bei einem Pfingstausflug 1921
Ein Nordstrander Landwirt entdeckt Rungholt
Ein Nordstrander Landwirt entdeckt Rungholt
Ein Nordstrander Landwirt entdeckt Rungholt
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Der Nordstrander Landwirt Andreas Busch fand bei einem Pfingstausflug 1921 sein Lebensthema.
Andreas Busch war zu diesem Zeitpunkt 37 Jahre alt. Am 16. Juni 1883 wurde er am Moordeich auf Nordstrand geboren, wo seine Eltern eine Mühle und eine Bäckerei betrieben. Sein Vater stammte aus Epenwöhrden in Dithmarschen, seine Mutter von einem großen Bauernhof in der Trendermarsch auf Nordstrand. Mit fünf Brüdern und einer Schwester wuchs er auf.
Obwohl seine späteren Forschungen denen eines universitären Wissenschaftlers in nichts nachstanden, besuchte er doch nur die zuerst einklassige, dann zweiklassige Volksschule im Nordstrander Morsumkoog. Aber schon als Junge tüftelte und experimentierte er gern. So baute er Schiffsmodelle, eine „Camera Obscura“ mit Spiegel und Linse sowie einen verstellbaren Kalender mit Drehscheiben für Jahre, Monate, Tage und Mondwechselzeiten.
Bauer und Erfinder
Andreas Busch wollte Bauer werden. Er ging in die Lehre bei seinem Vater und für vier Monate bei einem Verwandten in Dithmarschen. Eine landwirtschaftliche Schule besuchte er nicht, studierte aber Fachzeitschriften und veröffentlichte schon mit 20 Jahren seinen ersten kleinen Artikel in der „Illustrierten Landwirtschafts-Zeitung“, Thema: Reinhalten der Schweine mit wenig Streu. Auch als Erfinder einer „fahrbaren Erdschaufel“ machte er sich einen Namen.
Im Jahr 1909 heiratete er Anna Süsseline Erichsen aus dem Neukoog auf Nordstrand. Im Laufe der Zeit kamen sieben Kinder zur Welt. Das Paar führte neben dem Bauernhof eine Gastwirtschaft am Morsumhafen, für den sich bald der heutige Name Süderhafen einbürgerte. Die Gaststätte lag hinter dem Deich, so konnte man nicht sehen, wann das Fährschiff von Husum eintraf. Die im Krug Sitzenden versetzte das häufig in Unruhe.
Ein Spiegel zur Beobachtung des Hafens
Andreas Busch schuf Abhilfe, wie sein Biograf Hans Harro Hansen zu berichten weiß: Auf das Dach seines Hauses montierte er einen großen Spiegel, und über Kristallglasscheiben gelangte ein Bild des Hafens in die Gaststube, sodass sich die Wartenden in Ruhe den Speisen und Getränken widmen konnten. In der Nachbarschaft ließ er 1919 nach eigenen Plänen ein neues Haus errichten.
Schon als Junge kam Andreas Busch mit der Heimatgeschichte in Berührung. Seine Großeltern besaßen ein Exemplar der berühmten „Landesbeschreibung“ Schleswig-Holsteins von 1652. Die darin befindlichen Landkarten Johannes Mejers faszinierten ihn und er versuchte sie möglichst genau nachzuzeichnen. Auf diesen Karten war auch der sagenumwobene Ort Rungholt verzeichnet, der für Busch entscheidende Bedeutung gewinnen sollte.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Pohnshalligkoog eingedeicht, beim Süderhafen entstand ein neues Siel. Arbeiter fanden dabei Mauersteine, Dachziegel und menschliche Gebeine – Überbleibsel der bei der zweiten „Mandränke“ 1634 untergegangenen Ortschaft Lith. Als sich Andreas Busch mit diesen Funden befasste, erzählte man ihm, südlich der Hallig Südfall gebe es noch viele mehr von solchen Spuren, er solle sich das einmal ansehen.
Wir sahen anfangs nichts Besonderes. Schließlich sahen wir eine Anzahl von Pfählen aus dem Watt herausragen. Nach näherer Untersuchung und einiger Überlegung konnte ich feststellen, dass es sich um Holzreste einer ehemaligen Entwässerungsschleuse handelte.Andreas Busch, Entdecker von Rungholt
So kam es zu jenem denkwürdigen Pfingstausflug 1921. Von Fuhlehörn ging es hinüber nach Südfall. Außer der Familie Busch fuhr der Husumer Journalist Felix Schmeißer (1882-1953) mit, der schon damals auch als Heimatschriftsteller bekanntgeworden war. Während Frau und Kinder auf der Halligwarft warteten, machten sich Andreas Busch und Felix Schmeißer auf den Weg ins Watt.
„Wir sahen anfangs nichts Besonderes“, berichtete Busch später. „Schließlich sahen wir eine Anzahl von Pfählen aus dem Watt herausragen. Nach näherer Untersuchung und einiger Überlegung konnte ich feststellen, dass es sich um Holzreste einer ehemaligen Entwässerungsschleuse handelte.“ Die beiden Männer fanden außerdem mehrere Brunnenringe und Warftreste. „Sehr beeindruckten uns an vielen Stellen im Watt die in schnurgeraden Linien verlaufenden Gräben und bearbeiteten Ackerbeete, wie überhaupt die ganze, planmäßig angelegte Feldeinteilung.“
Mit Kamera, Kompass, Maßband und Skizzenblock auf Spurensuche
Busch war geradezu elektrisiert von diesen Funden und erkundete anschließend viele Male das Watt bei Südfall, ausgerüstet mit Fotoapparat, Kompass, Maßband und Skizzenblock. So konnte er nach und nach den vergangenen Warften, Brunnen, Schleusenresten und Keramikscherben ihre Geschichte entlocken. Nun war er überzeugt, dass er das sagenhafte Rungholt gefunden hatte. Sein ausführlicher Bericht im Jahrbuch des Nordfriesischen Vereins von 1923 trug die Überschrift: „Die Entdeckung der letzten Spuren Rungholts“.
Der Pfingstausflug des Jahres 1921 gilt gemeinhin als Beginn der ernsthaften Rungholt-Forschung. Für das 100-jährige Jubiläum waren auf Nordstrand mehrere Veranstaltungen geplant, so eine Kutschfahrt nach Südfall. Sie wurden wegen der Corona-Pandemie abgesagt und sollen ein Jahr später gehalten werden. Der Nordstrander Heimatverein will seinem Museum den Namen „Andreas-Busch-Inselmuseum“ geben.
Schon in seinem Aufsatz von 1923 hatte Busch der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass nicht nur bei Südfall, sondern im ganzen nordfriesischen Wattengebiet „mehr als bisher nach Spuren untergegangenen Landes geforscht wird“. Auch 100 Jahre nach seinem bedeutungsvollen Pfingstausflug besteht dieser Wunsch fort.