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Heimatkundliche Geschichtsstunden in Hadersleben

Heimatkundliche Geschichtsstunden in Hadersleben

Heimatkundliche Geschichtsstunden in Hadersleben

Hadersleben/Haderslev
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Während der HAG-Exkursion nach Hadersleben lieferte das Herzog-Hans-Hospital einen Einblick in die Bedeutung der Stadt als Residenzort Herzog Johanns des Älteren und deren Vorreiterrolle bei der Einführung der Reformation im Herzogtum Schleswig und in Dänemark. Foto: Volker Heesch

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Bei der zweiten HAG-Tagesfahrt 2024 erlebten 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den einstigen „Regierungssitz“ Herzog Johanns des Älteren und die frühe Einführung der Reformation im „Wittenberg des Nordens“ durch Junker Christian, den späteren König Christian III. Stadtführer Kim Bjerringgaard und Ernst August Hansen lieferten viele interessante Informationen.

Während der zweiten Tagesfahrt in diesem Jahr der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) haben die 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer das bereits seit 1292 mit Stadtrechten ausgezeichnete Hadersleben bei strahlendem Sonnenschein durchstreift. 

Lehrreiche und unterhaltsame Stadtführung

Gleich zu Beginn der am Freitag von der HAG-Vorsitzenden Gisela Jepsen eröffneten Veranstaltung wurde dem Stadtführer und Lehrer an der Deutschen Schule Hadersleben, Kim Bjerringgaard, das Wort erteilt. Er ging vor allem auf Haderslebens Rolle als „Regierungssitz“ des von 1544 bis 1580 existierenden Herzogtums Herzog Johanns (Hans) des Älteren ein, der als Sohn des dänischen Königs Friedrich I. (Frederik I.) zeitweise auch als Thronfolger im Gespräch war. 

Als zweiter Referent kam während der Exkursion HAG-Vorstandsmitglied Ernst August Hansen zu Wort, der den Klosterfriedhof als wahres Geschichtsbuch vorstellte, bevor es ins Gasthaus Damende zur abschließenden Kaffeetafel ging. 

Die Bedeutung Haderslebens bei der Einführung der Reformation in Teilen des Herzogtums Schleswig bereits im Jahre 1526 erklärte Stadtführer Kim Bjerringgaard in dem von Herzog Johann (dän. Hans) errichteten Gotteshaus im Komplex des Hospitals. Foto: Volker Heesch
Die Inschrift in deutscher Sprache am Herzog-Hans-Hospital erinnert an das Wirken des unverheiratet gebliebenen Herzogs Johann (1521–1580) in seinem Herzogtum, das nach seinem Tod zwischen dem dänischen König und dem Herzog in Schleswig-Gottorf aufgeteilt wurde. Foto: Volker Heesch

Bjerringgaard erläuterte die Entstehungszeit Haderslebens im 12. Jahrhundert als Handelsort, der am West-Ost-Verkehrsweg von Ripen (Ribe) an die später nach Hadersleben benannte Förde errichtet wurde. „Der Stadtkern war einst eine Insel“, so der Stadtführer, der es verstand, das Treiben in den vielen Jahrhunderten der Stadtgeschichte lebhaft zu beschreiben.

Beim Reichstag zu Worms Martin Luther erlebt

In der Herzog-Hans-Kirche und am Herzog-Hans-Hospital wurde erläutert, wie Junker Christian, der Halbbruder Herzog Johanns und spätere König Christian, unter anderem auf dem Reichstag zu Worms 1521 als Ohrenzeuge des mutigen Auftretens Martin Luthers vor Kaiser Karl V. ein glühender Anhänger der Reformation wurde.

1585 wurde im Prospekt von Braun und Hogenberg das Aussehen Haderslebens vor dem verheerenden Stadtbrand 1627 festgehalten. Rechts auf der Abbildung ist die Hansborg zu sehen. Das erst 1582 fertiggestellte Schloss hatte Herzog Johann errichten lassen. Die Hansborg wurde 1644 zerstört. Foto: Wikipedia

Seit 1524 über das Amt Hadersleben und Törninglehn herrschend, verordnete Christian die Reformation „von oben“. Er konnte aber auch auf eine neue lutherische Predigerschule bauen, die in der Kollegiatkapitelschule Haderslebens eingerichtet wurde. In Hadersleben, das neben Schleswig der bedeutendste Kirchenort im Herzogtum Schleswig war, sorgten bedeutende Theologen aus dem Einflussbereich der Lutherstadt Wittenberg für die Ausbildung protestantischer Geistlicher.

Erster protestantischer Kirchenbau

Die HAG-Gruppe nahm die Herzog-Hans-Kirche als die erste Kirche in Augenschein, die als protestantische Kirche erbaut worden ist. Und das Herzog-Hans-Hospital stellte Bjerringgaard als neuartige Sozialeinrichtung vor, die im 16. Jahrhundert erforderlich wurde, weil die Armenfürsorge der katholischen Kirche nicht mehr existierte. 

 

Das im Ersten Weltkrieg von August Wilckens gefertigte Gemälde zeigt Herzog Johann (1521-1680). Der für die Stadt Hadersleben so bedeutsame Herzog war wie sein Halbbruder Christian ein Sohn von König Friedrich I. (1471-1533), der in der Burg Haderslevhus geboren wurde, an deren Stelle die Hansborg errichtet wurde. Friedrich I. war von 1490 bis 1533 Herzog von Schleswig-Gottorf. Er wurde 1533 zum dänischen König gewählt, als nach einem Aufruhr sein Neffe König Christian II. abgesetzt und später gefangen genommen wurde – mit langer Haft im Sonderburger Schloss. Foto: Museum Sønderjylland

Vom Hospital wurde die Wassermühle angesteuert, wo am Rande der Stadt mehrfach kriegerische Ereignisse Geschichte gemacht haben: 1848 die schleswig-holsteinischen Truppen im Ersten Schleswigschen Krieg bei der Eroberung der Stadt und am 9. April 1940 beim Einmarsch der Hitler-Wehrmacht, als dänische Soldaten ums Leben kamen, die den Invasoren Widerstand leisteten, weil sie nicht über die Aufgabe der Gegenwehr nach Entscheidungen in Kopenhagen informiert worden waren. 

Kim Bjerringgaard stellte den Bereich der Wassermühle als Ort kriegerischer Ereignisse am früheren südlichen Stadtrand vor. Foto: Volker Heesch

Während des Gangs zum Markt ging der Stadtführer auf die verheerenden Folgen des Stadtbrandes im Jahre 1627 nach Einmarsch der kaiserlich-katholischen Truppen während des Dreißigjährigen Krieges ein. 

Marienkirche seit 1627 ohne Turm

Das Feuer führte auch zum Einsturz des hohen Turmes der Marienkirche. „Um 1890 war die Errichtung eines neuen Turmes im Gespräch“, so Bjerringgaard und fügte hinzu, man sei froh, dass es nicht dazu gekommen ist, denn das hätte das typische Stadtbild Haderslebens wahrscheinlich entstellt.  

Im Jahre 1627, während des Dreißigjährigen Krieges, stürzte während des Haderslebener Stadtbrandes der Turm der Marienkirche ein, die seit 1922 Dom des Bistums Hadersleben ist. Foto: Volker Heesch

Der Haderslebenkenner berichtete, dass Haderslebens Marienkirche im Jahre 1922 nach der Vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark infolge des dänischen Mehrheitsvotums bei der Volksabstimmung am 10. Februar 1920 zum Dom und Sitz eines neuen Bistums erklärt wurde. „Es war auch die Errichtung eines neuen Doms im Gespräch, als Standort die Düppeler Schanzen“, so Bjerringgaard, der hinzufügte, dass dort ein Bauwerk vorgesehen war, das in Kopenhagen in Form der Grundtvigkirche realisiert wurde. 

Lob für Haderslebener Stadtbild

Viele Teilnehmende, die außerhalb von Hadersleben beheimatet sind, äußerten sich während des Gangs auch durch Nebenstraßen und Gassen angetan vom Zustand des Stadtbildes und der Baupflege.  

 

Während der Stadtführung besuchte die HAG-Gruppe auch den Marktplatz in Hadersleben. Foto: Volker Heesch
Auch viele Nebenstraßen und Gassen in Hadersleben werden von historischer Bausubstanz gesäumt, viele Gedenktafeln erzählen Geschichte. Foto: Volker Heesch

Ernst August Hansen berichtete auf dem Klosterfriedhof, dass dessen Bezeichnung auf das seit 1254 in Hadersleben existierende Dominikanerkloster zurückgeht, das nach der frühen Einführung der Reformation in Hadersleben aufgelöst worden ist. Die kleine Klosterkirche fiel dem Stadtbrand 1627 zum Opfer. 

Seit 1802 Friedhof der Stadt nach Aus für Bestattungen an der Marienkirche

Anhand der Inschriften war seit 1830 eine Teilung der Bevölkerung in deutsch-schleswig-holsteinisch und dänisch gesinnte Bürgerinnen und Bürger erkennbar, als der Nationalismus die Herzogtümer Schleswig und Holstein ebenso wie das Königreich Dänemark erfasst hatte.

 

Ernst August Hansen stellte die Grabmäler und Gedenksteine auf dem Klosterfriedhof in Hadersleben als Geschichtsbücher vor: Das vordere Denkmal wurde für die dänischen Gefallenen nach dem Ende des Ersten Schleswigschen Krieges (1848–1850) errichtet, in dem Dänemark die „Aufrührer“ besiegt hatte, die das gemischtnationale Herzogtum Schleswig einem deutschen Nationalstaat anschließen wollten. Das Denkmal für die schleswig-holsteinischen Soldaten konnte erst 1865 erbaut werden, nachdem im Jahr zuvor Dänemark von Preußen und Österreich im Zweiten Schleswigschen Krieg besiegt worden war. Foto: Volker Heesch
Die nationalen Gegensätze nach dem Ende des Ersten Weltkrieges führten zur Errichtung zunächst eines deutschen Ehrenmals für die Gefallenen aus Hadersleben. Wenig später wurde ein dänischer Gedenkstein aufgestellt. Einige Namen von Gefallenen aus der von 1871 bis 1918 zum deutschen Kaiserreich gehörenden Stadt sind auf beiden Gedenkstätten verzeichnet. Auf dem deutschen Stein ist auch der Name des 1917 in Frankreich gefallenen Malers Hans Fuglsang zu finden. Foto: Volker Heesch

Hansen erläuterte die vielen deutschen Inschriften auf den älteren Grabsteinen mit der Bedeutung der deutschen Sprache als Kirchen- und Hochsprache in der Stadt, in der das dänische Sønderjysk als Volkssprache verbreitet war.

 

Auf dem Klosterfriedhof in Hadersleben tragen viele Grabsteine deutsche Inschriften. Deutsch war lange Kirchen- und Hochsprache im Herzogtum Schleswig. Erst in den 1830er-Jahren begannen dänisch gesinnte Bürger verstärkt, dänische Inschriften in ihre Steine meißeln zu lassen. So auch die Familie des zum dänischen „Nationalhelden“ erklärten Peter Hjort-Lorenzen, der sich in den 1840er-Jahren in der Ständeversammlung des Herzogtums Schleswig als Vorkämpfer der dänischen Sprache hervortat. Sein dänischer Grabstein steht bis heute friedlich neben einem Stein mit deutscher Inschrift. Foto: Volker Heesch

Zur Stadtgeschichte Haderslebens sind in der Reihe „Schriften der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig“ 1992 das Heft 65/88 „700 Jahre Stadt Hadersleben 1292-1992“ und 2020 Heft 95 mit einem Beitrag „Besonderheiten des Gefallenengedenkens nach dem Ersten Weltkrieg in Hadersleben“ erschienen.  

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Kommentar

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