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Minderheit: Warum der Erhalt der friesischen Sprache bedroht ist

Warum der Erhalt der friesischen Sprache bedroht ist

Warum der Erhalt der friesischen Sprache bedroht ist

Hatto Schmidt, freier Journalist
Südschleswig
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Heinrich Bahnsen hält die Sichtbarkeit, welche die Europeada mit sich bringt, für sehr wichtig. Foto: Midas

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Friesisch-Unterricht gibt es derzeit nur als freiwillige Kurse – Im Gespräch gibt Heinrich Bahnsen vom Friesenrat Einblicke in die Probleme der Volksgruppe.

Seit die Vorsitzende des Friesenrates Sektion Nord, Ilse Johanna Christiansen, am 15. Mai viel zu früh starb, führt der stellvertretende Vorsitzende Heinrich Bahnsen die Geschäfte. Der pensionierte Bankkaufmann engagiert sich in einer Vielzahl friesischer Vereine und Institutionen. Im Interview schildert er die Probleme der Volksgruppe.

Ilse Johanna Christiansen sprach oft von den Friesinnen und Friesen als Zugehörige der am wenigsten geschützten Minderheit in Deutschland. Woran lag das? 

„Auch daran, dass die Friesinnen und Friesen historisch bedingt nicht mit einer Zunge gesprochen haben. Die Friisk Foriining, die 1923 nach der Volksabstimmung von 1920 gegründet wurde, war eher dänisch orientiert und vertrat die Meinung, dass die Friesen keine Volksgruppe, sondern eine Nationalität seien. Der Nordfriesische Verein dagegen sah die Friesen als friesische Volksgruppe, mit friesischer Kultur, Sprache und Tradition, als friesischer Stamm der deutschen Nation zugehörig. Das Thema wurde über Jahrzehnte hinweg sehr ideologisch diskutiert. Heute hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass wir Bestandteil der deutschen Nation sind.“

Arbeiten die beiden Richtungen heute zusammen? 

„Es gibt eine sehr gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Aber weil wir uns über Jahrzehnte hinweg nicht gemeinsam artikuliert haben, wurden wir natürlich nicht so wahrgenommen wie andere Minderheiten. Seit diese Zusammenarbeit aber funktioniert, haben wir mehr Erfolg. Der Schutz der Friesen wurde in der Landessatzung verankert, nicht als nationale Minderheit, sondern als friesische Volksgruppe; wir fühlen uns aber in bundespolitischer Darstellung mit den anderen Minderheiten verbunden. Dort werden die Friesen als Minderheit und nicht als Volksgruppe dargestellt.“

Ein Beispiel für zweisprachige Beschilderung in Nordfriesland Foto: Midas

2020 wurde nach dem Vorbild der Stiftung für das sorbische Volk eine Friesen-Stiftung gegründet, die „Friisk Stiftung“. Hat sie die Volksgruppe weitergebracht? 

„Bei der Stiftung geht es eigentlich vor allem darum, dass die Förderprogramme nicht mehr im Ministerium und in der Staatskanzlei behandelt werden, sondern in der Stiftung. In ihr werden die Mittel von Land und Bund gebündelt.“

Hatte die Gründung der Stiftung noch andere Effekte?

„Die Stiftung wirkt nicht direkt in die Volksgruppe hinein. Primär geht es um die Verwaltung und die Überwachung der Verwendung der Mittel. Aber wir haben innerhalb des Nordfriesischen Instituts gerade eine besondere Einheit geschaffen, die sich ,Nordfriisk liirskap' nennt. Sie soll friesische Lehrmaterialien für alle schulischen Bereiche erarbeiten, auch für den Kindergarten. Bisher gab es ja keine. Es gab nur das, was in der Vergangenheit die Lehrer selbst erstellt hatten. Wir erwarten dadurch eine systematischere Herstellung von Lehrmitteln, mit denen die friesische Sprache wirkungsvoller und nachhaltiger vermittelt werden kann.“

Zweisprachige Beschilderung von Bredstedt Foto: Midas

Bisher wird Friesisch nur auf freiwilliger Basis außerhalb des Stundenplans angeboten? 

„Ja, das sind die sogenannten Kurse.“

Sollte Friesisch zum Pflichtunterricht werden?

„Wir würden uns schon wünschen, dass Friesisch-Unterricht Bestandteil des Lehrplans wird. Auch Fachunterricht in friesischer Sprache würden wir uns wünschen. Dazu braucht es aber eine Ausbildung von Lehrkräften an der Uni, für sämtliche Schulstufen.“

Das wird nicht einfach zu erreichen sein. 

„Nein, aber es ist der einfachere Weg, um zu einer nachhaltigen Spracherhaltung zu gelangen. Wir haben in Nordfriesland, also auf dem Festland und auf den Inseln, mehr oder weniger intensiv 85.000 Friesinnen und Friesen nach dem Motto ,Friese darf sein, wer sich dafür hält', also ohne irgendwelche Vorbedingungen. Von diesen 85.000 sind Schätzungen zufolge 6.000 bis 9.000 Sprachfriesinnen und -friesen. Immer weniger dieser Gruppe sind aber muttersprachlich mit Friesisch aufgewachsen, sondern haben die Sprache im Kindergarten oder in den Schulen gelernt. Friesisch ist gut verbreitet in der Grundschule, vor allem in den Dörfern, wo noch muttersprachlich gesprochen wird. Im Sekundarbereich ist es sehr, sehr wenig.“

Welche Probleme haben die Friesen sonst? 

„Da ist die Neigung muttersprachlicher Friesinnen und Friesen, die Sprache nicht an ihre Kinder weiterzugeben. Das ist der zunehmenden Mobilität geschuldet. In der Vergangenheit lag das Problem auch oft darin, dass immer mehr den Eindruck hatten, sie sollten ihren Kindern Friesisch nicht beibringen, weil sie sonst in der Schule Probleme haben. Heute weiß man, dass das Gegenteil der Fall ist. Dann ist da noch ein Problem.“

Die Dorfstraße – zweisprachig beschildert Foto: Midas

Welches? 

„Wir haben im Ehrenamt einen sehr hohen Altersdurchschnitt und große Probleme, jüngere Leute zu finden, die sich engagieren wollen. Das alles ganz abgesehen vom Sprachlichen. Wir brauchen junge Leute, aber in manchen Gebieten gibt es sie nicht in der Breite, wie es Nordfriesland braucht. Es bräuchte eine Aufwandsentschädigung oder die Möglichkeit, Leute anzustellen.“

In Nordfriesland gibt es eine Vielzahl zweisprachiger, friesisch-deutscher Ortsschilder und Wegweiser, bei der dänischen Minderheit nur eine Handvoll. Woran liegt das? 

„Die Ortseingangsschilder sind Sache der Gemeinden, die Wegweiser an Landes- und Bundesstraßen dagegen Kompetenz des Landes und des Bundes und werden aus deren Mitteln bezahlt. Die Zweisprachigkeit dieser Schilder basiert auf dem Friesischgesetz, das 2004 im Landtag verabschiedet wurde. Es regelt den Gebrauch der friesischen Sprache im Verkehr mit Ämtern und öffentliche Zweisprachigkeit.“

Den Sorben gab die Europeada 2012 einen enormen Schub. Erwarten Sie das nun auch für sich? 

„Wir hoffen darauf. Jedenfalls ist es sehr wichtig, dass die Europeada hier bei uns stattfindet. Sie bringt uns große Sichtbarkeit.“

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