Zentrum in Flammen aufgehe. „Das war allerdings ein traumatisches Erlebnis“, schildert Mikkelsen. 

Veränderungen passieren drumherum

Nach drei Stunden im stickigen Festzelt streiche ich die Segel. Ich habe für das erste Mal genug gesehen. Ich verabschiede mich am Tisch und trete raus in die Sonne, die mittlerweile scheint. In der Fußgängerzone wirkt das Leben plötzlich viel bunter als dort drinnen im abgedunkelten Zelt, wo das Arrangement im Vergleich etwas aus der Zeit gefallen wirkt. Das haben Traditionen vermutlich so an sich, und dennoch ist es gut, dass sie beibehalten werden. Veränderungen passieren drumherum. Denn wie Maibom hervorhebt, sei das Frauenfrokost mittlerweile stark besucht, und das sei „godt nok“.

Mehr lesen

Leserbericht

Walter Christensen
„Bei frischem Wind die Insel Alsen umrundet“