Diese Woche in Kopenhagen

Gefühlte Sicherheit

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Gefühlte Sicherheit

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Heimwehr-Soldaten an der Grenze. Foto: Scanpix

Dänemark ist statistisch gesehen so sicher wie nie zuvor. Trotzdem wird die Forderung laut, dass Soldaten Polizeiaufgaben übernehmen sollen. Leider sei Dänemark mit Siebenmeilenstiefel auf dem Weg zu einer Misstrauensgesellschaft. Mit Diskussionen über Soldaten, die in den Fußgängerzonen patrouillieren, beschleunigen wir eine gesellschaftliche Entwicklung, die zerstöre, was Dänemark in Jahrzehnten aufgebaut habe, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen. 

In Dänemark sollen eigens dafür geschulte militärische Einheiten polizeiliche Aufgaben übernehmen. Dies ist eine der „Sommerlochgeschichten“ 2017. Wir kennen das Phänomen: In der politisch nachrichtenarmen Zeit im Juli/August dominieren Themen die Medien, die viel Aufregung erzeugen, anschließend jedoch kaum politische Relevanz erfahren. 

Dänische Elitesoldaten im Einsatz an der deutsch-dänischen Grenze? Kampfschwimmer in den so genannten Problemvierteln Kopenhagens im Einsatz gegen die organisierte Kriminalität? Das klingt mehr nach Venezuela, denn einer angemessenen Sicherheitsmaßnahme im „hyggeligen“ Dänemark.  

Doch man sollte das Thema nicht (gänzlich) ins Lächerliche ziehen: Mit der Diskussion wird ein Grundbedürfnis der Bürger befriedigt. Das Bedürfnis nach Sicherheit. Die Legitimität eines Staates fußt auf der Fähigkeit, den Bürger vor Gewalt und Willkür zu schützen. Derzeit ist die gefühlte Sicherheit eine der großen Kontroversen in der Bevölkerung. Viele Bürger registrieren eine Zunahme von Kriminalität, Gewalt und die Bedrohung durch eine sich globalisierende Welt; was wiederum einhergeht mit Migration, neuen Einflüssen und der Veränderung der Realität, wie wir sie gekannt und schätzen gelernt haben.

Das erodierende Sicherheitsgefühl vieler Bürger, das mit dieser Entwicklung einhergeht, gilt es ernst zu nehmen. Es bringt nichts, sondern ist vielmehr kontraproduktiv, wenn man Dinge verschweigt, weil man meint, diese wären für eine politische Diskussion schädlich – warum auch immer. Natürlich muss thematisiert werden, dass es vor allem dänische Jugendliche und Erwachsene mit Migrationshintergrund sind, die für die völlig inakzeptable, punktuelle Zunahme von Gewalt in einigen Innenstädten verantwortlich sind. Natürlich muss Beschaffungskriminalität angesprochen werden, wenn sich ein überproportionaler Anteil von ausländischen Tätern nachweisen lässt.

Wer Probleme nicht artikuliert, lässt sie unterschwellig gären und sie wachsen sich groß.  Doch den Politikern und Diskutanten muss ins Gewissen geredet werden, wenn sie meinen, mit Militär oder drakonischen Strafen, ließe sich die Problematik lösen. Wer sich die Situation in den USA anschaut, wo man nun wirklich Erfahrung in drakonischen Strafmaßnahmen und kompromissloser Staatsgewalt sammelt, der kann nachvollziehen, wo dieses hinführt.

Gleichzeitig gilt es die Fakten zu betrachten. Die gefühlte Sicherheit ist das eine und die Statistik ist das andere. Noch nie war die Welt so sicher, wie sie es jetzt ist. Auch die schweren Gewalttaten sind rückläufig. Dänemark ist, ohne die für die Betroffenen traumatischen Erlebnisse schmälern zu wollen, so sicher wie wohl noch nie. Das Paradox ist doch just, dass vor allem dort laut nach drakonischen Strafen geschrien wird, wo das Problem am geringsten ist. Mit falschem Verständnis erreicht man wenig – mit sturer Härte auch nichts.

Probleme müssen benannt, analysiert und gelöst werden, mit angemessenen politischen und auch polizeilichen (nicht militärischen) Mitteln. Wenn unsere Polizei der Aufgabe nicht gewachsen ist, muss sie anders aufgestellt werden oder mehr Ressourcen erhalten.  Wenn wir aber suggerieren, dass unser Rechtsstaat und die öffentliche Sicherheit akut in Gefahr seien, dann setzt sich ein Bild fest, dass den gesellschaftlichen Realitäten nicht entspricht.

Dänemark hat eine Qualität besonders ausgezeichnet, um die uns die Welt beneidet: Etwas plakativ formuliert, fußt unser Gesellschaftsmodell auf einem Vertrauen zwischen den Bürgern und dem Staat – eine klassische Vertrauensgesellschaft. 

Leider ist Dänemark mit Siebenmeilenstiefel auf dem Weg zu einer Misstrauensgesellschaft. Mit Diskussionen über Soldaten, die in den Fußgängerzonen patrouillieren, beschleunigen wir eine gesellschaftliche Entwicklung, die zerstört, was Dänemark in Jahrzehnten aufgebaut hat.  

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