Königshaus

König Christian X. stürzte oft vom Pferd: Vielleicht zu oft?

König Christian X. stürzte oft vom Pferd: Vielleicht zu oft?

König Christian X. stürzte oft vom Pferd: Vielleicht zu oft?

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Berlin/Kopenhagen
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König Christian – hier 1920 bei der Vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark – stand an der Spitze der dänischen Monarchie während des Zweiten Weltkriegs. Foto: Holger Damgaard/Ritzau Scanpix

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Umstrittenes Buch: Der Autor Peter Kramer stellt kritische Fragen zur Verbindung des dänischen Königshauses zu Nazi-Deutschland. Der frühere Chefredakteur Siegfried Matlok gibt einen historischen Überblick.

Kaum ein Buch ist in den letzten Jahren so eingeschlagen wie das kürzlich im Momenta-Verlag erschienene Buch des Journalisten Peter Kramer mit dem Titel „Ridser i lakken“ sowie dem Untertitel „Die Verbindungen des Königshauses zu Hitler-Deutschland“, das vor allem den Ruf von König Christian X. als König des dänischen Widerstandes gegen die Deutschen in ernste Zweifel zieht. Reiter-König Christian stürzte mehrfach in seiner Regentenzeit von 1912 bis 1947 gefährlich vom Pferd, doch nun droht ihm ein Absturz vom hohen Ross einer historischen Figur des bisher so Unantastbaren. 

Die Frage, die sich nach dem Lesen der von Kramer im In- und Ausland so umfangreich recherchierten Dokumentation über die Verbindungen und Beziehungen des Königshauses stellt, lautet grundsätzlich: sind die Risse selbst verschuldet, oder haben – auch – andere Personen beziehungsweise Umstände diese royalen Risse im Lack (mit-)verursacht?

Das Buch von Autor Peter Kramer über die Verbindungen zwischen dem dänischen Königshaus und Nazi-Deutschland ist umstritten. Foto: Peter Kramer

Um Christian X. und seinen bisherigen Helden-Mythos richtig einzuordnen, ist ein kurzer Rückblick auf die Vorgeschichte vor Hitlers Machtübernahme 1933 erforderlich:  

Als junger Monarch hatte er Glücksburger-Schleswigsche Ahnen, die ihn auch gefühlsmäßig stark beeinflusst haben, besonders nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, dem sogenannten Frieden von Versailles und den Volksabstimmungen in beiden Zonen im deutsch-dänischen Grenzland. 

Während die dänische Politik, allen voran auch der Dänen-Führer H. P. Hanssen-Nørremølle, die jetzige (Apenrader) Grenzlinie verteidigten, war der König weiterhin unbeirrbar Anhänger der Flensburg-Linie, die von nationalen Kreisen und vor allem von der dänischen Minderheit gefordert wurde. 

Trotz des klaren Abstimmungsergebnisses – knapp 80 Prozent für Deutschland am 14. März in der 2. Zone um Flensburg – hatte der König am 29. März den Staatsminister Carl F. Zahle von der Radikalen Venstre fristlos entlassen. Er hatte auf Neuwahlen gehofft und damit auf eine Korrektur des Flensburger Resultates. Die sozialdemokratische Zeitung „Social-Demokraten“ titelte in einer Sonderausgabe: „König begeht Staatsputsch“. 

Allen voran die Sozialdemokraten unter der Leitung von Thorvald Stauning liefen Sturm, bezeichneten den Sturz des Staatsministers als undemokratisch – als Verletzung der parlamentarischen Spielregeln. 

Der König, dessen Monarchie durch fast-revolutionäre Demonstrationen auf dem Schlossplatz von Amalienborg plötzlich in Gefahr schien, lenkte ein und ernannte für wenige Tage seinen königlichen Advokaten Otto Liebe zum neuen Staatsminister. 

Erst dramatische Verhandlungen mit Stauning beendeten die sogenannte Osterkrise, führten zu einem Kompromiss am 4. April, der noch heute als Geburtsstunde der konstitutionellen Monarchie gilt, wonach das Königshaus stets die parlamentarische Mehrheit zu respektieren hat. 

Royale Anpassung für Nordschleswig 

Das begrenzte zwar zunächst die Macht des Monarchen, doch Christian X., der mit seinem Ritt 1920 über die alte Grenze bei Christiansfeld zum „Genforenings“-Symbol der Dänen in „Sønderjylland“ wurde, blieb nicht lange politisch passiv ohnmächtig – im Gegenteil. 

Bei den künftigen „Vergehen“ des Königs im Verhältnis zu Nazi-Deutschland ab 1933 darf die Nordschleswig-Frage nicht übersehen werden, wenn ein anerkannter Historiker wie Bo Lidegaard manchen „Sündenfall“ des Monarchen als notwendige taktisch-strategische Anpassung erklärt und so verteidigt, eine Begründung, die noch näher zu untersuchen sein wird.

Ein zweiter Faktor bei der „Nazi“-Beurteilung von König Christian ist ebenso wenig zu vergessen: Es handelt sich um die familiären Bande, die oft – nicht nur wegen der Abstammung von König Christian IX. aus dem Hause Glücksburg – Kontakte zu großen Teilen der einflussreichen deutschen Verwandtschaft umfasste. 

Königin Alexandrine stammte aus dem Hause Mecklenburg-Schwerin, das auch noch nach 1945 eine wichtige Rolle in den Beziehungen des dänischen Königshauses spielte. Entscheidend war aber die Prinzessin Helena aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, die auf dem Gut Grünholz in Schwansen bei Kappeln (Kappel) geboren wurde und die 1909 auf Schloss Glücksburg den dänischen Prinzen Harald heiratete, den jüngeren Bruder des ab 1912 regierenden Monarchen Christian X. 

Wahrlich enge Beziehungen als Haralds Halbkusine, und Helenas Mutter war Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, also Urenkel von Struensee und auch die Schwester zu der mit Kaiser Wilhelm II. verheirateten letzten deutschen Kaiserin Auguste Viktoria, was wegen der Augustenburger Thronansprüche (der sogenannte „Friedrich der Achte“) um 1864 vorübergehend schwere Spannungen zum dänischen Königshaus auslöste. 

Ob allerdings Kramers Hinweis sogar auf fern-verwandtschaftliche Beziehungen zum ehemaligen Prinzen-Haus Reuss in diesem Kontext angebracht ist – der jetzige Prinz Heinrich III. Reuss steht ja als Anführer eines angeblichen Reichsbürger-Putsches zurzeit unter Anklage – scheint doch ziemlich an den Haaren herbeigezogen.

Das Buch von Peter Kramer hat Aufsehen erregt. Foto: Peter Kramer

Sympathien für Nationalsozialismus keine Ausnahme 

König Christian X. war außerdem gewiss nicht der einzige Monarch, der anfangs Hitler gegenüber die Erwartung hatte, der Führer könne, dem nach dem Ersten Weltkrieg destabilisierten und innerlich unruhigen Deutschland, wieder Stabilität in und für Europa verleihen. 

Der abgedankte englische König Edward VIII. als „Duke of Windsor“ und seine amerikanische Frau, die dem Führer nach 1937 offen Sympathien entgegenbrachten, waren keine Ausnahme. 

Auch in Dänemark zeigten bürgerliche Kreise lange Zeit Verständnis für den neuen „deutschen Messias“, ein Blick in die führenden Blätter der damaligen Zeit lässt schnell erahnen, wie sie ihm „vertrauten“, was auch Peter Kramer dokumentiert. 

Büste vom König steht noch heute in Cannes 

Eine zentrale Drehscheibe in den deutsch-dänischen Beziehungen des Königshauses war Cannes an der französischen Riviera: Der Vater von Alexandrina, der von Asthma geplagte Erbherzog Franz Friedrich von Mecklenburg III., hatte in den Jahren um 1880 die mondäne „Villa Wenden erbaut“.

1896 zählte der dänische Prinz Christian zu den noblen Gästen, der sich in die damals nur 17-jährige Tochter des Erbherzogs, Alexandrine, verliebte und 1898 in der deutschen Kirche zu Cannes heiratete.  

1912 wurde Christian X. König, und auch nach dem Ersten Weltkrieg und der Beschlagnahme des mecklenburgischen Besitzes durch die Franzosen wurde Cannes zur Sommerresidenz für das dänische Königspaar – eine feine Adresse nun unter dem Namen „Villa le Rouve“ an der „Avenue de la Favorite“. Auf der Hauptstraße La Croisette“  steht nahe dem Festivalpalast in Cannes noch heute eine Büste von König Christian, die 1954 von seinen Kindern Knud und Caroline-Mathilde eingeweiht wurde. 

Erstes Treffen mit Hitler 

Am 1. Februar 1933 fragte die deutsche Gesandtschaft in Kopenhagen in Berlin: „Dänisches Königspaar reist Montag über Berlin nach Cannes, König hat mich gebeten anzufragen, ob er Dienstagvormittag 12 Uhr des Herrn Reichspräsidenten Besuch abstatten kann.“ 

Der erste offizielle Besuch des Königs bei Reichspräsident Hindenburg fand jedoch erst ein Jahr später statt: am 7. Februar 1934, 12 Uhr, 15 Minuten lang.

Was dabei zwischen den beiden Staatsoberhäuptern besprochen wurde, ist nicht bekannt, aber der König verfolgte zweifelsohne auch ein familiäres Ziel: die Schwester von Königin Alexandrine war die mit Kronprinz Wilhelm verheiratete Kronprinzessin Cecilie aus dem Mecklenburgschen Hause. 

Nachdem Kaiser Wilhelm II. nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg zum Abdanken gezwungen worden war – Reichskanzler Philipp Scheidemann hatte am 9. November 1918 in Berlin die demokratisch-bürgerliche Republik ausgerufen – flüchtete er ins holländische Exil. Monarchistische und konservative Kreisen wünschten sich einen neuen deutschen Kaiser – nämlich Kronprinz Wilhelm, der 1919 selbst auf Thronansprüche verzichtet hatte.

Abschließend empfing der König in der dänischen Gesandtschaft Reichskanzler Adolf Hitler, der am 30. Januar 1933 auf Vorschlag von Hindenburg ernannt worden war und kurz danach erste Machtbefugnisse für seine NSDAP durchgesetzt hatte. „Zufriedenstellend“ hieß es nach dem 25-minütigen Gespräch von Christian X. mit dem zivil gekleideten Führer. 

1934: Dänische Regierung erlaubt der Minderheit Hakenkreuz-Flagge 

Schon wenige Monate später änderte sich die deutsche Politik jedoch dramatisch: Reichspräsident Hindenburg starb am 2. August 1934. Sein Ableben löste auch in Dänemark Trauer aus – vor allem in der deutschen Minderheit. 

Kramer schildert in seinem Buch, dass die dänische Regierung der Volksgruppe in Nordschleswig sogar die Erlaubnis erteilte, fünf Tage lang bis zur Beisetzung beide deutschen Flaggen zu hissen. Also auch die Hakenkreuz-Flagge, die am 13. März 1933 als zusätzliche Nationalflagge eingeführt worden war, neben der offiziellen schwarz-weiß-roten Flagge.

Als einer der Leiter der „Nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig“, die am 15. April 1933 unter dem Namen „NSAN“ gegründet worden war, schrieb H. Boysen Jepsen in der „Nordschleswigschen Zeitung“ (NZ): „Hindenburgs Tüchtigkeit als Heerführer sei zu verdanken, dass es gelang, dass unsere Heimat von dem verheerenden Schrecken des Krieges möglichst verschont wurde“. 

Der deutsche Folketingsabgeordnete Pastor Johannes Schmidt-Wodder (laut „NZ“: „Hindenburg ist tot – Deutschland lebt“) wies anlässlich einer Bekanntmachung der „NSAN“ in der Zeitung darauf hin, dass er sich als Folketingsabgeordneter an den dänischen Justizminister gewandt habe, nachdem sich der damalige Rektor Koopmann in seiner Eigenschaft als Leiter des deutschen Schulwesens nur um eine Erlaubnis für die deutschen Schulen bemüht hatte. 

Nach direkter Aufforderung des Justizministers stellte Wodder einen schriftlichen Antrag, wonach „nicht nur die deutschen Schulen, sondern auch alle anderen das Deutschtum repräsentierenden Gebäude flaggen sollten.“

Am 3. August hatte Wodder von Justizminister Zahle die Antwort erhalten, dass „auf halbmast mit den deutschen Farben“ geflaggt werden dürfe. Die „NZ“ kommentierte: „Der Ausdruck der deutschen Farben“ ist so zu verstehen, dass das Flaggen in der Form erlaubt ist, wie es heute in Deutschland geschieht, also mit beiden Flaggen nebeneinander.“ 

Am Dienstagmorgen gingen die beiden deutschen Fahnen auf halbmast, so die „NZ“ in ihrem Bericht, „Wie Tondern das Gedächtnis dieses großen Deutschen ehrte“. Ebenso übrigens in der deutschen St. Petri-Kirche in Kopenhagen, wo als Vertreter des Königs mehrere Prinzen erschienen waren; vor dem Altar war mit beiden deutschen Fahnen ein geschmückter Katafalk aufgestellt. 

Lob aus Berlin für Dänemark und die Minderheit

Dass diese Trauerbeflaggung in Nordschleswig und Dänemark in Deutschland beachtlich zur Kenntnis genommen wurde, ging aus seiner Mitteilung des Propagandaministeriums Goebbels hervor, das einen bevorstehenden Bayreuth-Besuch der dänischen Königin Alexandrine angekündigte:

„Die Tatsache, dass dem Antrag der deutschen Minderheit entsprochen wurde und dass wenig später „Hunderte von öffentlichen Versammlungshäusern und Schulen der deutschen Minderheit in Nordschleswig in Trauer gekleidet waren“, betrachte das nationalsozialistische Deutschland „als noblen Gestus des stammverwandten dänischen Volkes... eine Achtungsbekundung, die nie vergessen wird“, hieß es in der am 14. August 1934 von der Tageszeitung „Politiken“ veröffentlichten Pressemeldung aus Berlin, ein Tag vor der Abreise der Königin nach Bayreuth zu Opern-Freundin Winifried Wagner, die ja als glühende Hitler-Verehrerin bekannt war.  

Und Pastor Schmidt-Wodder dankte der dänischen Regierung für ihr Entgegenkommen mit den Worten: „So kam es klar zum Ausdruck, dass die gesamte deutsche Volksgruppe mit dem deutschen Volke gemeinsam trauerte.  Es darf uns mit Genugtuung erfüllen, dass das erreicht ist“, schrieb Wodder. 

1937: Zweites Treffen zwischen dem König und Hitler

Am 15. März 1937 folgte das zweite Gespräch von König Christian mit Hitler; ein 25-minütiges Vieraugengespräch ohne Dolmetscher in der Reichskanzlei. Als Führer hatte Hitler inzwischen die gesamte Macht im Deutschen Reich übernommen und die „friedliche“ Maske längst fallen lassen. Der von der SS niedergeschlagene Röhm-Putsch, bei dem auf Befehl Hitlers die Spitze der SA brutal ermordet wurde, fand Ende Juni/Anfang Juli 1934 statt, und die Nürnberger Rassengesetze gegen die Juden wurden am 15. September 1935 verabschiedet. Warnungen gab es also schon genug.

Die „NZ“ berichtete „Der König von Dänemark beim Führer“ und meldete mit Hinweis auf die dänische Presse, „dass die Unterredung der beiden Staatsoberhäupter in den allerherzlichsten Formen verlaufen sei“. 

Das Gespräch lieferte auch internationale Schlagzeilen, wurde doch über eine dänisch-deutsche Annäherung spekuliert, auch mit Vermutungen über einen möglichen deutsch-dänischen Nicht-Angriffspakt.  

„Während ausländische Blätter dem Besuch des dänischen Königs einen hochpolitischen Charakter beilegen möchten, wird dies von deutscher und dänischer Seite ausdrücklich dementiert“, so die „NZ“ und berichtete, dass das dänische Königspaar anschließend das frühere deutsche Kronprinzenpaar Wilhelm und Cecilie auf „Cäcilienhof“ bei Potsdam privat besucht hatte. 

I. P. Nielsen warnt Kronprinzen 

1937 nahmen Kronprinz Frederik und Kronprinzessin Ingrid an der von Reichsmarschall Hermann Göring veranstalteten internationalen Jagdausstellung anlässlich des 700-jährigen Stadtjubiläums von Berlin teil. Kronprinz Frederik war wie Göring selbst ein leidenschaftlicher Jäger, und nicht wenige seiner bekannten Jagdkameraden im Lande waren stark nationalsozialistisch eingestellt, darunter Graf Schimmelmann. 

Dass dies bereits manchen Dänen ein Dorn im Auge war, musste der Kronprinz eigentlich wissen, denn als das Kronprinzenpaar 1936 das Gravensteiner Schloss übernahm, hatte der mit Ingrid befreundete Sozialdemokrat I. P. Nielsen aus Dynt, wie aus dem Buch von Frode Sørensen unter dem Titel „Det røde Hjørne“ hervorgeht, folgende bissige Botschaft abgegeben:

„Die Restaurierung des Schlosses kostet eine Million Kronen und dann braucht man nicht noch Nazis mitzubringen. Von der Sorte habe man hier schon genug“, lautete die Warnung an den Kronprinzen, der für seine Teilnahme in Berlin auch mit Hitlers „Verdienstorden vom Deutschen Adler“ geehrt wurde. 

1938: Drittes Treffen vor großer Führer-Rede

Am 19. Februar 1938 fand das dritte Gespräch zwischen König Christian und Adolf Hitler in Berlin statt – in der dänischen Gesandtschaft, also zu einem höchst bemerkenswerten und nicht nur rückblickend unglücklichen Zeitpunkt. 

Auch über dieses Gespräch in der Gesandtschaft in der Alsenstrasse gibt es keine Aufzeichnung; nur von einer „Höflichkeitsvisite“ des diesmal in Parteiuniform erschienen Führers war nach einer 20-minütigen Unterredung offiziell die Rede. 

Erst zwei Tage später folgte in der Apenrader H.P. Hanssen-Zeitung „Hejmdal“ eine kurze Notiz unter der Überschrift: „Hitler besøgte Kong Christian.“ Am Tag danach meldete die „NZ“ unter Hinweis auf die dänische Presse, dass der Führer dem König in der Gesandtschaft einen Besuch abgestattet habe und damit den Besuch erwiderte, den der dänische König ihm im vorigen Jahr abstattete“.

Was hat den König da geritten, und welche (Hinter-)Gedanken mag Hitler gehabt haben – im Wissen der großen Führer-Rede, die für den nächsten Tag angekündigt und auch mit großer internationaler Spannung erwartet wurde?

Die „NZ“ schien die Bedeutung zu ahnen. Unter der Überschrift „Ganz Nordschleswig hört den Führer“ bittet die Zeitung „alle unsere Volksgenossen, dafür zu sorgen, dass die Führer-Rede auch in Nordschleswig weiteste Verbreitung findet“. 

„Der Führer sprach zum deutschen Volk und zur Welt“, titelte die NZ“ nach der Rede und hob dabei eine Führer-Passage besonders hervor: „Deutschland will die Deutschen jenseits der Grenzen beschützen.“ 

Gemeint war damit „der Schutz deutscher Volksgenossen jenseits der Grenzen, die gegen ihren Willen durch den Friedenstraktat von Versailles gehindert wurden, sich dem Reich anzuschliessen.“

Natürlich ein dankbarer Wink mit dem Zaunpfahl für die deutsche Volksgruppe, die seit 1920 den Friedensvertrag als Diktat des Unfriedens abgelehnt und deshalb eine neue Entscheidung gefordert hatte.

Für den mit dem Dänentum in Nordschleswig eng verbundenen, national-romantischen König wird die Grenze von 1920 in seinen Überlegungen eine wichtige Rolle gespielt haben, aber vielleicht hat er auch an das unter anderem von „Hejmdal“ verbreitete, aus Frankreich stammende Gerücht, gedacht, dass ein monarchistischer Putsch in Deutschland bevorstehe. Februar 1938, reichlich naiv? 

Hitlers Reichstagsrede am Tag danach 

Die Rede Hitlers mit der Führungsbotschaft an Volk und Welt (Macht und Zuversicht) und der wenige Wochen später erfolgte Anschluss Österreichs sowie Hitlers triumphaler Einzug in Wien verschärften auch den Ton in Nordschleswig, wie „Hejmdal“ mit dem Hinweis registrierte, Deutschland wolle nun die Minderheiten jenseits der eigenen Grenzen schützen. 

Auffallend war, wie die „NZ“ nun mehrfach über die Klagen der deutschen Minderheit in Polen und in der Tschechoslowakei berichtete. 

„Hejmdal“ fragte „Wer provoziert?“ und stellte fest, man lasse sich weder durch das deutsche Vorgehen südlich noch nördlich der Grenze provozieren. Es sein ein Fehler, wenn die Deutschen darauf spekulieren.

Gerüchte über eine angebliche „Adresse“ der deutschen Minderheit an Hitler mit der Forderung nach einer Grenzkorrektur dementierte Parteiführer Møller,  laut „Hejmdal“ hatte eine große Anzahl älterer deutsche Mitbürger ihre Unterschrift dazu verweigert.

Göring in Sonderburg mit Sieg-Heil-Rufen-empfangen

Die Spannung stieg, aber die dunklen Wolken am Himmel schienen deutsch-dänisch wie weggeflogen, als ein besonderer Gast Dänemark besuchte: Reichfeldmarschall Hermann Göring – diesmal zu Wasser. 

Göring war als Pilot während des Ersten Weltkrieges mehrfach ausgezeichnet worden, und nach Kriegsende ging er zunächst als Militärberater nach Schweden. Am 8. Mai 1919 war er die große Attraktion bei einer Flugveranstaltung auf „Kløvermarkens Flyveplads“ auf Amager mit seiner zebragestreiften Fokker-Maschine. 

Auch in Odense zeigte er anlässlich „Den Odenseanske Flygveuge“ 1919 seine als Jägerpilot erworbenen Künste. 

Im Juli 1938 wurde Göring in Dänemark wie ein Held empfangen, als er dänische Häfen anlief, mit seiner Luxusyacht „Carin II.“ – benannt nach seiner 1931 verstorbenen ersten Frau, der in Schweden lebenden Carin Göring, geb. Freiin Fock. 

In Begleitung von zwei Kriegsschiffen der Kriegsmarine legte er in Helsingør an, um dort die Hamlet-Festspiele und Kronborg zu besuchen. Göring war jedoch schnell so „umlagert“. Abgestiegen im Hotel d'Angleterre beschwerte sich der hohe Gast, falls er nicht in Ruhe sein „Frokost“ essen könne, würde er sich einen anderen Ort aussuchen. 

Nach einer Autofahrt mit Besichtigung der Kopenhagener Sehenswürdigkeiten kehrte Göring am Langelinie-Kai wieder an Bord zurück. Einige deutsche Wandervögel hatten ihn, der von fünf Gestapo-Männern begleitet wurde, erkannt und riefen ihm „Sieg Heil“ zu.  

Das Schiff schien danach zunächst Kurs Falsterbro/Schweden anzusteuern, doch plötzlich änderte Göring die Richtung und tauchte in Æbeltoftvig auf. 

Die Presse berichtete, der Generalfeldmarschall habe im Kattegat gebadet. Anschließend lag die „Carin“ vor Æbeltoft, wo ihm unter anderem zwei große Packungen mit „Wienerbrød“ an Bord gebracht wurden. Am Tag danach berichtete die „NZ“: 

Menschenmenge am „Ende der Welt“

Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht in der Stadt verbreitet, dass die Yacht „Carin II.“ mit Ministerpräsident Göring an Bord durch den Sonderburger Hafen kommen würde. 

Bei „Verdens Ende“, wo die beiden Wagen des Generalfeldmarschall geparkt waren, hatten sich nach und nach viele Menschen eingefunden.“

Kurz nach 7 Uhr wurden Görings Yacht und die Begleitschiffe der Marine vor der Ruderbrücke aus gesichtet. Auf dem hinteren Deck konnte man die imposante Gestalt des Generalfeldmarschalls in weißer Uniform erkennen. Da es die Abfahrtzeit des Zuges war, öffnete sich die Sonderburger Klappbrücke nicht, also musste der Mast heruntergenommen werden, um unter dem Brückenbogen hindurchzufahren – zur Anlegerbrücke vor dem Dampfschiffspavillon. 

In kurzer Zeit war – so die „NZ“ – eine unübersehbare Menschenmenge zusammengeströmt, die dicht gedrängt mit „Sieg Heil“-Rufen den Ministerpräsidenten begrüßte. 

Vor dem Anlegen wurde Göring auch von einem Boot des deutschen Rudervereins Germania mit einem „Sieg Heil“ begrüßt. Leicht angelehnt an Deck und Zigarre rauchend erwiderte er mit leichtem Winken die Grüße von Land.

NZ-Redakteur grüßt Göring im Namen der Volksgruppe 

Während die braungebrannte Gestalt des Feldmarschalls mit einem Polizeioffizier über Weisungen für die Weiterfahrt sprach, nutzte –  laut „NZ“– „unser Sonderburger Vertreter Roth, diesen Augenblick, um an Bord der „Carin II.“ zu steigen, und dem Generalfeldmarschall kurz die Grüsse der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig zu übermitteln. Göring dankte sichtlich erfreut für den Gruss und bat, indem er unserem Vertreter zum Abschied die Hand reichte, die Volksgenossen in Nordschleswig zu grüssen.“ 

„Hejmdal“ meldete angesichts zu geringer Polizeikräfte sogar den Anlauf einer deutschen Demonstration für „unser Hermann“. Allerdings, während draußen „Sieg Heil“ gerufen wurde, saßen deutsche Stadtratsmitglieder im Pavillon-Restaurant und bestellten laut Hejmdal „noch ein Glas Bier!“.

Einige Frauen riefen „Bleibe doch bei uns, bleibe doch bei uns“, Göring antwortete jedoch mit einem liebenswerteren Lächeln: „Habe diesmal keine Zeit.“ 

„Hejmdal“: Redakteur Roth musste von Bord springen

Den Auftritt von „NZ“-Redakteur Christian Roth schilderte „Hejmdal“ wahrlich etwas anders als die  „NZ“. 

„Roth schlug militärisch die Hacken zusammen und präsentierte sich auf nationalsozialistische Art, indem er Göring ein maschinengeschriebenes Papier (A-4) mit einem Gruss der deutschen Minderheit überreichte ‚an den treuen Mitarbeiter des Führers‘. Kurz darauf gab Göring den Befehl Leinen los und dadurch entstand die etwas seltsame (Red.: „lidt pudsige) Situation, dass der deutsche Redakteur noch an Bord war, als das Schiff auszulaufen begann, deshalb musste Roth plötzlich mit einem Sprung über das Bollwerk von Bord kommen, was Göring mit einem Lächeln beobachtete.“ 

Nun ging es Richtung Wennigbund (Wemmingbund) mit Blick auf die Düppeler Schanzen. 

„NZ“:  „Ein herrlicher Abend, spiegelglatt dehnte sich die klar blaue Fläche der Ostsee aus. Unter diesen Umständen konnte man für die Yacht Görings keinen schöneren und ungestörten Ankerplatz finden als im Wemmingbund.“ 

Sie ankerte unweit des Strandes – in einiger Entfernung davon ebenfalls das begleitende Minenräumboot der Marine. Paddelboote und Ruderboote näherten sich der „Carin II.“, zuletzt auch noch ein Fischermotorboot. Eine Frau wollte dem Ministerpräsidenten einen Blumenstrauß zuwerfen, der aber leider zu kurz geworfen wurde und ins Wasser fiel. Sie wurde aber dadurch entschädigt, dass ihr Göring dankend zuwinkte.“ 

Die „NZ“ schloss ihren Bericht: „Für alle diejenigen, die den Generalfeldmarschall so unerwartet aus nächster Nähe sehen durften, wurde dies zu einem Erlebnis, das sie nicht leicht wieder vergessen werden. Man sah Leute spontan in Heilrufe ausbrechen, denen man vorher Sympathien für die führenden Männer des Dritten Reiches nicht angemerkt hatte. Wir verstehen durchaus eine solche Wandlung, weil von der Persönlichkeit Göring etwas Vertrauenserweckendes, Sympathisches und Starkes ausgeht, das sich unwillkürlich überträgt. Wir Deutschen in Nordschleswig sind stolz und glücklich darüber, dass wir jenen Mann hier in unserer Heimat haben begrüssen dürfen, der einen so hervorragenden Anteil hat am Wiederaufbau unseres Vaterlandes.“ 

Dänische Orden für deutsche Vertreter

Am nächsten Morgen verließ Göring dänische Gewässer. Dass sein Besuch sogar von höchster Stelle begrüßt wurde, zeigt, die Tatsache, dass der dänische König ihm schon wenige Tage nach seiner Rückkehr in Berlin das Großkreuz des Dannebrogordens mit Diamanten verliehen ließ – für den Elefantenorden kam er nicht in Betracht, da dieser höchste dänische Orden nur an Staatsoberhäupter verliehen wurde. 

Kramer dokumentiert, dass in den 30er Jahren insgesamt nicht weniger als 50 bis 60 führende deutsche Vertreter – und keineswegs nur Nationalsozialisten – durch den König hohe dänische Orden erhalten haben. 

Diese dänische „Goodwill-Politik“ gegenüber dem Dritten Reich schien sich aber zunächst auszuzahlen. Das Münchner Abkommen im September 1938 zwischen Hitler und dem britischen Premier Chamberlain („Peace in our time“) wurde im neutralen Dänemark als Indiz für eine stabile Zukunft gewertet. 

Auch Hitlers Versicherung vor der Welt-Öffentlichkeit, die Einverleibung des Sudetenlandes mit den Sudentendeutschen sei „die letzte territoriale Forderung Deutschlands“, wurde in Dänemark mit besonderer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen; gerade im Hinblick auf Nordschleswig.

Nicht­-Angriffs-­Pakt ein Verdienst des Königs?

Die Meldung vom 31. Mai 1939 über einen deutsch-dänischen Angriffspakt entsprach durchaus dänischen Wunschvorstellungen; er war in Berlin von Reichsaußenminister von Ribbentrop und dem dänischen Gesandten Zahle unterzeichnet worden. Es handelte sich dabei um ein deutsches „Friedensangebot“ an die drei nordischen Länder, doch im Gegensatz zu Dänemark lehnten Schweden und Norwegen ab. 

Mit großer Mehrheit (115:3) wurde der Pakt 24 Stunden später im Folketing beschlossen, nur die drei Kommunisten stimmten dagegen. Außenminister Dr. Munch (Radikale Venstre) legte Wert auf die Feststellung, dass Dänemark in dem Vertrag von Deutschland die Zusage erhalten habe, im Falle eines Krieges zwischen Deutschland und „einer anderen Macht neutral zu bleiben“. 

Innenpolitisch – nicht zuletzt aber handelspolitisch wegen der volkswirtschaftlichen Export-Bedeutung Englands – war für die Regierung vor allem das von Deutschland akzeptierte Zusatzprotokoll wichtig, wonach der (dänische) Warenaustausch (bei einem deutschen Konflikt) mit einer „dritten Macht“ fortgesetzt werden könne und nicht als Verstoß gegen die zugesagte dänische Neutralität zu werten sei. 

Jens Möller stimmt mit Ja und warnt vor dänischem Gift

„Die Schleswigsche Partei gibt dem Vorschlag zum Reichstagsbeschluss über den Abschluss eines deutsch-dänischen Nichtangriffspaktes ihre Zustimmung“, erklärte der Folketingsabgeordnete der deutschen Minderheit, Dr. Jens Möller, „der darin einen weiteren Beitrag zur besseren Verständigung zwischen den beiden verwandten Nachbarvölkern“ sah.  

Er hoffe, dass der Abschluss dieses Vertrages eine Entspannung im Grenzland mit sich führen werde, so Möller, äußerte jedoch gleichzeitig kritische Töne. Nach seinen Worten trage „durch die unverantwortliche Haltung eines gewissen Teils der dänischen Presse mit ihren tendenziösen, verlogenen und ehrabschneidenden Berichten und Äusserungen dazu bei, eine feindliche Einstellung gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland aufrechtzuerhalten“.   So entstehe „unnötig verheerendes Gift im Grenzland“, warnte Möller.

Hitler verspricht Dänemark: Keine Revision 

„Letzte Zweifel“ an Hitlers Motiven schienen jedoch ausgeräumt, als Hitler im Oktober 1939 in einer Reichstagsrede erklärte: 

„Deutschland hat Dänemark gegenüber keine Konsequenzen aus der im Versailler Vertrag vorgenommenen Abtrennung des deutschen Gebietes gezogen, sondern im Gegenteil, mit Dänemark ein loyales und freundschaftliches Verhältnis hergestellt.  Wir haben keinerlei Forderung auf Revision erhoben, sondern mit Dänemark einen Nichtangriffspakt abgeschlossen. 

Das Verhältnis zu diesem Staat ist damit auf eine unabänderliche, loyale und freundschaftliche Zusammenarbeit gerichtet.“ 

Hatte also die (oft/zu oft?) private Außenpolitik von König Christian X. gesiegt, hatte sich die dänische Annäherung durch zahlreiche Nazi-Kontakte, die sich keineswegs nur auf das Königshaus und die Besuche des Kronprinzenpaares in Bayreuth beschränkten, sondern auch die Wirtschaft und Kultur auf höchstem Niveau umfassten, nun doch Gewinn gebracht? 

Die strategische Anpassung Dänemarks an die im Nationalsozialismus stärker werdende deutsche Großmacht sei ein angemessener und richtiger Kurs von König und Regierung gewesen, so verteidigen anerkannte Historiker rückblickend die damals zu große Nähe des Königshauses zu den Führenden im Dritten Reich, deren Ziel es allein gewesen sein soll, Dänemark vor nationalem Unheil bewahren sollte.

König in Hauptrolle: Das böse Erwachen am 9. April

Aber es gab ein böses Erwachen: am 9. April 1940 überfiel Hitler-Deutschland trotz des Nicht-Angriffspakts das neutrale Dänemark. Just in den Stunden des Einmarsches spielte König Christian X. eine ganz entscheidende Rolle: Der Monarch war seit der Osterkrise 1920 zwar parlamentarisch in seiner Macht begrenzt worden, die Politik hatte seitdem das Primat, doch in den Stunden des 9. April nahm der König wieder eine zentrale Position ein und gab damit auch im Kreise seiner Regierung die politische Richtung an.   

Im Gegensatz zu seinem Glücksburger Bruder Carl, der als Norwegens König Haakon VII. beim deutschen Angriff („Weserübung“) selbst den Widerstand organisierte und anschließend nach England floh, blieb Christian auf Amalienborg, obwohl für ihn ein Fluchtplan zur nordseeländischen Kaserne Høvelte bereitlag. 

Als der deutsche Oberkommandierende, Generalmajor Himer, in den Morgenstunden des 9. April nach der sogenannten „friedlichen Besetzung“, die Dänemark nur „unter Protest“ angenommen hatte, sich auf Schloss Amalienborg einfand, war er überrascht, dort König Christian anzutreffen. 

Aus dem Tagebuch von Generalmajor Himer geht hervor: Um die Stellungnahme des Königs kennenzulernen und etwaige Versuche, das Land zu verlassen, zu verhindern, ersuchte Himer (der sich bereits seit dem 7. April in Zivil in Kopenhagen aufgehalten hatte) in den Morgenstunden um eine Audienz beim König. Der sei nach seinen Angaben „innerlich sehr erregt“ und habe „am ganzen Körper gezittert“. 

Zum Abschluss der halbstündigen Audienz wandte sich Christian X. als alter Offizier mit folgenden Worten an Himer: „Und nun Herr General, darf ich Ihnen als alter Soldat folgendes noch sagen: Das habt Ihr fabelhaft gemacht, das war grossartig, das muss man als Soldat schon sagen.“ 

Für den dänisch-schleswigschen König spielte zweifelsohne der Text des als Memorandum gekleideten deutschen Ultimatums vom 9. April eine ausschlaggebende Rolle. Deutschland hatte darin versichert, „Dänemark nicht in feindlicher Gesinnung zu betreten“. 

Noch wichtiger für ihn lautete jedoch der Schlusssatz: „Reichsregierung erklärt ..., dass Deutschland nicht die Absicht hat, durch ihre Massnahmen die territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit des Königsreichs jetzt oder in Zukunft anzutasten“. 

Die Toten von Hadersleben: Auch zwei Mitglieder der Minderheit

„Sønderjylland“ stand auf dem Spiel – sogar militärisch, denn in den ersten Stunden des deutschen Einmarsches kämpften dänische Soldaten an manchen Stellen in Nordschleswig aussichtslos gegen die deutsche Übermacht, sogar zu einem Zeitpunkt, da Dänemark offiziell bereits kapituliert hatte. 

Beispiel Hadersleben: die „NZ“ wusste zu berichten, dass deutsche Volksgenossen den deutschen Soldaten einen „begeisterten Empfang“ bereiteten. 

Hier starben bei Kämpfen vier dänische Soldaten, übrigens wurden – laut „NZ“ – durch eine „fehlgehende Kugel“ auch zwei Angehörige der deutschen Minderheit als Zivilisten am Rande der Kämpfe tödlich verletzt.

Insgesamt starben 16 dänische Soldaten am 9. April. Davon elf in Nordschleswig, tragisch auch jene drei Grenzgendarmen, die noch vor dem Grenzübertritt in den frühen Morgenstunden von der Gestapo am Pattburger Viadukt ermordet wurden. 

Im Zusammenhang mit den Kämpfen wurde später bekannt, dass der König offenbar im Kreise seiner Regierung die Frage gestellt habe, ob Dänemark mit einer Viertelstunde Widerstand symbolisch genügend Gegenwehr geleistet habe. 

Dass junge Dänen in Nordschleswig – also unnötig – ihr Leben gaben, sorgte auch beim königstreuen Sozialdemokraten I. P. Nielsen aus Sonderburg für spürbare Verbitterung. Nielsen war zwar „stolz“ auf die nordschleswigschen Kämpfer, doch richtete er zugleich an den zuständigen Generalleutnant W.W. Prior die kritische Frage, warum denn in Kopenhagen kein ähnlicher Widerstand geleistet wurde. Eine Frage, die auch nach der Befreiung am 5. Mai 1945 wiederholt wurde und heftig umstritten war.  

Dass König Christian X. mit seinem Volk fühlte, die deutsche Besatzung keineswegs als „Friedensbesetzung“ betrachtete und wahrlich auch persönlichen keine Sympathien für die Nazis hegte, ist überhaupt nicht zu bezweifeln – ebenso wie die militärische Aussichtslosigkeit eines deutsch-dänischen Krieges. 

Wie entschlossen Hitler gegenüber Dänemark und Norwegen war, zeigte ein Schreiben des Führers an den italienischen „Duce“, Mussolini, vom 4. Oktober 1940:

„Eine Besetzung Skandinaviens durch englisch-französische Streitkräfte wäre für Deutschland und seine weitere Kriegsführung sehr unangenehm gewesen. Es hätte dies jedenfalls viel Blut abgezogen von dem Schlachtfeld, auf dem allein die Entscheidung fallen kann und fallen wird.“ 

Trauriger Königs-Brief in den Händen der deutschen Abwehr 

Die gewaltsame deutsche Besatzung hatte den König und seine aus Mecklenburg stammende Königin Alexandrine auch menschlich schwer getroffen. 

Das geht aus einem Brief vom 13. September 1940 von König Christian hervor, der mit der Anschrift „Lieber alter Freund“ der deutschen Abwehr in die Hände gefallen ist.  

An wen der Brief gerichtet war und wie die deutsche Besatzungsmacht ihn abgefangen hat, ist bis heute ungeklärt. Der König schreibt selbst, „Konsul Jarding, der in Cannes ist, hat den Brief erhalten, da es leichter ist“. 

Bei meinen eigenen Recherchen stolperte ich im damaligen Archiv des Auswärtigen Amtes in Bonn über diesen unbekannten Brief, den ich dann zur Überprüfung an den damaligen königlichen Historiografen, Professor Tage Kaarsted, Odense, schickte. 

Nach seinen Worten habe er Königin Margrethe den Brief ihres Großvaters gezeigt, und sie soll ihm – also laut Kaarsted – geantwortet haben: „Was hat der Alte nun wieder angestellt?“ 

Die Prüfung durch Kaarsted ergab: der Brief ist authentisch, auch keine Fotokopie. Allerdings handelt es sich dabei um eine deutsche Übersetzung, da König Christian alle seine Briefe in „dänischer Sprache“ schrieb. 

Der Brief enthält einige handschriftliche Vermerke des damaligen deutschen Gesandten in Kopenhagen, Cecil von Renthe-Fink, also muss die deutsche Besatzungsmacht den Brief während seiner Zeit (1936 bis September 1942 in Dänemark) gekannt haben. Kaarsted vermutete, dass das Schreiben an Griechen-Prinz Georg – einen Neffen des dänischen Königs – geschickt wurde, der sich bis 1941 oft in Cannes aufhielt. 

Der Brief von König Christian X. – der Empfänger ist bis heute unbekannt. Foto: Archiv

Auszüge verraten den Seelenzustand des Königspaares 

Der Brief ist ein historisches Dokument, das die Haltung des Königs eindeutig belegt. Einige Passagen: 

„... hier ist es die deutsche Besatzung, die auf uns allen wie ein Albdruck lastet. 

... Ich bestimmte sofort den Ton gegenüber dem deutschen General, und mindestens einmal in der Woche spreche ich mit ihm, falls nicht öfter notwendig ist. Wenn auch die Gespräche für mich peinlich sind, so glaube ich doch, dass es gut ist, und ich habe die Genugtuung, dass mein Volk vollaus versteht. Das Schwierigste war, die Verhältnisse abzumildern. 

... Eine kritische Situation habe ich mit Ribbentrop, erlebt, der von uns den Abschluss einer Zoll- und Währungsunion mit Deutschland verlangte, die einen vollständigen Ruin für unsere selbstständigen Dispositionen bedeutet hätte. Glücklicherweise stellte sich die ganze Regierung hinter mich. 

... Ich folgte dem alten Sprichwort: man soll das Fell nicht kaufen, bevor der Bär erlegt ist. 

... Das Auftreten der Bevölkerung den Deutschen gegenüber ist würdig. Auf der Strasse werden sie als Luft betrachtet, was sie nicht schätzen. Sie tun alles, um sich populär zu machen, was die entgegengesetzte Wirkung hat. Die Deutschen verstehen unsere Mentalität nicht und allmählich haben sie es begriffen, dass ihre Anwesenheit hier nicht erwünscht ist. 

... Ich werde dadurch gestärkt, dass ich den englischen Rundfunk höre. 

... Uns ging es besser als dem armen Norwegen. 

... Adrini  ist mit eine grosse Stütze gewesen, trotzdem sie wie 1914 viel über die Ereignisse geweint hat. Pflichtschuldigst geht sie in den Luftschutzkeller und teilt Schokolade aus. Ich tat es nur beim ersten zweistündigen Fliegeralarm und jetzt lege ich mich von der rechten auf die linke Seite, wenn die Sirenen heulen, das ist meine Bereitschaft. 

(Anmerkung: „Adrini“ ist ein Scheibfehler im deutschen Text, da die Königin in der Familie nur  „Adini“ genannt wurde!)

„...Hier zu Hause sind wir alle gesund, seitdem wir uns zuletzt sahen, habe ich zwei Enkelkinder bekommen, die beide gut gedeihen. Noch viel mehr ist es mein Wunsch, dass die Deutschen abziehen. Die armen Leute sehnen sich nur nach Hause und nach ihren Angehörigen. Ich sagte neulich dem deutschen General, wir fühlten so, als hätten wir eine liebe Schwiegermutter im Hause, doch freuten wir uns auf den Tag, an dem sie abreist.“ 

Explosion durch fünf Worte im Telegramm 

Die offizielle deutsch-dänische Vertragspolitik vom 9. April – meistens eher Zusammenarbeits-Politik genannt – verlief zunächst ohne entscheidende Störungen zwischen Berlin und Kopenhagen, doch im September 1942 explodierte das Verhältnis durch fünf Worte des Königs.

Der Führer hatte Christian X. am 26. September zu seinem 72. Geburtstag ein Telegramm („Zum Geburtstag meine aufrichtigen Glückwünsche“) geschickt, die der König prompt wie folgt beantwortete: „Spreche meinen besten Dank aus.“

Kurz und knapp seinem Stil entsprechend genauso wie in den Vorjahren, doch niemand hatte den Monarchen offenbar darüber darüber informiert, dass sich der Führer bereits im Vorjahr über dieses knappe Antwortschreiben geärgert hatte. 

Hitler tobte angeblich und forderte nun ernste Konsequenzen für König und Königreich. Der Gesandte Renthe-Fink wurde aus Protest abberufen. Der dänische Geschäftsträger in Berlin bekam den Auftrag, den Staatssekretär im Außenministerium, Ernst von Weizsäcker, mündlich und wörtlich die „Missstimmung“ zwischen König und Reichskanzler zu erklären.   

Der König sei „tief bewegt“ und „begrüsst alle Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, die guten und freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Grossdeutschen Reich, an welches Dänemark sich auf so vielen Gebieten mit starken Banden geknüpft fühlt, zu fördern und zu festigen“, so der dänische Diplomat. 

Wegen einer schweren Krankheit und hohen Alters war es dem König nicht möglich, dem Führer einen Besuch abzustatten, aber Christian X. bot an, dass Kronprinz Frederik nach Berlin reisen könne, um vom Reichskanzler empfangen zu werden. 

„Um im Namen des Königs die unveränderliche freundschaftliche Einstellung gegenüber dem Großdeutschen Reich und seinem Oberhaupt, die der König in angenehmer Erinnerung früherer persönlicher Besuche bei dem Herrn Reichskanzler stets gehabt hat, zum Ausdruck zu bringen“, lautete die dänische Stellungnahme, die von Weizsäcker kühl quittiert: „Ich habe zu dieser Erklärung keinerlei Stellung genommen.“ 

Adolf Hitler reagierte empört auf den kurzen Dank von Christian X. Foto: Archiv

Führer verärgert: Kein dänisches Angebot für Nordschleswig 

Hitler ließ sich dadurch aber nicht beruhigen, im Gegenteil.  Am 26. September empfing er den General Hermann von Hanneken, den er zum neuen Wehrmacht-Oberbefehlshaber für Dänemark berief. Dänemark sei nun nicht mehr befreundetes Land, sondern Feindesland, so der Führer. 

Im August 1949, als er vorübergehend im Apenrader Arrest gefangen saß, berichtete von Hanneken, dass Hitler sich bei dem Gespräch auch darüber beschwert hatte, „dass Dänemark ihm kein Angebot für das geraubte Nordschleswig gemacht habe“. 

Zwar wünschte Hitler keine Grenzänderung, doch dies wäre eine Geste der Dänen gewesen, deren Volk, Regierung und König nach seiner Meinung deutliche Sympathien für England zeigten. 

Hitler: Am nächsten Laternenpfahl aufgehängt

Der Gesandte Werner von Grundherr verfasste eine Aufzeichnung über die Unterredung zwischen Hitler und von Hanneken am 1. Oktober und notierte u.a., „Hitler habe die Erklärungen vom 9. April 1940 nun als hinfällig bezeichnet“. 

„Jetzt müssten sie verschwinden. Für die Zukunft sei es unmöglich, dass sich in einem unter deutscher Führung neu geordneten Europa ein Staatsgebilde mit demokratischer Regierung und einem Königshaus halte, das bis jetzt nicht als schlechten Willen gezeigt habe“, so Hitler, der den Besitz Dänemarks wegen Norwegen „als unerlässlich“ bezeichnete, sodass „Dänemark eine deutsche Provinz werden müsse“.  

„Dass es soweit gekommen sei, daran trügen die Dänen mit ihrem König und ihrer Regierung selbst Schuld. Der König habe aus seiner Hinwendung an Schweden und England nie ein Hehl gemacht. Das Königshaus und die jetzige Regierungsform seien überhaupt für die ganze Entwicklung störend und deshalb sei es letztes Ende sein Wille, beides zu beseitigen.“ 

Hitler kündigte die Entsendung eines „Nationalsozialisten mit harter Faust“ für Dänemark an, sprach sich für die Bildung einer Marionettenregierung mit nationalsozialistischer Beteiligung in Dänemark aus und fügte – laut Grundherr  – hinzu: 

„Der Chef dieser Regierung müsse sich stets dessen bewusst sein, dass er bei einem etwaigen Abmarsch der deutschen Truppen am nächsten Laternenpfahl aufgehängt wird.“ Abschließend habe Hitler allerdings erklärt, dass „ihm eine Abdankung des Königs zur Zeit nicht gelegen kommen würde“. 

Königshaus in Gefahr: Schwerer Reit-Unfall des Königs 

Am 2. November reiste Außenminister Erik Scavenius zur Schadensbegrenzung nach Berlin, wo ihm Reichsaußenminister von Ribbentrop mitteilte, dass Dr. Werner Best als Reichsbevollmächtigter den bisherigen Gesandten Renthe-Fink ablösen würde.  

Als Best am 5. November 1942 in Kopenhagen eintraf, hatte sich die Situation im Königreich jedoch noch dramatischer zugespitzt, denn bei einem Reitunfall am 19. Oktober 1942 hatte sich der König so lebensgefährlich verletzt, dass er am 27. Oktober am Krankenbett Kronprinz Frederik schriftlich die Vollmacht gab, vorübergehend die königlichen Amtsgeschäfte zu übernehmen. 

In Dänemark gab es ernsthafte Befürchtungen, dass die deutsche Besatzungsmacht nun „norwegische Verhältnisse“ einführen würde, aber wie gefährlich die Lage wirklich war, wurde erst nach dem Krieg bekannt:

In Berlin war am 25. Oktober eine Notiz „über die dänische Frage“ ausgearbeitet worden, über die Abdankung des Königs, ja, sogar über eine Abschaffung des Königshauses konkret nachgedacht. 

Anstoß dazu gab eine gegenüber dem Reichsaußenminister eine Äußerung Hitlers, der nach dem Unfall von König Christian X. nun das dänische Königshaus ausgeschaltet sehen wollte. 

Dass das Auswärtige Amt dennoch die dänische Krone und ihre Fortsetzung auch im Falle eines Ablebens von König Christian X. in Berlin durchgesetzt hat, wurde vor allem mit dem AA-Argument begründet, dass in Dänemark beim Tode des Monarchen automatisch der Thronwechsel erfolgen würde, wenn der Kronprinz schon vorab das Grundgesetz unterschrieben hat. 

„Ob der jetzige Kronprinz dies getan hat, was z. B. während der Reise des Königs 1935 nach Island geschehen sein könnte, lässt sich im Augenblick nicht feststellen. Sollte dies der Fall, sein, so würde sich verfassungs-rechtlich sein Regierungsantritt mit dem Ableben seines Vaters automatisch vollziehen“, hieß es in der Notiz zur dänischen Frage, die wie folgt abschloss: 

„Auch wenn der jetzige König am Leben bleiben sollte, wird es notwendig sein, gleichzeitig mit der Ernennung des neuen Reichsbevollmächtigten den neuen Kurs durch bestimmte Forderungen an die Dänen einzuleiten.“

Mecklenburger Herzog-Problem als Adjutant  

Das Ergebnis: neuer Staatsminister wurde der bisherige Außenminister Erik Scavenius, und gleichzeitig gelang es Best, eine Aufnahme von dänischen Nationalsozialisten in die Regierung zu verhindern, was auch das Ende des dänischen Nazi-Führers Fritz Clausen aus Baurup einleitete.

In Berlin hatte Best vor seiner Abreise noch von Hitler die Weisung erhalten, künftig jeden Kontakt mit dem dänischen König zu vermeiden. Best fand jedoch einen Umweg, der für das Königshaus nicht unproblematisch war. 

Nach der Besetzung Dänemarks war der älteste Sohn von Erbherzog Franz Friedrich IV. aus Mecklenburg-Schwerin, Herzog Franz Friedrich, in Dänemark als Legationssekretär für den Gesandten Renthe-Fink tätig. Als Folge der Telegrammkrise sollte er versetzt werden. 

Doch Best lehnte seine Versetzung ab und bestellte ihn stattdessen zu seinem persönlichen Referenten (Adjutanten), mit dem besonderen Auftrag, als Neffe von Königin Alexandrine dem Könighaus mitzuteilen, „der neue Reichsbevollmächtigte sei bemüht, bald möglichst ein normales Verhältnis zum König wieder herzustellen“. 

Best beschwerte sich nach eigenen Worten mit einem „Trommelfeuer“ Richtung Berlin darüber, dass auch seine Verhandlungen mit Staatsminister Scavenius durch den fehlenden Kontakt zum König erschwert würden, und erstaunlicherweise erhielt er schon im Januar 1943 die Erlaubnis, wieder die Verbindung zum Königshaus aufzunehmen.

In seinem Tagebuchkalender findet sich am 14. August 1943 die Notiz: „Bespr. Mit König Christian X.  „Sorgenfri“, Lyngby.“ 

Der Kalender-Eintrag von Dr. Werner Best Foto: Archiv

König-Protest nachts per Bote an Dr. Best

Am 29. August 1943 trat jedoch die dänische Regierung Scavenius de facto zurück – aus Protest gegen Forderungen der Besatzungsmacht, die nach schweren und auch blutigen Unruhen den militärischen Ausnahmezustand in Dänemark ausrief: mit bitteren Konsequenzen für das Land, nicht zuletzt am 2. Oktober 1943 mit dem Befehl zur Deportation der dänischen Juden. 

Best berichtete in meinem Buch „Dänemark in Hitlers Hand“, dass er in seiner Zeit in Dänemark (von November 1942 bis 5. Mai 1945) nur ein einziges Schreiben vom König erhalten habe, von einem Boten just in der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober 1943. 

Obwohl sich der König durch den militärischen Ausnahmezustand als ausgeschaltet sah, versuchte er die Juden-Deportation zu verhindern, die – so Best „ihm durch meine Warnung an Duckwitz bekannt geworden war“. 

Schon früher hatte der König erklärt, dass er – wenn in Dänemark der Judenstern eingeführt wird – selbst einen tragen wolle. 

Das mag auf ein Gerücht zurückzuführen sein, das im Januar 1942 von der „Chicago Daily News“ verbreitet wurde, nämlich, dass der König bei Forderung auf Einführung antisemitischer Gesetzgebung mit seiner Abdankung gedroht habe, ein Gerücht, das Außenminister Scavenius in einem Gespräch mit dem deutschen Gesandten Renthe-Fink am 6. Januar 1942 als „völlig aus der Luft gegriffen“ dementiert hatte. 

Tatsächlich ist das Schreiben von Christian X. an Dr. Best vom 1. Oktober ein höchst beachtliches Dokument, das dem König zur Ehre gereicht.

Christian schrieb, „ihm sei daran gelegen, nachdem ich mit einem Vernehmen bekannt gemacht worden bin nach, dass deutsche Schritte gegen die Juden in Dänemark unternommen werden sollen, „Ihnen gegenüber hervorzuheben, dass Sondermassnahmen hinsichtlich einer Gruppe von Menschen, die seit mehr als 100 Jahren die vollen bürgerlichen Rechte in Dänemark geniessen, die schwersten Folgen haben können“. 

Dass der König sich so mutig für seine jüdischen Landsleute eingesetzt hat, führte zweifelsohne auch zu seinem Helden-Mythos nach 1945 – jedenfalls im Ausland, wo noch heute oft genug berichtet wird, dass der dänische König selbst in Kopenhagen den Juden-Stern getragen hat, Meldungen, die auch Königin Margrethe als falsch dementiert hat. 

Am Tag der Befreiung Dänemarks am 5. Mai 1945 wurde König Christian von seinem Volk als Held des nationalen Widerstands gegen die deutsche Besatzungsmacht gefeiert. Der Reiter-König saß sozusagen wieder fest im Sattel, und das Volk konnte sich an ihm festhalten. 

Kritik gab es hingegen an den Politikern der sogenannten Zusammenarbeits-Politik, die sogar als unnational verdächtigt wurden. Vergessen wurde hingegen im rot-weißen Jubel, dass auch der König Mitverantwortung trug für jene Politik, die nach dem 9. April von seiner Regierung gegenüber Berlin geführt wurde. 

Der König und die weiche Diplomatie 

Peter Kramer hat mit seinem Buch etwas an dem royalen Glanzbild gekratzt, was ihm in vielen Rezensionen von Historikern sehr übel genommen worden ist.

„Ridser i lakken“ hat gewiss seine Schwächen, aber Fragen zu stellen, was seine Majestät vor dem 9. April 1940 getan hat, ist doch berechtigt und keine Majestätsbeleidigung. 

Lassen sich die Alleingänge des Königs in Berlin nur mit dem Begriff „soft diplomacy“ (weiche Diplomatie) oder der notwendigen Anpassung an den deutschen Nachbarn vor allem wegen Nordschleswig erklären? Wahrlich nicht alles, auch wenn es verständlich war, dass die Dänen nach 1945 eine nationale Sammlungsfigur benötigten, die nicht – wie manche Politiker – zusätzliche Spaltung ins Land brachten, sondern Einheit/Sammlung signalisierte.  

Deshalb wurde keine Frage gestellt wie von Peter Kramer 2024. Die (politische) Rolle des Königs wurde bewusst ausgeklammert, besonders im parlamentarischen Abschlussbericht 1953 im Folketing über die dänische Politik während der Besatzungszeit.  

„Rex Martyr“ und offene Fragen 

Der deutsche Reichsbevollmächtigte Werner Best widmete in Kopenhagener Untersuchungshaft ein Gedicht für König Christian anlässlich seines 75. Geburtstages am 26. September 1946. Es trug die Überschrift „Rex Martyr“. Der König als Märtyrer? 

Christian X. starb am 20. April 1947, und sein Sarg wurde sogar mit der Armbinde des dänischen Widerstands geschmückt. Er nahm viele Fragen mit ins Grab, auf die eventuell Antworten gefunden werden können, wenn das streng gehütete Privatarchiv des Königs mit seinen Tagebüchern – jedenfalls teilweise – freigegeben wird.

Kommentar von Königin Margrethe

Höchst ungewöhnlich hat sich Königin Margrethe jetzt in einem Interview mit „Kristeligt Dagblad“  zu Wort gemeldet, was vermuten lässt, dass das Buch einen tiefen Stachel bei ihr persönlich hinterlassen hat, obwohl es – wie sie sagt – keine Sensationen enthält.

Sie verteidigt verständlicherweise ihre so geliebten Eltern gegen den Vorwurf einer zu nahen Nazi-Nähe. Ihr „Dementi“, König Frederik IX. und Königin Ingrid hätten nie, niemals Sympathien für die Nazis wie zum Beispiel Hermann Göring gezeigt, ist gar nicht zu bezweifeln, aber es bleiben dennoch gewichtige Fragen um die „Alleingänge“ ihres Großvaters in Berlin. 

Vor allem um seine politische Rolle vor 1940 und am 9. April, die auf jeden Fall unterschiedlich interpretierbar ist und nach dem Kramer-Buch einer historischen Klärung bedarf. 

 

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