Gastkommentar
„In absoluter Überfülle“
In absoluter Überfülle
In absoluter Überfülle
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Büchereidirektorin Claudia Knauer ist des Konsums, der hinter Adventskalendern steht, leid. Und doch hängt sie an der Tradition, die sie selbst pflegt. Warum es trotzdem sinnvoll sein könnte, statt nur einen Adventskalender gleich zwei zu kaufen, schreibt Claudia in ihrem Gastkommentar.
Was haben Portwein, Pixi-Bücher, Make-up, Lego, Socken, My little Pony, Öko-Tee, Bier, Unterwäsche, Gewürze, Schmuck und Gin Tonic gemeinsam? Aus allen – und noch viel mehr, lässt sich ein Adventskalender stricken.
Ich will wirklich nicht den (mitunter auch nicht so) guten alten Zeiten das Wort reden, zu denen ein Adventskalender eine Sache mit 24 Türchen und einem Stück nicht allzu gut schmeckender Schokolade war. Manchmal stand daneben noch ein etwas angeknitterter Pappkalender, dessen Türchen schon ein bisschen aus dem Leim gegangen waren, aber mit seinem goldenen Glitter doch gut in die Zeit passte.
Dagegen ist mittlerweile wahrlich aufgerüstet worden. Man kann im Drogeriemarkt seines Vertrauens, auf deutscher wie auf dänischer Seite, große Kartons für richtig viel Geld erwerben, um dann in der Adventszeit seiner (oder wohl eher ihrer – allerdings gibt es auch die Varianten für den Mann) Haut das Allerbeste angedeihen lassen für den ultimativen Glow unterm Tannenbaum.
Wer lieber isst und trinkt, kann sich die ganzen 24 Tage vor Weihnachten vom Tee über den Whisky zur Lakritze (wahlweise sehr teure Schokolade) hangeln, um schon vor Heiligabend ordentlich zuzulegen.
Die Kinderzimmer werden bersten vor kleinteiligem Spielzeug, da sind Pixi-Bücher noch die sinnvollere Alternative. Die lassen sich wenigstens vorlesen.
Apropos vorlesen: Es gibt auch Adventsbücher. Jeden Tag wird eine Seite aufgeschlitzt und die Story entwickelt sich. Oder es werden gleich Kurzgeschichten angeboten. Das ist eine feine Sache, macht nicht dick und ist wiederverwendbar.
Ich gebe zu, so einem richtig guten Schokoladen (noch lieber: Marzipan)-Adventskalender kann ich auch etwas abgewinnen. Und meine Kinder – gleichwohl schon länger erwachsen – bekommen jedes Jahr einen von mir selbst befüllten und ab September zusammengesuchten Kalender.
Aber die Masse, die ungeheure Fülle, dieser Konsum – das kann mich schon das eine oder andere Mal verstören. Zumal ich ab Oktober über diese Angebote stolpere.
Anderswo, man muss nicht weit nach Osten blicken, wäre ein guter Adventskalender einer, an dem an 24 Tagen hintereinander keine Bomben fallen. Ungeachtet der christlichen Botschaft der Nächstenliebe ist nicht damit zu rechnen, dass das Realität wird.
Wenn wir denn nun unbedingt Adventskalender kaufen wollen, dann nehmen wir doch gleich zwei und schicken einen davon in die Ukraine. Wir können helfen, dass die Gabe die Empfänger erreicht. Geteilte Freude ist doppelte Freude.