Wahl 22-Analyse
Minister: Haderslebens Rolle wird nicht kleiner
Minister: Haderslebens Rolle wird nicht kleiner
Minister: Haderslebens Rolle wird nicht kleiner
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Das Timing war aus Sicht der Kasernenfreunde perfekt: Verteidigungsminister Bødskov machte auf Einladung des Fördervereins „Kasernens Venner“ Wahlkampf für die Sozialdemokratie in der Kommune Hadersleben. Dort ist das Militär der zweitgrößte Arbeitgeber. Haderslebens militärische Bedeutung, so verspricht Bødskov, werde in Zukunft nicht geringer.
Das war die erste von zwei guten Nachrichten aus Kopenhagen an diesem Wahlkampfabend im Soldatenheim, gelegen in der unmittelbaren Nachbarschaft zur Kaserne.
Doch, beeilt sich der sozialdemokratische Verteidigungsminister Morten Bødskov zu versichern: „Das sage ich auf allen Wahlkampfveranstaltungen an Militärstandorten.“
Bødskov war an diesem Abend in Begleitung von Ausbildungsminister und Parteifreund Jesper Petersen im „KFUM Soldaterhjem“. Auch das Thema Ausbildung in den Streitkräften war ein Thema des Abends.
Kasernenfreunde: Wir verteidigen Gammelting – ihr den Rest
Die Gastgeber, der Förderverein „Kasernens Venner“, freut sich dennoch über das halbe Versprechen von Dänemarks Verteidigungsminister: „Wir übernehmen die Verteidigung vom Gammelting – ihr erledigt den Rest“, sagte der Vorsitzende Ole Gellert gut gelaunt.
Der „Rest“ ist ein ziemlicher Brocken, denn klar ist: Die friedlichen Zeiten sind vorbei – und Dänemark wird in den nächsten zehn Jahren zusätzliche Investitionen in Milliardenhöhe vornehmen, um auch in den Augen der NATO „fit for fight“ zu sein.
FE: Alles im grünen Bereich
Das machte Dänemarks Verteidigungsminister in einem Kurzreferat zum Auftakt des Wahlabends deutlich. Für all jene, die sich für die geopolitische Lage interessieren, bargen seine Ausführungen kaum Überraschungen. Wohl aber die Aussage des Ministers – und dies ist die zweite gute Botschaft – Dänemarks militärischer Nachrichtendienst FE sehe mit Blick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine derzeit kein erhöhtes Bedrohungsrisiko für das eigene Land.
Der Spion, der kaltgestellt wurde
Verständlich. Der dänische Geheimdienst FE hat zurzeit ganz andere Sorgen: Soeben sind die Erinnerungen „aus Zelle 18" seines früheren, erst inhaftierten und nunmehr suspendierten Chefs wie eine Bombe auf dem Buchmarkt eingeschlagen. Lars Findsen, der sich wegen Landesverrats verantworten muss, hatte im Vorjahr den größten westlichen Spionageskandal ins Rollen gebracht. Der US-Geheimdienst hatte mithilfe dänischer Daten NATO-Verbündete, auch in Deutschland, ausspioniert. Momentan dürfte FE daher mit der Schadensbegrenzung alle Hände voll zu tun haben.
Sicher und sicher
Der Venstre-Politiker Preben Holmberg, ebenfalls Gast des Wahlabends, verlieh seiner Freude Ausdruck, dass man sich angesichts der Milliarden-Investitionen auf dem Kampfjetstützpunkt in Skrydstrup sicher fühlen könne.
Sicher ist vor allem eins: Die Kommune Hadersleben, wo sich Dänemarks einziger Kampfflugzeugstützpunkt befindet, ist zugleich ein potenzielles Angriffsziel.
Während der dänische Militärgeheimdienst keine Bedrohung aus dem Osten sieht, gibt es warnende Stimmen von Sicherheitsexperten, die überzeugt sind, der Westen sollte die nuklearen Drohgebärden des unberechenbaren Kreml-Herrschers ernst nehmen. Wenn uns die jüngste Geschichte etwas gelehrt hat, dann dass man Geheimdienstlern – hüben wie drüben – nicht oft genug auf die Finger sehen kann.
Die Eskalationsschraube drehe sich auf beiden Seiten, betont der Sicherheitsexperte Jeremy Shapiro, Forschungsdirektor beim European Council on Foreign Relations (ECFR): Er schließt eine Zuspitzung gar bis hin zum Atomschlag nicht aus: „Wir befinden uns soeben auf diesem Weg, und die Wahrscheinlichkeit, dass es so kommt, wächst mit der zunehmenden Verzweiflung auf der einen oder anderen Seite von Tag zu Tag. Die Folgen dieses Szenarios sind verheerend. Man sollte daher darauf aufmerksam machen.“
Dies ist hiermit geschehen.
Ein Drittel bald im Ruhestand
Hinzu kommt: Auch wenn die dänischen Streitkräfte vom NATO-Partner USA in den höchsten Tönen gelobt werden, wie Dänemarks Verteidigungsminister zu berichten weiß, stehen sie in den nächsten Jahren vor enormen Herausforderungen. Die Truppe benötigt qualifiziertes Personal, denn binnen der nächsten Dekade geht ein Drittel der Streitkräfte in Rente.
Vor diesem Hintergrund erscheint der von der NATO geforderte, vor allem zeitnahe Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe bis 2024, der Ersten Brigade, Utopie. Die Lage ist – vornehm ausgedrückt – prekär. Die militärische Ausstattung ist nach Kriegen und friedensbewahrenden Einsätzen verschlissen – Investitionen sind jahrelang auf die lange Bank geschoben worden. Auch bedarf es einer neuen Gebäude-, IT und Infrastruktur, um der aktuellen Lage Herr zu werden.
Die militärische Gretchenfrage
Die jüngste Einschätzung der NATO der dänischen Streitkräfte ist noch geheime Verschlusssache – und soll es bis nach der Folketingswahl am 1. November auch bleiben. Zugleich hagelt es Kritik vom staatlichen Finanzwachhund „Rigsrevisionen“ am Verteidigungsministerium und dessen Management beim Aufbau besagter Erster Brigade, auch „Faust der Armee“ genannt, wie die Tageszeitung „Berlingske“ vor ein paar Tagen berichtete.
In derselben Zeitung nimmt am Freitag ein Brigadegeneral und Vizechef des Streitkräftekommandos das Blatt vom Mund: Wann die „Faust der Armee“ zuschlagen kann, das steht noch in den Sternen.
Aber – und das ist wohl die beste Botschaft des Abends: Haderslebens Kasernenfreunde müssen nicht mehr bangen, dass die einstige Preußenkaserne am Gammelting geschlossen wird. Mission erfüllt!