Leitartikel
„Kommunalpolitik: Halbe Macht den Männern!“
Kommunalpolitik: Halbe Macht den Männern!
Kommunalpolitik: Halbe Macht den Männern!
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Frauen sind in der Politik unterrepräsentiert. Aber warum sollten paritätisch besetzte Parlamente besser sein? Machen Frauen anders Politik? Und was müsste sonst passieren, als nur immer wieder zu sagen, dass mehr Frauen in die Politik sollen? Ihre Gedanken zu diesen Fragen hat Journalistin Marle Liebelt in einem Leitartikel aufgeschrieben.
Nordschleswigs Kommunen schneiden schlecht ab, hat mein Kollege Walter Turnowsky diese Woche geschrieben, nachdem er die Frauenanteile in den Kommunalparlamenten mit anderen im Land verglichen hat. Es ist jetzt nicht so, dass man sich andernorts vor lauter Geschlechterparität kaum noch retten kann. Aber in Nordschleswig ist der Weg dorthin besonders weit.
Was die ausgeglichene Repräsentation der Geschlechter in Parlamenten angeht, stagniert unsere Gesellschaft – und zwar seit Jahrzehnten. Das gilt in besonderem Maße für die Kommunalpolitik.
Abgeordnete repräsentieren das ganze Volk, nicht nur ihr Geschlecht!
Aber ist es überhaupt wichtig, welches Geschlecht Politikerinnen und Politiker haben? Wir leben in einer Demokratie, und Aufgabe demokratischer Abgeordneter ist es schließlich, das ganze Volk zu repräsentieren, Frauen wie Männer.
Machen Frauen anders Politik als Männer? Die kurze Antwort lautet: Ja, tun sie. Frauen bringen andere Perspektiven mit. Für jedes Projekt und jeden Politikbereich ist es hilfreich, wenn möglichst viele Perspektiven in den Entscheidungsprozess einfließen.
Frauen bringen andere Perspektiven mit. Für jedes Projekt und jeden Politikbereich ist es hilfreich, wenn möglichst viele Perspektiven in den Entscheidungsprozess einfließen.
Marle Liebelt
Frauenperspektiven sollten dabei nicht nur in Bereichen wie Soziales und Bildung gefragt sein. Sondern auch bei den vermeintlichen „Männerthemen“.
Ein Beispiel: Möglicherweise blicken Männer auf die Pläne der Gestaltung eines Neubaugebiets im Bauausschuss anders als Frauen. Ist die Beleuchtung so geplant, dass es keine dunklen Bereiche gibt, in denen besonders Frauen sich unsicher fühlen? Gibt es familienfreundliche Begegnungszonen? Aspekte, die in reinen Männerrunden schon mal untergehen können – soll vorgekommen sein.
Ja, aber Frauen wollen nicht!
Viele Parteien, gerade im ländlichen Raum, führen immer wieder das Argument an, sie hätten gern mehr Frauen in ihren Rängen, finden aber keine, die mitmachen wollen. Andere Parteien haben das Problem weniger.
Vielleicht sollten sich die Parteien fragen, ob ihre Politik die Belange von Frauen dann vielleicht nicht ausreichend abdeckt, um attraktiv für Wählerinnen zu sein. Man muss bedenken, dass der Werdegang von Politikerinnen und Politikern in der Regel nicht ganz oben beginnt. Die ersten Berührungspunkte mit einer Partei haben die Mitglieder nicht, weil sie als Bürgermeisterin oder Bürgermeister für die Partei kandidieren. Die politische Laufbahn beginnt beim Wählen.
Vielleicht wird Mann oder Frau aktiv, weil er oder sie eine Diskussionsrunde besucht oder bei der Planung eines lokalen Projektes mitmacht. Wird die eigene Stimme gehört und findet sogar Anklang, kann es sein, dass eine Aufgabe übernommen oder an Treffen teilgenommen wird. Vorausgesetzt natürlich, die Treffen finden statt, wenn die Person Zeit hat. Und vorausgesetzt, bei den Treffen bekommen auch Neulinge oder stillere Menschen die Gelegenheit, ihre Meinung zu Themen einzubringen.
Die ersten Berührungspunkte mit einer Partei haben die Mitglieder nicht, weil sie als Bürgermeisterin oder Bürgermeister für die Partei kandidieren. Die politische Laufbahn beginnt beim Wählen.
Marle Liebelt
Frauen, die nicht können oder wollen, haben Gründe
Die Parteien müssen die Realität sehen und sich nach ihr richten. Ihr wollt mehr Frauen in euren Reihen? Erkennt an, dass Frauen nach wie vor den größeren Teil der Care-Arbeit leisten und mit Familie und Job oft schon ausgelastet sind. Seht, dass Frauen und Männer unterschiedlich sozialisiert werden, und seid neugierig, auch nach den Meinungen der zurückhaltenderen Personen der Diskussionsrunde zu fragen.
Hier spielt auch der Umgangston eine Rolle – Stichwort „Stammtischgelaber“. Niemand hat Lust, sich in der Freizeit zu engagieren, wenn man dort immer wieder Gegenstand despektierlicher „Witzchen“ ist. Das verscheucht neue Gesichter schneller, als man gucken kann.
Wer wirklich will, findet Wege. Das gilt auch für Parteien, ihre Ämter mit Frauen zu besetzen. Vielleicht würde den Parteien ein wenig Zwang nicht schaden.
Aber ist eine Frauenquote die richtige Lösung?
Schön wäre, wenn sich das Problem der politischen Unterrepräsentation von Frauen mit dem gesellschaftlichen Wandel von allein löst. Aber das hat bislang nicht geklappt, und wie lange wollen wir darauf warten?
Wer eine Frauenquote mit der Argumentation ablehnt, Frauen sollten keine Platzhalterinnen sein, sondern aufgrund ihrer Qualifikation Mandate erhalten, denkt gleichzeitig, dass Frauen weniger in Parlamenten repräsentiert sind, weil sie einfach weniger qualifiziert für diese Aufgabe sind.
Marle Liebelt
Eine Frauenquote wäre also gar nicht so schlecht. Und sogar fair. Denn dass Frauen in allen Bereichen vertreten sein sollten, ist ein längst salonfähiger Anspruch. Wenn in den Parlamenten aber viel weniger Frauen als Männer vertreten sind, sind sie auch oft (und mal wieder) mehr belastet. Denn die paar Frauen, die Mandate haben, sollen auf allen Hochzeiten tanzen. Ausschüsse besetzen, nach außen hin repräsentieren, an Verhandlungen teilnehmen. Mehr Aufgaben für weniger Abgeordnete.
Müssten alle Parteien ihre Listen paritätisch aufstellen, würde das automatisch zu einem Anstieg des Frauenanteils führen. Und die Parteien wären gezwungen, ihre Politik tatsächlich auch an Frauen zu richten. Denn mal davon abgesehen, dass das für Volksparteien ohnehin der Maßstab sein sollte, wären sie auch auf Frauen angewiesen, um die Quoten zu erfüllen. Eine parteipolitische Agenda ohne Frauenthemen und Frauenbelange wäre praktisch undenkbar, und nur Männer, die diese vorstellen und vertreten, wären unglaubwürdig.
Frauen wollen keine Platzhalterinnen sein!
Ein sehr lautes Argument gegen die Idee der Frauenquote ist seit jeher, dass man die Plätze mit den besten Leuten besetzen sollte und nicht mit Personen, nur weil sie Frauen sind.
Wer so denkt, den wird dieser Leitartikel wahrscheinlich nicht mehr überzeugen können. Und der wird wahrscheinlich auch gar nicht erst bis hierher gelesen haben.
Ich kann dazu nur sagen: Wer eine Frauenquote mit der Argumentation ablehnt, Frauen sollten keine Platzhalterinnen sein, sondern aufgrund ihrer Qualifikation Mandate erhalten, denkt gleichzeitig, dass Frauen weniger in Parlamenten repräsentiert sind, weil sie einfach weniger qualifiziert für diese Aufgabe sind.