Leitartkel
„Energiewende international mit Nordseewindkraft“
Energiewende international mit Nordseewindkraft
Energiewende international mit Nordseewindkraft
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Die beim Gipfeltreffen in Esbjerg auf der Tagesordnung stehenden Initiativen Dänemarks, Deutschlands, der Niederlande und Belgiens sind ein Durchbruch auf dem Weg zum weltweiten Klimaschutz, meint „Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch. Doch es sind weitere Maßnahmen vor allem im Verkehrssektor und in der Baupolitik nötig.
Bereits im Februar 2021 ist in Dänemark der Startschuss für das 240 Milliarden Kronen teure Projekt Energieinsel in der zentralen Nordsee gefallen, über das nicht nur bis zu drei Gigawatt Strom aus Meereswindparks in die europäischen Stromnetze fließen soll.
Die künstlich aufzuschüttende Energieinsel rund 80 Kilometer vor der Küste Westjütlands soll auch zur Gewinnung „grüner“ Treibstoffe und industrieller Rohstoffe genutzt werden, die bei einer Abkehr von fossilen, klimabelastenden Energieträgern wie Kohle, Erdgas oder Erdöl erforderlich sind.
Nachdem vor einem Jahr die Weichenstellung in Dänemark in den Nachbarstaaten nicht richtig zur Kenntnis genommen worden war, ist das dänische Konzept angesichts der neuen Weltlage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und drohender Engpässe bei der Versorgung mit den eigentlich schon als ablösungsreif eingestuften klimabelastenden Energieträgern aktuell so attraktiv und interessant, dass die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen (Soz.) zum Gipfeltreffen zum Thema Meereswindenergie-Potenzial in Esbjerg neben dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und Belgiens Premierminister Alexander De Croo auch die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, begrüßen kann.
Die EU müsse so schnell wie möglich unabhängig von russischem Erdgas werden, deshalb sei Dänemark bereit, grünen Strom auch an seine europäischen Freunde zu liefern, betonte der dänische Klima- und Energieminister Dan Jørgensen (Soz.) und sprach die Erwartung aus, dass es gelingen könne, gemeinsam ein grüneres und sichereres Europa zu schaffen.
Die Energieinsel samt Windparks, die so teuer wie vier Fehmarnbelttunnel sein wird, ist nicht von heute auf morgen fertigzustellen. Doch zeigt es sich, dass gerade die umweltfreundliche Windenergienutzung ebenso wie die lange eher belächelte Stromgewinnung aus Photovoltaik-Anlagen relativ rasch ausgebaut werden kann. Schneller und billiger als beispielsweise die risikobehaftete Nutzung der Kernenergie, die in einigen Ländern aktuell wieder aus dem „Giftschrank“ hervorgeholt wird.
Besonders schnell ließen sich neue Windräder an Land errichten, auf diesem Gebiet herrscht seit Jahren in Nordschleswig Stillstand. Wirtschaftliche Vorteile werden deshalb nicht genutzt.
Das Konzept der Energieinsel ist nur ein Baustein im dringend nötigen Konzept einer internationalen Energiewende, die gerade bei einer Umstellung auf schwankende Lieferquellen wie Windenergie oder Solarstrom nur durch eine weitreichende Vernetzung der Staaten funktioniert. Und auch da läuft schon viel. So sind Dänemark und die Niederlande bereits mit einem Seekabel miteinander verknüpft, eine Leitung nach England ist im Bau, und auch Verbindungen von Deutschland und Dänemark ins wasserkraftreiche Norwegen existieren bereits.
Allerdings hapert es weiter bei der Leitungskapazität zwischen Norddeutschland und den südlichen deutschen Bundesländern, damit Dänemarks Angebot, mit „grünem“ Strom aus der Nordsee, wie einst die dortigen Öl- und Erdgasfelder, die Energieversorgung des Kontinents zu sichern, umgesetzt werden kann.
Doch es darf nicht vergessen werden, dass es nicht nur darum geht, mehr „grüne“ Energie zu gewinnen und zu verteilen. Nötig ist es auch, den Verbrauch an den Klimaschutz anzupassen.
Und da vergessen wir in Dänemark oft, dass es hierzulande eine florierende Industrie mit Konzepten zum Klimaschutz gibt. Doch beispielsweise im Verkehrssektor sieht es nach wie vor deprimierend aus, wenn es um modernen, klimaschonenden Bahnverkehr, vor allem auch in die Nachbarstaaten, geht. Da setzt man sich weiter lieber in den Klimakiller Flugzeug und „verpennt“ den Einsatz von attraktiven Zügen von Dänemark nach Mitteleuropa. Trotz Lippenbekenntnissen gibt es weiter keine Nachtzüge für den grenzüberschreitenden Urlaubsverkehr.
Nicht nur für Reisende aus Dänemark, auch der boomende Dänemark-Tourismus bringt von Jahr zu Jahr mehr Autos in die beliebten Feriengebiete entlang der Küsten. So gehört zum internationalen Klimaschutz auch der Ausbau umweltfreundlicher Verkehrsangebote in den Grenzregionen. Wo im Bereich des deutsch-dänischen Grenzlands jetzt Tempo beim Einsatz von Zügen für unterschiedlichen Bahnstrom, Batteriebetrieb auf der Westküstenbahn oder beim umweltfreundlichen Busverkehr im Raum Flensburg-Apenrade erforderlich ist.
In der Baupolitik sollte nicht nur Fernwärme gefördert werden, auch gilt es, vorhandene Bausubstanz zu sanieren, statt mit immer mehr Neubaubeton das Klima zu belasten und die Zersiedelung zu fördern.