Kulturkommentar
„Bitte warten“
Bitte warten
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Das Telefonieren hat sich in wenigen Jahren wahrlich radikal verändert. Ein Telefon in einem mehrköpigen Haushalt für alle – heute für die meisten wohl unvorstellbar. Und doch hatte die Zeit vor dem Smartphone durchaus ihre charmanten Seiten, schreibt Büchereidirektorin Claudia Knauer in ihrem Kulturkommentar.
Früher, ja da war doch alles besser. Da hatten wir ein Telefon, das stand im Flur. Zuerst war es grau, später dann – Fortschritt, Fortschritt! – tannengrün. Wer telefonieren wollte, stand im Flur. Geheimnisse austauschen war da nicht drin. Noch später bekam das Telefon eine lange Schnur, aber nicht lang genug, um in mein Zimmer zu reichen. Das waren auch die Zeiten, als man, zumindest in Deutschland damals, seine Gespräche nach 18 Uhr führte, weil es da billiger war. Und wenn besetzt war, machte es nur „düd-düd-düd“ und das war’s. Anrufbeantworter kamen später.
Heute hingegen haben nur noch die ganz Alten, die Nostalgiker und diejenigen, die nicht einsehen wollen, warum sie jedem Trend hinterherlaufen sollen, wenn das alte doch noch funktioniert, einen Festnetzanschluss. Telefonnummern zu finden, ist ein reines Glücksspiel. Anrufen ist sowieso out. Es werden sms verschickt, es wird über WhatsApp kommuniziert oder über Signal oder Facebooks messenger oder über Telegram. Es gibt so viele Möglichkeiten, dass das Smartphone voller Apps ist, weil die eine Freundin nur WhatsApp nutzt (die aus Deutschland, da ist das quasi Standard), die andere aber wegen des Datenschutzes Signal, und wer noch Telegram bevorzugt, wird schon schräg angeschaut, aber in manchen Ländern ist eben das das Kommunikationsmittel der Wahl.
Wer dann doch mal telefoniert, mit Ämtern, Ärzten oder Organisationen, muss sich durch ein Labyrinth durchdrücken, immer in der Hoffnung, sich in die richtige Schublade einzureihen. „Herzlich willkommen – Sie haben nun folgende vier Wahlmöglichkeiten: Sind Sie schon Kunde, dann drücken Sie bitte die 1.“ Und dort geht es weiter. „Wollen Sie ein neues Produkt erwerben, drücken Sie bitte die 1. Wollen Sie eine Reklamation melden, drücken Sie bitte die 2. Wollen Sie ihr Abonnement kündigen, drücken Sie bitte die 3.“ Die Reihe lässt sich endlos fortsetzen, und wer kein Smartphone hat, ist hier schon raus aus dem Spiel.
Unterwegs wird man mit Konservenmusik berieselt, die auch nicht froh macht.
Vielleicht waren die Zeiten mit dem Festnetz und einer Telefonkultur, die sagt, nach 20 Uhr ruft man nicht mehr an, doch die schlechtesten nicht. Oder?