Umwelt
Wunderpflanze Seegras: Nützt Klima und Artenvielfalt
Wunderpflanze Seegras: Nützt Klima und Artenvielfalt
Wunderpflanze Seegras: Nützt Klima und Artenvielfalt
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Das Seegras ist in den dänischen Küstengewässern stark zurückgegangen. In einem Projekt der Süddänischen Universität pflanzen Freiwillige es wieder aus, und es wächst gut an. Die Unterwasserwiesen binden Nährsalze, 30-mal mehr Kohlendioxid als Wälder und bieten einer Vielfalt von Arten Lebensraum.
Freiwillige in Taucheranzug mit Maske und Schnorchel sind in diesem Sommer im Kolding Fjord unterwegs gewesen. Ihr Ziel: das Klima schützen, die Wasserqualität verbessern und die Artenvielfalt fördern.
Das sollen die kleinen Seegraspflänzchen leisten, die sie dabeigehabt haben. An einem Nagel befestigt, haben die Freiwilligen sie zu Tausenden in den Meeresboden eingesetzt. Es ist einer von mehreren Großversuchen des Biologischen Instituts der Süddänischen Universität (SDU).
Seegraswiesen wachsen schnell
Es mag wie Sisyphos-Arbeit erscheinen, die Pflanzen einzeln einzusetzen. Forschungsergebnisse vom ersten SDU-Versuch im Horsens Fjord belegen jedoch, dass sich das Seegras dort in kürzester Zeit deutlich ausgebreitet hat. Aus den einzelnen Pflänzchen waren ganze Wiesen geworden.
„Bereits bei unserem ersten Großversuch sahen wir einen deutlichen Zuwachs. Nach zwei Jahren waren aus 14.400 ausgepflanzten Pflanzen mehr als eine Million geworden; das sind 70-mal so viele. Das hat unsere ursprünglichen Erwartungen übertroffen, und man kann sagen, das Seegras breitet sich aus wie Giersch“, sagt Timi Banke, Meeresbiologe an der Süddänischen Universität, dem „Nordschleswiger“.
Seegras fördert Artenvielfalt
Für dieses Jahr sind die Pflanzungen von Seegras abgeschlossen. Insgesamt haben die freiwilligen Helferinnen und Helfer gemeinsam mit dem SDU-Team 80.000 Pflänzchen im Kolding Fjord, Vejle Fjord, Gamborg Fjord sowie Gyldensteen Strand eingesetzt. Zur großen Freude der Lebewesen in den Küstengewässern.
„Das Seegras hat etliche Perspektiven für die Meeresumwelt. Es fördert die Biodiversität, da Kleinlebewesen wie Schnecken und Krebstiere in den Wiesen gedeihen. Das ist die Grundlage für robuste Nahrungsketten“, so Banke.
Etliche Fischarten haben zwischen den Gräsern ihre Kitas eingerichtet: „Im Seegras wächst Fischbrut auf. Wir beobachten, dass bereits kurz nach dem Pflanzen eine bedeutende Menge Dorschbrut auftaucht.“
Effektiver Speicher für Treibhausgas
Mehr Seegras tut nicht nur den Gewässern, sondern auch dem Klima gut. Bei der Fotosynthese nimmt es das Treibhausgas Kohlendioxid aus dem Wasser auf. Dies wird dann in den Wurzeln gebunden.
„Das Seegras nützt dem Klima, da es CO2 einlagert. Tatsächlich ist es einer der effektivsten Naturtypen zum Entfernen von CO2. Die große Biomasse bedeutet, dass es große Mengen Kohlendioxid aufnimmt und es vornehmlich in den Wurzeln, aber auch im Meeresboden unter dem Gras bindet“, erläutert der Meeresbiologe.
Laut dem UNO-Klimarat IPCC ist Seegras an zweiter Stelle, wenn es um die Speicherung des Klimagases geht. Nur die Tundra bindet mehr CO2. Die unterseeischen Wiesen liegen damit weit vor sämtlichen Wäldern dieser Welt.
Auch auf deutscher Seite ist man sich dieses Nutzens des Seegrases bewusst. Das Projekt „SeaStore“ soll das Pflanzen von Seegraswiesen in der deutschen Ostsee fördern.
„Sie sind so effektiv, dass sie pro Quadratmeter 30- bis 50-mal mehr Kohlenstoff im Untergrund einlagern als vergleichbare, mit Wald bedeckte Ökosysteme an Land“, heißt es auf der Homepage des Forschungsprojektes.
Bessere Wasserqualität
Und damit sind wir noch nicht einmal am Ende der nützlichen Wirkungen des Wundergrases angekommen. Es nützt nämlich auch der Meeresumwelt auf andere Weise als oben beschrieben. Durch das Auswaschen der Nährstoffe Stickstoff und Phosphor wachsen übermäßig Algen in der freien Wassermasse. Die Nährstoffe werden von landwirtschaftlichen Böden ausgespült und gelangen über Bäche und Auen in die Ostsee. Dort wirken sie als Dünger für die schädlichen Algen. Nach dem Absterben verursachen diese Sauerstoffschwund. Wenn die Algen absterben, lösen sie Sauerstoffschwund aus.
„Das Seegras verbessert die Wasserqualität, indem es große Mengen an Stickstoff und Phosphor aufnimmt. Damit trägt es zu einem besseren ökologischen Zustand in unseren Gewässern bei“, so Timi Banke.
Starker Rückgang beim Seegras
Die Verunreinigung mit Nährsalzen ist ein wesentlicher Grund, weshalb die Seegraswiesen im Vergleich zu vor 100 nur noch ein Schatten ihrer selbst sind. Zwischen 70 und 80 Prozent sind verschwunden. Zunächst hat eine Krankheit in den 30er-Jahren die Pflanzen sterben lassen. Seither hat die Verschmutzung zu einem weiteren Rückgang geführt.
„In unserem Versuchsgebiet im Vejle Fjord konnte das Seegras historisch gesehen bis zu einer Tiefe von 11 Metern gedeihen; heute liegt die Grenze bei 2,4 Metern. Die Verursacher sind Algen in der Wassermasse, die das Licht klauen. Das ist Hauptursache, weshalb das Seegras in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen ist.“
Verunreinigung muss reduziert werden
Und auch wenn das Seegras selbst dazu beiträgt, Nährsalze zu entfernen, kann das allein nicht wieder das Wasser klar werden lassen. Man muss das Problem an der Wurzel packen.
„Wenn das Seegras sich wieder in tiefere Gewässer ausbreiten soll, muss das Auswaschen von Nährstoffen weiter reduziert werden, damit wir weniger schädliche Algen und bessere Lichtverhältnisse bekommen“, betont Banke.
Diese Reduktion könne durchaus mit dem Auspflanzen von Seegras Hand in Hand gehen, aber „Letzteres kann nicht allein stehen, wenn wir eine bessere Wasserqualität haben möchten“.
Seegras bedarf Unterstützung
Damit das Seegras seinen Teil leisten kann, müssen auch in den kommenden Jahren die Pflänzchen wieder einzeln gesetzt werden.
„Wir müssen dem Seegras ein helfendes Händchen reichen, da es sich unter dänischen Bedingungen primär über Wurzeltriebe ausbreitet. Es kann sich auch über Samen verbreiten, aber das geschieht hierzulande aus unterschiedlichen Gründen nur in begrenztem Umfang. Daher tut es sich schwer, sich zu neuen Standorten auszubreiten.“
Das Biologische Institut untersucht, ob man auch mit weniger Pflanzen pro bepflanztes Quadrat auskommt. In dem Fall können bei gleichem Einsatz mehr oder größere Seegraswiesen entstehen.
Die SDU hat bereits ebenfalls im Odense Fjord und bei Tåsinge ausgepflanzt. In Planung sind Projekte am Limfjord, Mariager Fjord und auf Nordfünen. Beim Projekt „Kysthjælper“ pflanzen Freiwillige ebenfalls Seegras aus.