Mobilität

Fabian Geyer: Der grenzüberschreitende ÖPNV ist nicht attraktiv

Fabian Geyer: Der grenzüberschreitende ÖPNV ist nicht attraktiv

Fabian Geyer: Grenzüberschreitender ÖPNV nicht attraktiv

Apenrade
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Fabian Geyer
Flensburgs Oberbürgermeister Fabian Geyer in Apenrade. Foto: karin Riggelsen

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Flensburgs neuer Oberbürgermeister Fabian Geyer spricht im Interview mit dem Nordschleswiger über den grenzüberschreitenden Bus- und Bahnverkehr. Er sagt: „Es gibt keine gute Schienenverbindung, keinen guten ÖPNV jenseits und diesseits der Grenze.“ Die Region müsse in vielerlei Hinsicht enger zusammenarbeiten – auch bei der Energiewende.

Fabian Geyer möchte viele Dinge in Flensburg und der Region anders angehen als seine Vorgängerin im Rathaus, Simone Lange. Im Interview mit dem „Nordschleswiger“ kritisiert er den Ist-Zustand des grenzüberschreitenden ÖPNV, befürwortet einen Fernbahnhof in Weiche und hofft auf eine größere Zusammenarbeit im Grenzland, das er als Schicksalsgemeinschaft bezeichnet. 

Die Buslinie 110 wird ja von der Stadt Flensburg für die kommenden zwei Jahre mitfinanziert. Ich arbeite aber zum Beispiel in Apenrade und lebe in Flensburg. Für mich gibt es keine Möglichkeit, den ÖPNV – weder Bus noch Bahn – zu nutzen. Wird da in Zukunft grenzübergreifend noch mehr passieren?

„Der Zustand des grenzüberschreitenden ÖPNV, wie er jetzt ist, ist nicht attraktiv genug. Das kann man auch ohne größere Kenntnis sehen. Es gibt keine gute Schienenverbindung, keinen guten ÖPNV jenseits und diesseits der Grenze. Da stimme ich auch völlig mit dem SSW überein. Deren Linie, diesen Zustand zu kritisieren, sehe ich 100 Prozent genauso. Es kann nicht sein, dass man sich nicht einig ist, wie dieser Verkehr zu gestalten ist. Es ist gut, dass wir mit der Buslinie 110 zunächst überhaupt ein Angebot haben. Wenn der Takt oder die Nutzung nicht ausreicht, dann wird das gänzlich infrage gestellt. Das ist aus Sicht von Sydtrafik auch verständlich. Das hat nichts mit einer schlechteren deutsch-dänischen Zusammenarbeit zu tun, sondern ist eine rein wirtschaftliche Betrachtung.“ 

Was passiert nach Auslaufen der Förderung durch die Stadt? Das Land soll in die Bresche springen, fordert etwa der SSW ...

„Wir werden zukünftig eine andere Haushaltsstrategie fahren und stellen alles auf den Prüfstand. Der grenzüberschreitende ÖPNV ist eine freiwillige Aufgabe und obliegt uns nicht gesetzlich. Wir haben jetzt aber zunächst mal für zwei Jahre einen Zuschuss für die Buslinie gesichert. Ich sehe im Moment nicht die Bereitschaft, darüber hinaus wesentlich mehr zu tun, weil wir schwindende Ressourcen haben. Auf der anderen Seite glaube ich wahrnehmen zu können, dass auf Landesseite gesehen wird, dass eine Einstellung einer solchen Linie den ÖPNV zwischen beiden Ländern ganz zum Erliegen bringt. Ich versuche, dort den Faden wieder aufzunehmen und die Frage zu stellen: Wie steht eigentlich das Land Schleswig-Holstein zu einem grenzüberschreitenden Verkehr – auch ohne Auto?“

Im Gespräch ist ja auch immer wieder ein Fernbahnhof in Weiche. Wird in Zukunft wirklich mal ein ICE oder ein Nachtzug in Flensburg halten?

„Auf meiner Prioritätenliste ist der Schienenverkehr ganz oben. Aufgrund der neuen strategischen Ausrichtung auf dänischer Seite müssen wir den Haltepunkt in Flensburg-Weiche fest ins Visier nehmen. Ich wünsche mir, dass wir das nicht nur prüfen, sondern eine Lösung dafür finden. Dadurch sehe ich unseren bestehenden Bahnhof nicht in Gefahr, ganz im Gegenteil, sondern glaube, dass er für die regionalen Verkehre und sonstige Verbindungen attraktiv bleibt. Wir müssen den Haltepunkt Weiche gerade deshalb anbieten, damit Züge aus Dänemark in der Nähe von Flensburg halten. Sonst besteht die große Gefahr, dass wir ohne diesen Haltepunkt in Flensburg vom Fernverkehr abgehängt sind. Wir haben bereits jetzt ein Problem, dass diese Verkehre bei uns in der Regel nicht halten. Ich möchte hart dafür kämpfen, dass wir mit so einem Haltepunkt eine Taktung Flensburg-Hamburg in einer Stunde, mit einem Halt dazwischen – etwa in Neumünster – bekommen.“ 

Das wäre ein Traum ...

„Das ist nicht nur ein Traum. Das ist notwendig. Es ist kein akzeptabler Zustand, den wir derzeit haben. Sonst sind wir irgendwann abgehängt. Wenn ich mir die Metropolregion Hamburg ansehe, die sich aufmacht, über Lübeck hinweg eine andere Verkehrsroute nach Norden zu entwickeln, dann müssen wir handeln. Wir brauchen ein tragfähiges Schnellzugangebot – ähnlich wie zwischen Köln und Frankfurt –, zwischen Flensburg und Hamburg. Das wäre für den Arbeitsmarkt und die gesamte Region von Vorteil. Der Arbeitnehmer kann heute aufgrund der Mobilität der Arbeit schnell in Hamburg sein oder von Hamburg aus mal in einer Stunde hier hoch pendeln, aussteigen, seinen Betrieb besuchen, wieder zurückfahren und dann drei Tage Homeoffice oder mobiles Arbeiten machen. Das würde die Arbeitsmarktchancen massiv erhöhen. Ich habe ein großes Interesse daran, das für diesen Wirtschaftsstandort zu tun und nicht nur, um Touristen anzulocken. Das ist dann ein Nebeneffekt. Die Linie zwischen Köln und Frankfurt ist zum Beispiel nur für Geschäftsleute gebaut worden. Mit Tempo 300 und einem Halt dazwischen. Das funktioniert, und das würde ich mir hier auch dringend wünschen, dass endlich mal ein Umdenken stattfindet. Im Wirtschaftsministerium habe ich das Anliegen bereits platziert.“

Am Fehmarnbelt ist der Tunnelbau im Gange, und es entsteht ein zweites Grenzland. Befürchtest du für Flensburg und das Grenzland, dass wir spätestens dann nicht ohnehin abgehängt werden?

„Gesamteuropäisch gesehen, ist das ein großartiges Projekt. Ähnlich wie der Tunnel zwischen England und Frankreich. Für die Logistik, auf die Skandinavien angewiesen ist, ist das eine hochattraktive Alternativroute. Deshalb begrüße ich das für Schleswig-Holstein. Das wird uns weit nach vorn bringen in der Attraktivität von Wirtschaftsansiedlungen. Was unsere Region angeht, haben wir sehr wohl Möglichkeiten. Wenn man mit skandinavischen Logistikern spricht, denken die ganz anders als wir mit unserer Behäbigkeit. Die ziehen von Norwegen eine Achse und sagen, wir können bis Italien in einem Weg runterfahren. Wir sind direkt an dieser Route. Und hier ist es wichtig, dass wir aufzeigen, was wir für Möglichkeiten bei den Verkehren zu Land und zu Wasser haben. Wir sind Ostsee-Anrainer, und Flensburg hat einen Wasserzugang, aber auch einen direkten Zugang an diese gedachte Route. Wir müssen schauen, was wir anbieten können, um für Wirtschaftsunternehmen in Richtung Süden und Norden an dieser Achse attraktive Verkehrsbedingungen und wirtschaftliche Betätigung zu ermöglichen.“ 

Du hast in der Vergangenheit häufiger von einer Schicksalsgemeinschaft hier oben gesprochen ...

„Ja. Das funktioniert alles nur, wenn wir nicht Flensburg betrachten oder Schleswig oder Pattburg, sondern alles gemeinsam denken. Ich habe oft genug betont, dass wir eine Schicksalsgemeinschaft sind. Wenn wir Apenrade gratulieren, was sie im Bereich Wasserstofferzeugung Tolles tun, nehmen daran aber nicht teil, werden wir hinten dran gehängt. Wenn wir anderen applaudieren, wenn sie etwas Tolles tun – etwa an der Westküste, schauen aber wieder nur zu, werden wir abgehängt.“ 

Was muss dagegen getan werden?

„Was ich mir vorstelle, ist, dass wir mit unseren Umlandgemeinden und Kreisen, und dazu zähle ich auch unseren süddänischen Bereich, herausfinden, wo die Logistikzentren sind. Der Güterverkehr in Pattburg etwa ist hochattraktiv. Der angesprochene Haltepunkt in Weiche für den Personenverkehr und ein neuer Takt Richtung Hamburg und Richtung Norden. Auch die Frage der Energieerzeugung und der Energieabnahme ist ein Thema. Da bin ich auch gerade massiv dran, mit unseren Umlandgemeinden zu schauen, wo wird eigentlich was in Zukunft erzeugt im Bereich der erneuerbaren Energien, und wie können wir mit unseren Stadtwerken partizipieren. Sowohl als Erzeuger als auch als Abnehmer, weil wir im Zuge der Dekarbonisierung künftig nicht mehr mit Kohle und Gas auskommen werden. Deswegen ist es wichtig, nicht nur zu schauen, wo neue Windparks entstehen, sondern jetzt schon zu überlegen, was wir als Region tatsächlich bündeln können. Wir konkurrieren jahrzehntelang um Gewerbeflächen, ärgern uns, wenn woanders Wohnbebauung entsteht und nicht bei uns; das muss sofort aufhören. Das gemeinsame Denken ist wichtig. Ich war erst kürzlich im Grenzdreieck in Apenrade, wo wir uns einen Schulterschluss gegeben und gesagt haben, was holen wir eigentlich aus diesen Kommunikationsmöglichkeiten, die wir haben, heraus. An handfesten Projekten und handfesten Maßnahmen, die wir gemeinsam umsetzen.“

Das Interview in gesamter Länge gibt es hier zu lesen.

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