Deutsche Minderheit

Von Renz in die weite Welt des Fußballs

Von Renz in die weite Welt des Fußballs

Von Renz in die weite Welt des Fußballs

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Flemming Rossen hat unzählige Spieler beobachtet und diversen Profivereinen empfohlen. Foto: dodo

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Flemming Rossen ist in den vergangenen 26 Jahren im Bereich Scouting für viele Fußball-Profivereine aus ganz Europa im Einsatz gewesen, um talentierte Spieler in Skandinavien zu finden. Dem „Nordschleswiger“ erzählte er bereits vor seinem Vortrag in der Akademie Sankelmark einige Anekdoten aus seinem ereignisreichen Leben.

Schnelligkeit, Körpersprache, mentale Stärke: Flemming Rossen weiß, worauf es ankommt, damit aus einem guten Fußballer ein Profi wird, der in den besten Ligen Europas bestehen kann. Der 51-Jährige ist seit 26 Jahren Scout – und hat in der Zeit für viele europäische Klubs seine Augen vor allem in Skandinavien aufgehalten, um junge und talentierte Fußballer zu finden.

Alles beginnt in Renz

Doch beginnen wir von vorn: Aus Renz (Rens) an der deutsch-dänischen Grenze stammend, zog es Flemming Rossen nach dem Abitur am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) 1993 nach Köln, um an der Sporthochschule zu studieren. Selbst fußballerisch aktiv, verdiente er sich neben dem Studium auch als Jugendtrainer beim 1. FC Köln etwas dazu. Als Übungsleiter der U10 und U11 trainierte er unter anderem die späteren Nationalspieler Lukas Podolski und Lukas Sinkiewicz. Noch während des Studiums lernte er seine heutige Frau Jenny kennen und zog 1997 mit ihr nach Stockholm, wo die beiden mit ihren drei Kindern seitdem leben. Hauptberuflich arbeitet Rossen als Briefträger, doch bereits kurze Zeit nach seinem Umzug bekommt er einen Anruf aus Deutschland. Sein ehemaliger Dozent an der Uni in Köln, Gerd Merheim, der auch Manager beim damaligen Bundesligisten MSV Duisburg ist, möchte Rossens Fußballsachverstand und sprachliche Fähigkeiten nutzen, um in Skandinavien talentierte Spieler für die Profimannschaft zu finden. 

Als Jugendtrainer war Rossen (stehend r.) unter anderem beim 1. FC Köln tätig. Foto: Privat

Der erste Job als Scout

Der Nordschleswiger willigt ein, und Duisburg ist nur die erste von vielen Stationen als Scout, die für Flemming Rossen in den kommenden Jahrzehnten folgen werden. Bayer Leverkusen, Alemannia Aachen, Grasshopper Zürich, Hannover 96 und Brighton & Hove Albion FC beauftragen den Nordschleswiger, sich in Skandinavien auf die Suche nach Verstärkung für ihre Profimannschaften zu machen. Zuletzt war er bis 2015 für Brighton aktiv. Seitdem steht an den Wochenenden die Familie im Fokus.

Bei Aachen (2004 bis 2007) und Hannover (2009 bis 2012) arbeitete Rossen unter Sportdirektor Jörg Schmadtke, der heute beim FC Liverpool tätig ist und der von der „Süddeutschen Zeitung“ einmal als „brummeliger Mieselaunebär“ bezeichnet wurde. Ein Ruf, den Rossen nicht versteht. „Ich habe ihn immer als fokussierten Menschen kennengelernt, der genau wusste, was er wollte und wie er etwas machen wollte. Ich habe nur positive Erinnerungen“, so Rossen, der sich an eine besondere Geschichte mit Schmadtke bei Hannover erinnert. „Ich wollte gerne Feedback haben, ob man bei Hannover mit meiner Arbeit zufrieden ist, und was der Sportchef von mir hält. Da mir der damalige Chefscout, darauf keine klare Antwort gegeben hat, bin ich einfach selbst zu Schmadtke ins Büro gegangen. Er war sichtlich überrascht, weil so etwas noch kein Scout vor mir gemacht hatte, aber meine direkte Art hat ihm, glaube ich, auch imponiert. Er war auf jeden Fall zufrieden mit mir“, so Rossen mit einem Grinsen.

Die Arbeit als Scout

Doch wie sieht die Arbeit eines Scouts überhaupt aus?

„Das Scouting hat sich über die Jahre natürlich sehr verändert. Damals war es meistens so, dass man von den Vereinen entweder beauftragt wurde, sich einen bestimmten Spieler anzuschauen, oder es wurde ein Spieler für eine bestimmte Position oder ein bestimmtes Profil gesucht. Ich habe mir diese Spieler dann zwei- bis dreimal live im Stadion angeschaut“, so Rossen.

Doch nicht nur die fußballerischen Qualitäten sind für den möglichen künftigen Verein wichtig: „Natürlich wollen die Vereine auch wissen, was der Spieler für einen Charakter hat. Ist er eher ein ruhiger Typ, der sich auf den Fußball konzentriert, oder geht er nach den Spielen oft feiern und legt viel Wert auf Luxus. Das sind alles Dinge, die am Ende in die Entscheidung mit einfließen, ob ein Spieler verpflichtet wird oder nicht.“

Detektivarbeit

An solche Informationen zu kommen, sei laut Rossen nicht immer leicht. Man müsse schon zu einem kleinen Detektiv werden und alle möglichen Kanäle anzapfen, die es gibt. Das sind neben Medien, dem Internet und Beratern vor allem auch ehemalige Mitspieler. „Oft kannte ich durch meine Zeit als Jugendtrainer noch Spieler, die mit dem beobachteten Spieler zusammen in einer Mannschaft waren, die konnten einem dann schon immer gute Hinweise geben, was derjenige für ein Typ ist.“

Flemming Rossen hat in seinem Leben als Scout viel erlebt. Foto: Privat

Über den Spieler, der unter Beobachtung stand, hat Rossen dann einen Bericht angefertigt und gegebenenfalls eine Empfehlung ausgesprochen, den Spieler zu verpflichten.

Wichtig beim Scouting sei es, schnell erkennen zu können, welche Spieler Potenzial haben und ins gesuchte Profil passen und welche nicht. Dabei sind vor allem Merkmale wie Körpersprache, Einsatz und Wille entscheidend, so der Experte.

Das große Talent in Norwegen

Auf einen Spieler, der neben all dem auch noch eine herausragende fußballerische Klasse mitbringt, wurde Rossen 2014 von seinem damaligen Arbeitgeber Brighton angesetzt. Er sollte in Norwegen beim Erstligisten Strømsgodset IF den damals 15-jährigen Martin Ødegaard beobachten. Rossen merkte schnell, dass der junge Norweger längst kein Geheimtipp mehr war. „Als ich im Stadion ankam, machte ich erst mal große Augen. Ich hatte damit gerechnet, dass auf der Tribüne – wie sonst auch – vielleicht drei oder vier Scouts sitzen. Doch ich irrte gewaltig. Die komplette Tribüne war voll, alle Sprachen der Welt waren zu hören – und alle waren nur wegen diesem einen Spieler da“, so Rossen. Und die Scouts mussten sich gedulden, denn Ødegaard wurde erst in der 72. Minute eingewechselt. Mit 15 Jahren und 151 Tagen feierte er an diesem Tag als jüngster Spieler der norwegischen Eliteserie sein Profidebüt. Er hatte also nur noch knapp 20 Minuten Zeit, die vielen Gäste auf der Tribüne von seinem Können zu überzeugen – doch diese reichten ihm. „Seine Bewegungen und sein Umgang mit dem Ball waren unglaublich. Allen war sofort klar, dass er eine große Zukunft vor sich haben wird“, so Rossen, der direkt Kontakt zum Vater von Ødegaard aufnahm, um diesen davon zu überzeugen, dass sein Sohn nach England zu Brighton kommen sollte. „Der Vater fragte mich, ob mir schon klar sei, dass jeder Verein der Welt seinen Sohn haben möchte und warum er ausgerechnet zu Brighton kommen sollte. Ich versuchte ihn davon zu überzeugen, dass er bei uns die beste Möglichkeit hätte, sich zu entwickeln, weil er gute Chancen auf Spielzeit hätte“, erzählt der Nordschleswiger.

Als ich anfing, saß ich häufig mit ehemaligen Nationalspielern auf der Scouting-Tribüne, die manchmal gar nicht wussten, wo sie waren, geschweige denn, wen sie beobachten sollten.

Flemming Rossen

Doch alle Überzeugungsarbeit half nichts. Ødegaard entschied sich gegen Brighton. Wenige Monate später wechselte er nach Spanien zu Real Madrid. Nach diversen Leihen in den vergangenen Jahren ist der 25-Jährige mittlerweile Kapitän des FC Arsenal und der norwegischen Nationalmannschaft.

Der Job hat sich verändert

Die Zeit bei Brighton zeigte Flemming Rossen aber auch, wie sich das Scouting über die Jahre verändert hatte. „Es wurde immer mehr auf Videoanalyse gesetzt. Zum Schluss bestand mein Job darin, mir jede Woche vier bis fünf Aufzeichnungen von Spielen aus allen Ligen der Welt anzusehen, um bestimmte Spieler einzuschätzen. Es ist alles viel professioneller geworden. Als ich anfing, saß ich häufig mit ehemaligen Nationalspielern auf der Scouting-Tribüne, die manchmal gar nicht wussten, wo sie waren, geschweige denn, wen sie beobachten sollten. Das war schon skurril“, so Rossen.

Wie weit dieser Trend seit seinem Ende bei Brighton 2015 fortgeschritten ist, hat er erst diesen Sommer erfahren. „Da die Kinder nun schon etwas größer sind und ich sie auch nicht mehr trainiere, habe ich wieder etwas mehr Zeit und habe mich umgehört, ob vielleicht im Scouting wieder was möglich ist. Es gab auch erste Gespräche. Am Ende hat sich der Verein aber für einen jungen Video-Scout entschieden, der in England sitzt und von dort aus Spiele in Skandinavien beobachtet“, so Flemming Rossen. Dennoch ist er zuversichtlich, in Zukunft sein Fußballfachwissen auch im Bereich Scouting wieder einbringen zu können.

Eine neue Leidenschaft

Dringende Not, irgendwo unterzukommen, verspürt der 51-Jährige aktuell allerdings nicht. Seit drei Jahren hat er nämlich eine neue Leidenschaft für sich entdeckt: die Ahnenforschung. Vor allem der Bereich deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg aus der deutschen Minderheit ist für ihn interessant. Es begann damit, dass er mehr darüber herausfinden wollte, wer aus der eigenen Familie im Zweiten Weltkrieg wo und wie gekämpft hatte. Schnell erweiterte sich sein Kreis auf Freunde und Bekannte und wurde anschließend immer größer. „Ich habe heute über 2.300 Namen und Hintergründe von Minderheitenangehörigen, die im Zweiten Weltkrieg aktiv waren. Ich wette, viele der heutigen Minderheitlerinnen und Minderheitler wissen gar nicht, was ihre Vorfahren gemacht haben und wo und wie sie aktiv waren. Es ist ein sehr spannendes Feld, über das es noch viel herauszufinden gibt“, so Rossen, der zahlreiche Archive sowohl online als auch physisch durchwühlt hat, um Namen herauszufinden. Auch irgendwann einmal ein Buch über seine Nachforschungen zu schreiben, kann er sich vorstellen.

Wer mehr über Flemming Rossen und sein Leben als Scout erfahren möchte, hat am Freitag die Möglichkeit. Um 11.30 Uhr hält er auf der Neujahrstagung des Bundes Deutscher Nordschleswiger in der Akademie Sankelmark einen Vortrag.

Mehr lesen

Kommentar

Jakob Münz
Jakob Münz Praktikant
„Das ist also der Deutsche Tag“

Leitartikel

Marle Liebelt Portraitfoto
Marle Liebelt Hauptredaktion
„Neuwahlen in Deutschland? Minderheit könnte von einem Ampel-Aus profitieren“