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Klima-Atlas: Jahrhundertsturmflut kann Nordschleswig künftig alle drei Jahre treffen

Nordschleswig: Jahrhundertsturmflut kann künftig alle drei Jahre vorkommen

Jahrhundertsturmflut kann künftig alle drei Jahre vorkommen

Apenrade/Aabenraa
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Gammelmark
Die Bewohnerinnen und Bewohner der Küsten Nordschleswigs könnten bald häufiger von Sturmfluten betroffen sein. Foto: Privat

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Mehr Hitzewellen, häufigere Sturmfluten und nassere Winter: Bereits bei einem moderaten Zukunftsszenario müssen sich die Menschen in Nordschleswig auf mehr Wetterextreme einstellen. Das Dänische Meteorologische Institut zeigt verschiedene Entwicklungen auf, wie sich das Klima in Dänemark bis zum Ende des Jahrhunderts verändert und wovon es abhängt.

Die Sturmflut vom Oktober 2023, die große Schäden an Nordschleswigs Ostseeküste hinterlassen hat, oder der Dezemberorkan von 1999 sind Beispiele für Wetterereignisse, von denen Expertinnen und Experten sagen, sie passieren statistisch gesehen nur alle 100 Jahre. Das Dänische Meteorologische Institut (DMI) geht jedoch davon aus, dass diese extremen Ereignisse in Zukunft deutlich häufiger auftreten – und besonders die Küsten Nordschleswigs werden besonders betroffen sein. 

Das geht aus dem neuen Klima-Atlas des DMI hervor, der in dieser Woche veröffentlicht wurde. Er wurde mit den neuesten Daten zum Wasserstand und Sturmfluten gefüttert. Aus dem Atlas geht hervor, dass fünf mögliche Zukunftsszenarien eintreten können. Außerdem gibt die neue Version einen Überblick über die Sturmfluten der Zukunft.

Düstere Aussichten im mittleren Szenario

Bleiben die klimapolitischen Bemühungen so, wie sie heute sind, verändert sich das Klima in Dänemark zum Ende des Jahrhunderts (Zeitraum 2071 bis 2100) in einem „mittelhohen Ausleitungsszenario“ – also der Menge ausgestoßener Treibhausgase – im Vergleich zur Referenzperiode 1981 bis 2010 folgendermaßen: 

  • Die Durchschnittstemperatur steigt um zirka 2,0 Grad Celsius im ganzen Land. Regionale Unterschiede sind marginal.
  • Frost wird es nur noch an etwa 50 Tagen im Jahr geben. Im Vergleichszeitraum lag dieser Wert bei 80 Tagen. 
  • Die Anzahl an Hitzetagen wird sich durchschnittlich von zwei auf fünf Tage pro Jahr erhöhen. 
  • Hitzewellen werden in Sommern häufiger. Es wird erwartet, dass es 20 Tage werden können. 9 sind es derzeit. 
  • Gleichzeitig steigen Extremwetterereignisse auch im Sommer – etwa Starkregen.
  • Die Saison, in der Pflanzen wachsen, verlängert sich um zwei auf zehn Monate.
  • Die Niederschlagsmenge im Winter steigt um 12 Prozent. Weil auch die Temperatur steigt, wird hauptsächlich Regen fallen.
  • Der mittlere Wasserstand im Meer steigt und beschleunigt sich. Betroffen ist hier besonders Südwestjütland. 
  • Sturmfluten treffen die Küsten deutlich gewaltsamer als bisher. Wenn der mittlere Wasserstand steigt, kann eine Sturmflut schwere Folgen haben.
  • Eine schwere Sturmflut, die bisher statistisch gesehen alle 20 Jahre vorkommt, kann künftig jedes zweite Jahr auftreten. 

Sicher ist, durch die allmähliche Erwärmung des Klimas steigt die Gefahr von Überschwemmungen in den Küstengebieten Dänemarks. Der Meeresspiegel um Dänemark wird steigen, unabhängig davon, wie viel Treibhausgas in Zukunft ausgestoßen wird. Außerdem wird er unabhängig von den künftigen Emissionen auch nach 2100 weiter steigen, so die Berechnungen. Wie stark und wie schnell der Meeresspiegel ansteigt, hängt jedoch davon ab, wie schnell und stark die globalen Emissionen reduziert werden. 

Mehr Sturmfluten in Nordschleswig

Dänemark und insbesondere Nordschleswig werden diese Veränderung besonders dann zu spüren bekommen, wenn das Land von einer Sturmflut getroffen wird. Sturmfluten entstehen durch Winde, die das Wasser in Richtung der Küsten drücken und den Wasserspiegel ansteigen lassen. 

Sturmfluten, die auf die Küsten treffen, werden oft von großen Wellen begleitet, die wiederum durch den höheren Wasserstand verheerendere Auswirkungen haben können. Denn bei einem höheren durchschnittlichen Meeresspiegel werden künftige Sturmfluten von einem höheren Ausgangspunkt ausgehen und das Wasser höher an die Küste treiben, als dies beim derzeitigen Klima der Fall ist. 

In dem oben genannten Szenario mit mittelhohen Emissionen, das in etwa der derzeitigen Klimapolitik der Welt entspricht, beginnen Sturmfluten in Dänemark am Ende dieses Jahrhunderts 42 Zentimeter höher als heute.

In den Kommunen Sonderburg (Sønderborg), Apenrade (Aabenraa) und Haderleben (Haderslev) dürften künftige Sturmfluten bei dem benannten Szenario bei 48 Zentimetern beginnen. An der Küste der Kommune Tondern (Tønder) sind es sogar zwischen 49 und 51 Zentimeter. 

Häufigere 20-Jahres-Ereignisse

„Viele erinnern sich vielleicht noch an den Herbststurm vom Oktober 2023, als eine 100-jährige Sturmflut auftrat. Die zukünftige Häufigkeit solcher Ereignisse wird nun auch im Klima-Atlas dargestellt. Der Indikator zeigt unter anderem, dass eine Sturmflut, die heute statistisch gesehen alle 100 Jahre auftritt, bis zum Ende des Jahrhunderts zu einem Ereignis wird, das in einem Szenario mit mittleren bis hohen Emissionen etwa alle drei Jahre auftreten kann“, sagt Mark Payne, wissenschaftlicher Leiter des Klimaatlas beim DMI im nationalen Zentrum für Klimaforschung, laut Pressemitteilung.

Für Nordschleswig bedeutet das, dass in den drei Ostseeküsten-Kommunen ein derzeitiges 20-Jahres-Ereignis rund 16 Mal binnen 20 Jahren auftreten kann. An der Westküste im Bereich Tondern allerdings nur 3,6 Mal im gleichen Zeitraum. 

Weitere Emissionsszenarien

Es kann in Zukunft besser kommen, aber auch deutlich schlechter. Die Emissionsszenarien geben Vorhersagen darüber, wie hoch die künftigen Treibhausgasemissionen der Welt sein könnten. Gerade die künftigen Treibhausgasemissionen sind ausschlaggebend dafür, wie stark wir vom Klimawandel betroffen sind. Im Klima-Atlas ist es möglich, sich einen Überblick über alle möglichen Szenarien zu verschaffen.

„Der Klima-Atlas hat seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2019 gezeigt, dass es in einem wärmeren Klima künftig mehr und kräftigere Sturmfluten in Dänemark geben wird“, so Mark Payne. Erneut habe man den Datensatz mit den neuesten Daten und Methoden gefüttert, um die bestmögliche Grundlage für eine geplante Klimaanpassung zu schaffen, sagt der Wissenschaftler.

Woher nimmt das DMI die Daten für den Klima-Atlas?

Die Daten im Klima-Atlas werden in der Regel als Durchschnitt einer Periode von 30 Jahren angegeben. Im Klima-Atlas ist Dänemarks derzeitiges Klima durch Durchschnittswerte von Referenzperioden – hier 1981 bis 2010 – definiert. Die Periode ist der Ausgangspunkt für Zukunftsszenarien und für Daten, die relative Änderungen zeigen. Der Klima-Atlas präsentiert Daten aus vier Zeitperioden (1981 bis 2010, 2011 bis 2040, 2041 bis 2070 und 2071 bis 2100).   

Die Daten für das zukünftige Klima in Dänemark basieren auf 72 verschiedenen Klimamodellen. Die Modelle, die das Klima berechnen, können verglichen werden, da sie dasselbe geografische Gebiet abdecken und von der gleichen Menge Treibhausgase in der Atmosphäre ausgehen.

Auch aktualisierte Daten des Küstendirektorats (Kystdirektoratet) fließen mit ein. 

So kann der Klima-Atlas mehrere mögliche Zukunftsrealitäten auf der Grundlage der neuesten Generation von Emissionsszenarien, den sogenannten Shared Socioeconomic Pathways (SSP), aufzeigen. 

Die SSP-Szenarien bilden die Grundlage für die Klimamodellberechnungen im Klima-Atlas, wo sie in einem Überblick über die zu erwartenden Veränderungen des künftigen dänischen Klimas umgesetzt werden. Die aktualisierten Wasserstands- und Sturmflutwerte für fünf verschiedene Szenarien können online unter www.klimaatlas.dk abgerufen werden. Der Klima-Atlas wird laufend mit neuen Daten und/oder Methoden gefüttert.

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