Leitartikel
„Ein Volksfest für 180 Millionen Kronen“
Ein Volksfest für 180 Millionen Kronen
Ein Volksfest für 180 Millionen Kronen
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Die Tour de France ist mit Ausgaben in Millionenhöhe verbunden – primär Steuergelder. Die Geheimniskrämerei ist in einer transparenten Gesellschaft nicht in Ordnung, meint Chefredakteur Gwyn Nissen – das Volksfest schon.
Es ist unschwer zu erkennen, dass in Dänemark derzeit nicht nur das Coronavirus grassiert, sondern gleichzeitig auch das gelbe Fieber die Bevölkerung gepackt hat. Die Tour de France startet am Freitag in Kopenhagen und landet via der Brücke über den Großen Belt am Sonntag schließlich in Nordschleswig.
Die Tour ist eines der alle größten Sportereignisse der Welt und wird nur getoppt von den Fußball-Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen. Es wird also am Wochenende in Dänemark Sportgeschichte geschrieben, wenn 176 Fahrer in Kopenhagen an den Start gehen.
In unserer Serie über die Tour der France, hat der ZDF-Journalist Peter Kaadtmann aus Nordschleswig unseren Leserinnen und Lesern einen Einblick hinter die Kulissen gewährt, um zu erklären, warum die Tour „so groß ist“.
Zum einen ist es der sportliche Aspekt, zum anderen aber auch die logistische Meisterleistung, die dahinter steckt, Tag für Tag eine Karawane mit mehr als 4.000 Menschen primär durch Frankreich zu lotsen.
Hadersleben, Apenrade und Sonderburg und dazwischen viele kleine Dörfer stehen auf dem Streckenplan für Sonntag, wobei es einzig und allein Sonderburg (Sønderborg) und dessen Flughafen zu verdanken ist, dass die Tour überhaupt nach Dänemark gekommen ist.
Das sagen die Tour-Veranstalter nicht aus Höflichkeit, sondern es ist Fakt, dass es ohne den Flughafen auf Alsen kein Radrennen gegeben hätte. Von Billund aus wäre der abendliche Abflug aus Dänemark den Veranstaltern zu weit gewesen – Sonderburg dagegen war gerade passend.
Es hat den Kommunen, Regionen und dem Staat rund gerechnet 180 Millionen Kronen gekostet, die Tour de France nach Dänemark zu holen. Genau weiß dies niemand, weil die Veranstalter mit ihren Partnern Stillschweigen vereinbart haben.
Details, was Dänemark genau für das Geld bekommt beziehungsweise, was die Ausgaben decken, gibt es daher nicht. Fakt ist aber, dass die Kommunen zur Kasse gebeten werden, um Start- und Zielstadt zu werden. Einmal auf die Weltkarte kommen, das scheint Grund genug gewesen zu sein, um tief in die Taschen zu greifen. Das gilt zum Teil auch für die Durchfahrtskommunen.
Es ist nicht weiter problematisch, dass es 180 Millionen Kronen kostet, die Tour an Land zu holen. In einer transparenten Gesellschaft wie der dänischen ist es aber kritisierbar, dass solche Absprachen getroffen werden. Wir wollen schon wissen, wozu unser Steuergeld ausgegeben wird – und haben auch ein Recht darauf.
Es kostet jedes Mal, wenn große Sportereignisse oder andere Kulturveranstaltungen ins Land geholt werden. Beides ist mit Kosten verbunden – und immer wieder gibt es erwartungsgemäß Kritik.
Lohnt sich eine solch hohe Investition? Werden dadurch mehr Touristen angelockt, und hat es einen dauerhaften Wert? Da scheiden sich die Geister. Sorgen Bilder aus Hadersleben (Haderslev), der Halbinsel Loit (Løjt), Gravenstein (Gråsten) und schließlich Sonderburg für einen Touristenboom? Sicherlich nicht.
Aber der Tour-Beginn ist eben auch ein Volksfest und ein Bonbon für die Bevölkerung Dänemarks und Nordschleswigs. Sportmuffel sollten sich die Gelegenheit ebenfalls nicht entgehen lassen, die Tour hautnah zu erleben – auch wenn die vorbeirauschenden Radfahrer einen nicht ansprechen.
Überall werfen sich Ortschaften und Städte in Schale, veranstalten Fanmeilen und -Feste – nicht etwa für die Fahrer oder die Tour, sondern für uns alle im Landesteil und für die Gemeinschaft. Viele haben dafür in den vergangenen Wochen und Monaten einen großen freiwilligen Einsatz geleistet. Und der Eintritt ist auch noch frei.
Das Erlebnis am Sonntag wird nachhaltig sein: In Jahrzehnten werden wir unseren Enkeln darüber erzählen können, wie wir 2022 die Tour de France vor unserer Haustür erlebt haben. Ein Sportereignis der Superlative, eingepackt in ein farbenfrohes Volksfest von Kopenhagen bis nach Sonderburg.
Es wartet ein einmaliges Erlebnis auf uns – und hoffentlich auch auf die Millionen von Zuschauern in der ganzen Welt, denen wir ein Stückchen buntes Dänemark und Nordschleswig vermitteln können.