Kulturkommentar
„Überdosis Buch“
Überdosis Buch
Überdosis Buch
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Selbst als Büchereidirektorin schafft Claudia Knauer es nicht, sämtliche Bücher in den Regalen zu lesen. Regelmäßig sieht sie, was sie alles „versäumt, nicht kann, nie erwogen hat und nicht will“.
Die klugen und fleißigen Mitarbeitenden in der deutschen Zentralbücherei präsentieren Bücher gerne mit der Front, damit man sofort den Titel und ein möglichst verlockendes Umschlagbild sieht. Das ist bibliothekstechnisch vollkommen richtig und führt zu mehr Ausleihen, als wenn nur der Buchrücken zu sehen ist.
Auf dem Weg in mein Büro allerdings werde ich regelmäßig ganz schwermütig, wenn ich sehe, was ich alles versäume, nicht kann, nie erwogen habe und nicht will.
Es beginnt mit dem „Klimakochbuch“. Klar, das Klima ist wichtig, und ein Einsatz dafür, damit wir nicht auf dem platten Land ertrinken oder in Hitze geschmort werden, kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Also sollte ich vielleicht daran denken, wenn ich das nächste Abendessen zubereite.
Vielleicht kann ich das kombinieren „Mit Permakultur zum Ernteglück“ oder „Undercover gärtnern“? Bisher komme ich pro Jahr auf zehn Cherrytomaten und zwei, in richtig guten Jahren, drei Gurken. Da ist noch ganz viel Luft nach oben bei mir.
Wenn das nicht klappt, könnte ich mich über Hühner mit „Happy Huhn“ kundig machen, „Kleine Hütten bauen“ oder „Die Sprache der Bienen“ erlernen. Dann hätte ich Eier, die ich mit Honig in meiner kleinen Hütte genießen könnte.
Wahrscheinlicher ist, dass ich dann verhungere und im Regen schlafen muss.
Aber immerhin kann ich „Gut gelaunt durch die vier Jahreszeiten“ kommen und mit „Gehirn gut, alles gut“ zumindest für geistige Gesundheit sorgen. „Jetzt einfach meditieren“ kann mir dabei auch helfen, oder ich finde jemanden, für den „Zuhören ist die beste Antwort“ gilt. Dem- oder derjenigen kann ich mein Leid klagen und vielleicht gemeinsam zu „Detox your Life“ starten. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann bietet „SUP – Die große Freiheit“ einen Ausweg. Im Stand-up-Paddeln schwebe ich auf den Wellen allem davon.
Diese Bücher sind natürlich wichtig und seien jedem gegönnt. Aber wenn man regelmäßig an all den Ratgebern vorbeigeht (und ich habe die vielen Abnehm- und Sportbücher noch ausgelassen), dann kommt mir Paracelsus’ Hinweis in den Sinn: „Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“
Ich darf einfach nur auf ein Cover zurzeit schauen.