Gastkommentar
„Nachrichtenfasten ist auch keine Lösung“
Nachrichtenfasten ist auch keine Lösung
Nachrichtenfasten ist auch keine Lösung
Diesen Artikel vorlesen lassen.
In einer Welt voller negativer Nachrichten fühlen sich viele ohnmächtig und wählen den Weg der Nachrichtenisolation. Doch gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, aktiv zu bleiben und Gemeinschaft zu schaffen. Engagement und Solidarität können Hoffnung geben und Veränderung bewirken, schreibt Büchereidirektorin Claudia Knauer in ihrem Gastkommentar.
Wer auf seinem Smartphone oder am Computer die sogenannten Push-Nachrichten eingestellt hat, wird überschwemmt mit fast durchweg negativen Meldungen. Ob die Mitteilung, dass Tuchel jetzt Trainer der englischen Nationalmannschaft wird, dazu gehört, muss jede/r selbst entscheiden. Aber die Bilder aus dem Gaza, die Berichte von der Front in der Ukraine, der US-amerikanische Wahlkampf oder die fast vergessenen, aber genauso schwerwiegenden Konflikte im Jemen oder im Sudan, der Libanon in Trümmern – all das ist kaum auszuhalten. Und dabei haben wir noch gar nicht von der Klimakatastrophe gesprochen, die Wüsten plötzlich zu Meeren macht, Wälder abbrennen und Dörfer unter Steinlawinen versinken lässt. Artenvielfalt kann zum Fremdwort mutieren. Die Frontscheiben bleiben auch bei langen Fahrten sauber, weil keine Insekten mehr daran klatschen. Muss ich weitermachen?
All diese Nachrichten führen uns doch immer wieder vor Augen, dass wir als Individuen ohnmächtig sind. Wenn ich akribisch meinen Müll sortiere, während andere ihre ungleich giftigeren Hinterlassenschaften ins Meer kippen, dann vergeht mir doch die Lust am Umweltschutz.
Wenn ich um meines Seelenheils willen die Zeitungen, Diskussionsformate, Newsfeeds aber zur Seite lege, dann tue ich mir selbst vielleicht wohl, nicht aber der Gesellschaft. Nachrichtenfasten ist keine Lösung. Man muss vielleicht nicht jede Stunde alle Neuigkeiten abrufen, es reicht einmal am Tag, aber wer sich der Welt verschließt und ins biedermeierliche Innere zurückzieht, der schaut irgendwann mal wieder aus dem Häuschen und blickt auf eine zerstörte Landschaft in einer Diktatur. Wir müssen den Gefahren und Herausforderungen ins Auge blicken und idealerweise dagegen etwas tun: mit Spenden für die Ukraine, mit dem laut ausgesprochenen Zusammenhalt mit Juden, und ja, auch mit Mülltrennung.
Und wenn gar nichts zu helfen scheint, dann tut es wohl, sich zusammenzutun, um zu erleben, dass wir in unserer Verzweiflung und dem Entsetzen nicht allein sind. Deshalb hat die Bücherei damals die Veranstaltung zum Ukraine-Krieg auf die Beine gestellt, auf der Jan Diedrichsen und Christian Juhl diskutiert haben. Deshalb sind mein Mann und ich zur Mahnwache der jüdischen Gemeinde in Flensburg am 7. Oktober gefahren. Das ist das Mindeste, was wir tun können. Gemeinschaft schaffen.