Kulturkommentar
„Elternzeit 50:50 – nicht mal einfach so“
Elternzeit 50:50 – nicht mal einfach so
Elternzeit 50:50 – nicht mal einfach so
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„Ich stille nachts, mein Partner macht den Mittagsschlaf“, scherzt Journalistin Marle Liebelt. Gibt aber zu: In dem Satz kommt die Arbeit, die ihr Partner leistet, etwas zu kurz. Aber der Satz trifft eines der Kernprobleme gleich aufgeteilter Elternzeit. Ein Erfahrungsbericht.
Dänemark hat seit August 2022 ein neues Elternzeit-Modell. Ist das Kind geboren, stehen jedem Elternteil gesetzlich 24 Wochen „Barsel“ zu. 11 davon sind gebunden; sprich, die muss jeder Elternteil selbst nehmen oder sie verfallen.
Mein Kind ist im September 2023 geboren, und mein Partner und ich haben uns entschieden, jeweils gleich viel Elternzeit zu nehmen – er 24 Wochen, ich 24 Wochen.
Dieser Erfahrungsbericht ist sehr persönlich und individuell, gibt jedoch Einblicke, die ich mir vor der Familiengründung und damit auch der Planung unserer Elternzeit mehr gewünscht hätte.
Denn der Vorteil am neuen Elternzeitmodell ist: Es ist in der Theorie sehr flexibel. Aber gilt das auch für die Praxis? Wir haben es ausprobiert, genauer gesagt, probieren es noch immer aus.
Wie klappt es also mit der gleichen Aufteilung von Elternzeit und Lohnarbeit?
Kurz gesagt: Wir halten diese Entscheidung für die beste überhaupt. Aber zu Hause zu bleiben, ist für meinen Partner nicht dasselbe wie für mich. Arbeiten gehen ist für mich nicht dasselbe wie für ihn.
Ich scherze gern: Ich stille nachts, mein Partner macht den Mittagsschlaf. Zugegeben: In dem Satz kommt die Arbeit, die mein Freund leistet, etwas zu kurz. Jedoch trifft der Satz eines der Kernprobleme.
Die Statistik
Aber vorerst ein kurzer Ausflug in die Zahlen. Seit in Dänemark im August 2022 das neue Elternzeit-Modell eingeführt wurde, nehmen Väter mehr Elternzeit als noch zuvor. Landesweit sind das laut Danmarks Statistik im Schnitt 62 Tage, die Väter von Kindern, die zwischen August und Dezember 2022 geboren sind, selbst genommen haben. Unter dem alten Modell haben Väter mit Kindern, die zwischen August 2021 und Dezember 2021 geboren sind, noch durchschnittlich 37 Tage Elternzeit genommen.
Zurück zu mir
Ich falle also etwas aus der Statistik. Unsere Tochter ist jetzt acht Monate alt, ich arbeite seit Februar wieder und habe ab Ende Juni noch mal ein paar Wochen Elternzeit.
Inzwischen verstehe ich aber gut, dass viele Paare Respekt vor der gleichen Aufteilung haben. Ich möchte nichts schönreden: Manchmal wäre es unkomplizierter, würde ich zu Hause sein. Dazu gleich mehr.
Jedoch ist für uns klar: Die Zeit, die ich und die Zeit, die mein Partner gemeinsam mit unserer Tochter haben, ist das Wertvollste in unserem neuen Leben. Jede Herausforderung, die unsere Aufteilung der Elternzeit mit sich bringt, ist die Mühe wert, um an dieser Zeit festzuhalten.
Aber ja: Es gibt Herausforderungen
Es gibt Dinge, die für mich etwas unkomplizierter zu bewerkstelligen sind als für meinen Partner. Und andersherum. Das sind eigentlich nur zwei Punkte, aber die bestimmen den ganzen Tag:
Das Stillen/Flaschegeben
Ich kann „mal eben“ die Brüste auspacken und stillen, mein Partner muss Milch erwärmen und die Flasche geben.
Das gilt auch fürs Beruhigen, wenn unsere Tochter weint. Es heißt eben „Stillen“ und nicht „Füttern“, und genau diesen Vorteil bringt die Brust gegenüber der Flasche auch mit sich.
Aber das Stillen ist sicherlich einer der Punkte, die die größte Ungleichheit zwischen Mutter und Vater (oder der Mitmutter) herstellen. Die Kehrseite des Stillens oder der Entscheidung für Muttermilch: Ich stille morgens, nach der Arbeit und nachts, und pumpe bei der Arbeit ab.
Das birgt logistischen Aufwand: Ich stille nachts nach wie vor zwischen zwei- und viermal – das ist Schlaf, der fehlt. Morgens stehe ich auf, schnappe aber nicht gleich meine Sachen und fahre zur Arbeit (wie mein Partner es machen konnte, als ich in Elternzeit war). Nein, ich stehe auf, pumpe ab, reinige die Milchpumpe, fahre zur Arbeit, pumpe dort für den nächsten Tag ab, reinige die Milchpumpe, muss die Milch kühl lagern und besonders wichtig: nicht auf der Arbeit vergessen! (Ein kleiner Vorrat im Gefrierfach hat sich als notwendig erwiesen). Sobald ich zu Hause bin: erst mal stillen.
Das Schlafenlegen
Wir haben das mit dem Schnuller irgendwie vergeigt. Wir haben ihn unserer Tochter früh angeboten, aber sie wollte nicht so richtig, und dann haben wir es nicht weiter forciert. Ich weiß nicht, ob es geklappt hätte, hätten wir es intensiver versucht. Aber seit ich wieder arbeite, hätten wir den Schnuller gern zum Einschlafen, denn unsere Tochter nuckelt dabei gern, nur eben nicht am Schnuller. Das Schlafenlegen ist also eine Herausforderung für meinen Partner.
Der Kinderwagen steht inzwischen im Schlafzimmer, und ein „Trimm-dich-Pfad“ aus gerollten Handtüchern zum Drüberschieben schmückt den Fußboden. So findet jeder seine Lösung, aber sie ist doch oft von Weinen begleitet. Das ist doof für unsere Tochter, doof für meinen Partner, und mich lässt es auch nicht kalt, wenn ich im Büro bin. Aber: Es gibt auch immer wieder Tage, da klappt es gut mit dem Einschlafen ohne mich.
Fakt ist aber auch: Bin ich zu Hause, ist das Schlafenlegen kein nervenaufreibendes Thema. Zumindest nicht, was das Weinen angeht.
Fazit
Für mich gesprochen: Ich musste doch feststellen, dass es nicht egal ist, ob ich wieder arbeite oder mein Freund. Nächtliches Stillen, tagsüber arbeiten (und abpumpen), nach der Arbeit Zeit mit meiner Familie verbringen, essen und gegen halb 9 gemeinsam mit meiner Tochter ins Bett, damit ich trotz nächtlichen Stillens fit bin für die Arbeit. Das zerrt an den Kräften, und andere Dinge, die mir wichtig sind, kommen zu kurz.
Das betrifft vor allem den Sport. Als ich noch in Elternzeit war, waren mein Partner und ich beide drei- bis viermal pro Woche im Wechsel beim Sport. Ich streiche das Training in letzter Zeit häufig, weil es einfach zu viel wäre.
Gleiche Elternzeit für beide – gut oder nicht gut?
Das ist ein erstrebenswertes Modell, bringt aber vor allem für stillende Mütter Herausforderungen mit. Hätte ich keinen familienfreundlichen Arbeitgeber, der mir weitgehend flexible Arbeitszeiten und Homeoffice ermöglicht, hätte ich wahrscheinlich einen Rückzieher gemacht und mir Elternzeit-Wochen meines Partners übertragen lassen.
Soll das mit der Gleichstellung zu Hause und auf dem Arbeitsmarkt etwas werden, müssen vor allem die Unternehmen mitziehen. Ohne familienfreundliche Jobs für Mütter und Väter wird das nichts mit der Gleichstellung.