Serie: Auf Arbeit mit...
Ein Tag im Leben eines Winzers
Ein Tag im Leben eines Winzers
Ein Tag im Leben eines Winzers
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In unserer Serie „Auf Arbeit mit …“ begleiten wir Menschen in ihrem Berufsalltag. In dieser Folge geben Frede Thaysen und Christian Damm einen Einblick in die Aufgaben eines Winzers. Wir haben sie in der Winzerei Klemhest besucht.
Seit Wochen warte ich gespannt auf die Nachricht, dass sie losgeht – die Weinlese in Klemhest. Es ist Ende September und es kann jeden Tag so weit sein. Die Entscheidung fällt kurzfristig.
Einige Wochen schon haben Frede Thaysen und Christian Damm, die Eigentümer der Winzerei Klemhest, den Zuckergehalt ihrer Trauben genau im Blick. Regelmäßig gehen sie zu den Weinstöcken, um ihn zu messen – zuletzt täglich. An einem Vormittag Anfang Oktober ist es dann so weit. Frede schreibt mir, dass sie am Folgetag ernten wollen, insofern das Wetter mitspielt.
Einmal haben sie schon geerntet. Da habe es aber so schnell gehen müssen, dass sie es nicht geschafft hätten, mich zu informieren.
Der frühe Vogel
Um 10 Uhr biege ich auf den Feldweg ein, der zu dem Weingut Klemhest gehört. Zu meiner Rechten befinden sich die Weinreben. Über einige Weinstöcke sind Netze gespannt, andere sind von diesen bereits befreit. In der Luft kreist eine Vogelattrappe, die gefiederte Räuber vom Trauben-Stehlen abhalten soll – noch ist das Buffet für das Restessen nicht eröffnet. Später werde ich erfahren, dass insbesondere Stare große Trauben-Liebhaber sind.
Ich fahre langsam vorbei und erhasche einen Blick auf eine Handvoll beschäftigter Menschen, die sich zwischen den Weinstöcken bewegen. Um 9 Uhr haben sie mit der Ernte begonnen, so viel weiß ich von Frede. Auf dem schmalen Seitenstreifen zwischen Anbaufeld und Feldweg steht ein Anhänger, über den eine blaue Plane gespannt ist. Ich fahre den Weg hinauf zum Hof, stelle das Auto ab und mache sofort kehrt in die Richtung, aus der ich gerade gekommen bin.
Es nieselt etwas. Frede und Christian sind die Ersten, die ich sehe. Gerade lüften sie die Plane des Anhängers. Ich sehe gestapelte Kisten, alle bis zum Rand mit blauen Trauben gefüllt. „Heute ernten wir Regent. Davon sind leider einige sauer, die müssen wir aussortieren. Das ist ärgerlich“, sagt Frede. Regent ist eine blaue Traubensorte, aus welcher die beiden Roséwein herstellen. Dann transportieren die beiden den Anhänger zum Wohnhaus, wo die Weinpresse stattfindet.
Riechen und Schmecken
Ich folge den beiden erst einmal noch nicht, es gibt noch viele Weinbeeren, die geerntet werden wollen, und dieser Anhänger ist noch lange nicht die letzte Fuhre an diesem Tag. Stattdessen geselle ich mich zu Kirsten Hansen, Børge Petersen, Mona und Kurt Clausen, vier Freunde, die heute tatkräftig mithelfen. Für Kirsten ist es das erste Jahr der Weinlese, für Børge das zweite. Mona und Kurt sind schon seit einigen Jahren immer wieder dabei. In meiner Vorstellung erschien mir Weinlese immer als ein monotoner Prozess. Doch das, was ich hier beobachte, ist mehr als das bloße Abschneiden und Sammeln von reifen Früchten.
Kirsten erklärt mir genau, was zu tun ist: „Zuerst schneidet man eine Traube von Früchten ab und riecht daran. Stinkt die gesamte Traube nach Kompost, lassen wir sie fallen. Darüber freuen sich dann hoffentlich die Vögel. Manchmal ist es aber auch gar nicht nötig, die Trauben abzuschneiden, um herauszufinden, ob sie gut sind. Die lassen wir dann direkt hängen.“
Bestehen die Früchte die Geruchsprobe, folgt der nächste Schritt im Trauben-Tauglichkeitstest: Von jeder Traube wird eine Weinbeere probiert. Kirsten erläutert: „Wenn diese dann sauer ist, ist die ganze Traube nicht zu gebrauchen und landet ebenfalls auf dem Boden.“ Ausspucken würden sie die Trauben jedoch immer – egal ob süß oder sauer. „Sonst gibt’s Bauchschmerzen“, lacht Kirsten.
250 Liter am Tag
Ich gehe wieder hoch zum Haus. Frede, Christian und seine Frau Anne Mette Damm sind fleißig dabei, die frische Ernte zu verwerten. Hierfür wird die Kiste über einem großen Trichter entleert, der die groben Strunken von den Trauben trennt und die Früchte klein häckselt. Die unter dem Trichter gesammelte Masse wird dann in die Presse gegeben. Diese funktioniert so, dass ein in der Mitte befindlicher Ballon aus Gummi nach und nach mit Wasser gefüllt wird. Der Wasserdruck wird dabei händisch reguliert. Die Traubenmasse wird gegen die Wand der Presse gedrückt und der gesamte Saft aus den Trauben gepresst, aufgefangen und mithilfe einer Pumpe in einen Tank transportiert. Hier wird der gepresste Saft gesammelt. Bis zu 250 Liter erwarten die Winzer heute zu gewinnen.
Im Laufe des Tages schöpft Anne Mette immer wieder etwas Saft von der ein oder anderen Presse ab. Sie erklärt mir, dass dieser Menge später Hefe hinzugemischt wird. Dieses Gemisch kommt dann in den Weintank, um der Gärprozess zu beschleunigen. Dann steht der Wein vier Wochen, gärt und bekommt auch ansonsten noch all die Behandlungen, die er braucht.
Frede erzählt mir ein interessantes und wichtiges Detail: Der Deckel des Tanks senkt sich automatisch auf den Stand, bis zu dem er gefüllt ist, sodass keine Luft in ihm zurückbleibt. „Immervoll“ hieße der Tank deswegen, erzählt er schmunzelnd. Er spricht Deutsch und ist sich der Doppeldeutigkeit durchaus bewusst.
Eine Weinbeere wartet noch
In ein paar Tagen müssen sie noch ein mal an die Weinreben – zum letzten Mal in diesem Jahr. Die Rondo-Traube will noch geerntet werden. „Da werden nicht so viele saure Früchte dabei sein, das passiert eher bei den Regent-Trauben, die wir heute geerntet haben“, erklärt mir Frede. Aus den Rondo-Trauben keltern die beiden Rotwein.
„Aus dem Saft, den wir heute gewonnen haben, entsteht Rosé“, erklärt mir Christian. „Den werden wir wohl nächstes Jahr im Mai in Flaschen füllen können.“
Ich kenne jemanden, der sich auch diesen Prozess nicht entgehen lassen wird – mich.