Vor 100 und vor 50 Jahren

Chronik: Steuern, Stummfilm, Sonntagsfahrverbot

Chronik: Steuern, Stummfilm, Sonntagsfahrverbot

Chronik: Steuern, Stummfilm, Sonntagsfahrverbot

Jürgen Ostwald
Jürgen Ostwald Freier Mitarbeiter
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Anzeige in der „Sonderburger Zeitung“ vom 4. Februar 1924 Foto: Sonderburger Zeitung

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die Schlagzeilen von diesem Februar sind ganz anders als noch vor 100 und vor 50 Jahren. Jürgen Ostwald hat im Archiv die Zeitungen durchforstet und nimmt die Leserinnen und Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit.

Foto: DN

Freitag, 1. Februar 1924

Neue dänische Luxussteuern

Im dänischen Volksting machte Staatsminister Neergaard neue Vorschläge zur Erhebung weiterer Luxussteuern. Vor allen Dingen sollen Automobile und Benzin für diese Neubesteuerung in Betracht kommen. Der Minister schlägt ferner eine vorübergehende Zollerhöhung auf Gewürze, kandierte und getrocknete Früchte, Schießpulver, Feuerwerk, Seidenwaren, Galanteriesachen, Spielzeug, Kürschnerwaren, künstliche Blumen, Teppiche und Kautabak vor. Kaffee, Tee und Reis bleiben hiervon befreit. Der Ertrag der Steuer wird auf 16 Millionen geschätzt. Die Steuer soll vom Februar bis Juli 1924 erhoben werden.

Die finanzielle Situation war in der Tat sehr angespannt. Die Inflation in Deutschland hatte die hiesige Krise noch verschärft. Man muss bedenken, dass in Dänemark bald Wahlen ins Haus stehen, die Ende April 1924 den Sozialdemokraten Thorvald Staunig ins Amt des Staatsministers bringen werden. Das Kalkül des Staatsministers Neergaard bei seinen angesichts der Warennennungen fast verzweifelt anmutenden Vorschlägen im Folketing erhellt auch aus der Meldung vom 27. Februar, siehe unten.

Montag, 4. Februar 1924

Der Film, der in Deutschland unter dem Titel „Brigantenrache“, in Dänemark unter „Røverpigen“ in die Kinos kam, ist ein 83-minütiger Stummfilm mit der damals schon berühmten Dänin Asta Nielsen in der Hauptrolle. Ein Filmhistoriker schreibt über den Streifen im Netz: „Die Geschichte spielt in der Wildnis von Dalmatien (Balkan) mit seiner rauen Karstlandschaft und deren kernig-leidenschaftlichen Bewohnern. In diesem Umfeld heiratet die Einheimische Anica Danilo den Sohn eines Geschäftsfreundes ihres Vaters. Der Mann, den sie jedoch eigentlich liebt, heißt Ruggiero, und er kann sich mit Anicas Entscheidung partout nicht abfinden. Seine Eifersucht kocht derart hoch, dass er sich zum Brigantentum entschließt und seine Bande von Gesetzlosen gründet, die Danilo ermorden soll.

Nachdem das Verbrechen ausgeführt wurde, ist nun die Polizei hinter dem Übeltäter her, der sich zur Flucht entschließt. Anica, die aus der Beziehung mit Danilo einen Sohn zur Welt gebracht hat, ist fortan der Willkür ihres einstigen Geliebten ausgesetzt. Ruggiero tötet sogar Anicas Kind, als dessen Schreie der auf der Suche nach ihnen befindlichen Staatsmacht den Aufenthaltsort der Bande zu verraten droht. Seit diesem Mord an ihrem eigen Fleisch und Blut ist Anicas Liebe zu Ruggiero in blanken Hass umgeschwenkt.

Sie hat nur noch ein Ziel: Rache nehmen! Um ihre Absicht zu verbergen, tut sie gegenüber Ruggiero weiterhin so, als sei sie ihm zugetan. Sie geht mit ihm ins Bett und lässt sich sogar von dem Mörder ihres Kindes schwängern. Doch kaum hat Anica ihr zweites Kind zur Welt gebracht, stürzt sie sich vor Ruggieros Augen von einem Felsen in die Tiefe und reißt dabei sich und das Neugeborene in den Tod.“

Nachdem die Besucherinnen und Besucher des Kosmorama in der Sonderburger Perlegade vor 100 Jahren wie benommen und leicht taumelnd nach so viel Handlung an die frische Luft gekommen waren, kannten sie die Kritik einer Zeitung in Österreich, zu der die Gegend des Films bis vor einigen Jahren damals noch gehörte, nicht, aber sie dachten wohl ähnlich: „Asta Nielsen erfüllt in diesem neuen Film nicht ganz die Erwartungen, die man an den Namen dieser großen Filmtragödin zu knüpfen gewohnt ist. Prachtvoll sind die Bilder aus dem malerisch schönen Süddalmatien und den wüsten Steinöden des Karstes, die dem spannenden Film aus dem todgeweihten Leben dalmatinischer Briganten seinen Rahmen geben.“

Plakat zum oben besprochenen Film mit Asta Nielsen Foto: Dansk Plakatmuseum

Donnerstag, 7. Februar 1924

Wie der Korrespondent der „Nationaltidende“ aus Helsingfors meldet, hat die russische Räteregierung allen Verwaltungsbehörden in Petrograd befohlen, im Laufe einer Woche den Namen Petrograd auf ihren Stempeln und Siegeln durch Leningrad zu ersetzen. Dieser Name soll auch auf allen Plakaten und Wertpapieren, sowie im Post- und Telegraphenwesen eingeführt werden.

Sankt Petersburg wurde 1703 von Zar Peter dem Großen gegründet und war von 1712 bis 1918 russische Hauptstadt. 1914 erhielt die Stadt auf Initiative des Zaren den russischen Namen Petrograd. Nachdem die Hauptstadt 1918 nach Moskau verlegt worden war, erhielt sie 1924 den neuen Namen. Seit 1991 wurde der alte Name Sankt Petersburg wieder eingeführt.

 

Montag, 11. Februar 1924

Henny Porten als Caroline Mathilde

In Kopenhagen wird augenblicklich ein Struensee-Film gegeben, der von der Firma Gaumont in Paris aufgenommen ist. Die weibliche Hauptrolle, die Caroline Mathilde, wird von Henny Porten gespielt. Der Film ist in Dänemark, Deutschland und Frankreich aufgenommen.

Caroline-Mathilde-Filme gibt es mehrere. Der letzte ist der dänische „En kongelig affære“ von 2012, der unter dem Titel „Die Königin und der Leibarzt“ in die deutschen Kinos kam. Er wurde übrigens nicht, wie viele vermuten, nach Per Oluf Enquists Bestseller „Der Besuch des Leibarztes“ von 1999 gedreht, was auch ursprünglich vorgesehen war, sondern nach dem in Dänemark erfolgreichen Roman „Princesse er blodet“ von Bodil Steensen-Leth aus dem Jahr 2000 (4. Auflage 2013), der (noch) nicht ins Deutsche übertragen wurde.

1956 gab es eine deutsche Verfilmung unter dem Titel „Herrscher ohne Krone“ und 20 Jahre zuvor, 1936, eine englische, „The Dictator“, die als „Mein Herz der Königin“ in Deutschland zu sehen war. Der oben genannte Film „Die Liebe einer Königin“ mit Henny Porten, dem ersten deutschen Filmstar, war noch ein Stummfilm – der Tonfilm steckte noch in den Kinderschuhen – und wurde 1923 gedreht. Regie führte Ludwig Wolff, der auch mit seinen Romanen Erfolg hatte, heute aber vergessen ist. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging er 1936 ins Exil. Henny Porten (1890-1960), die bereits 1906 vor der Kamera stand, berichtet über die Jahre des Struensee-Filmes in ihrem Buch „Vom ,Kintopp' zum Tonfilm. Ein Stück miterlebter Filmgeschichte“ aus dem Jahr 1932.

 

Freitag, 15. Februar 1924

Eine Nordschleswig-Feier in Leipzig

Die Ortsgruppe Leipzig des „Schleswig-Holsteiner-Bundes“ hatte am 8. Februar ihre Mitglieder und Landsleute zur „vierten Erinnerungsfeier an die Abstimmung in der ersten Zone in Schleswig“ im Sachsenhof versammelt. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Unter den Anwesenden waren viele Gäste sowie der Vorstand und eine Anzahl Mitglieder der Norddeutschen Vereinigung und des Bundes für Heimatschutz und Heimatkunde. Wechselnde Vorträge heimatkundlicher Dichtungen ernsten und heiteren Charakters wurden geboten; besonders fesselten die Darstellungen der Heimatschriftstellerin Hela Sander, die u. a. die Münchhausensche Ballade „Der Todspieler“ und eine eigene Dichtung, die „Schleswig-Holsteinerin“ vortrug. Opernsänger Erich Zimmermann vom „Neuen Theater“ riss durch seinen herrlichen Gesang alle Herzen mit sich. Der feierlichste Moment des ganzen Abends war die Weihe zweier eigens für das Fest geschaffenen blau-weiß-roten Fahnen. Der Erste Vorsitzende, G. Höppner, forderte alle Anwesenden auf, sich von den Plätzen zu erheben und ihm das Treuegelöbnis an die Heimat und für die Brüder in den besetzten und abgetretenen Gebieten nachzusprechen – Dieses Fest ist wieder einmal ein Beweis dafür, dass die Liebe zur Heimat in jedem Deutschen, und ganz besonders in jedem Schleswig-Holsteiner wurzelt! Für den 14. März ist eine größere Festlichkeit im Sachsenhof zur Erinnerung an die Abstimmung in der zweiten Zone geplant.

Wir setzen diesen Bericht stellvertretend für viele andere ähnlichen Inhalts hierher. Versammlungen dieser Art wurden seit Jahren in zahlreichen Städten des Deutschen Reiches abgehalten. Stets wurde darüber in unserer Zeitung berichtet. Da aber hier der Platz fehlt, immer erneut darauf einzugehen, sei einmal auf die Leipziger Versammlung aufmerksam gemacht. Hela Sander war übrigens das Pseudonym der Dichterin Helen Krüger, die 1879 auf Lüttenheid in Heide geboren wurde, dort, wo 60 Jahre zuvor, 1819, Klaus Groth geboren worden war und auch der Großvater von Johannes Brahms gewohnt hat.

Im Jahre 1924 veröffentlichte Helen Krüger in Leipzig „Lüd ut de Heimot. Eernst un lustige plattdütsche Geschichten“ sowie das in der Nils-Holgersson-Nachfolge geschriebene Kinderbuch „Heinz Frohgemuts wundersame Reise nach dem Nordpol. Märchendichtung für Kinder“. Und das beginnt so: „In seiner Mutter treuer Hut / wuchs sorglos auf Heinz Wohlgemuth. / Sein Vater starb bei einem Brand, / noch eh’ das Kind ihn recht gekannt. / Nun war’s an einem Weihnachtstag, / als Schnee auf allen Dächern lag, / dass liebevoll sie Hand in Hand / mit ihrem Heinz am Fenster stand / (…).

Anzeige in der „Sonderburger Zeitung“ Foto: Sonderburger Zeitung

Freitag, 15. Februar 1924

Der Film „Welche ist seine Frau“ wurde unter der Regie von Benjamin Christensen (1879-1959) gedreht, dem wohl bekanntesten dänischen Filmregisseur seiner Zeit in Deutschland. Er kam unter dem Titel „Seine Frau, die Unbekannte“ in die deutschen Kinos. Er erhielt Jugendverbot, wurde aber am 19. Oktober 1923 im Berliner Tauentzienpalast uraufgeführt. In Dänemark wurde er erstmals am 27. Dezember 1923 gezeigt. Mit diesem Film begann Christensen seine Deutschland- und internationale Karriere. 1935 kehrte er nach Dänemark zurück. Trotz seiner großen Bedeutung für den dänischen Film gibt es nur zwei kleine Biografien. Eine von dem dänischen Drehbuchautor und Regisseur John Ernst (1937-1985) von 1967, vom Dänischen Filminstitut herausgegeben, die andere von der Dänin Jytte Jensen (1950-2015), Kuratorin für Filmkunst am Museum of Modern Art in New York, von 1999, vom Museum herausgegeben.

Freitag, 22. Februar 1924

Der Thron des Mbret

Der albanische Thron steht noch immer verwaist. Dem ersten Mbret, Prinz Wilhelm von Wied, hat er zwar weder Ehre noch Ruhm eingetragen, aber es ist immerhin eine Fürstenkrone, die des Trägers harrt. Der Prinz von Wied hat übrigens keinen offiziellen Verzicht ausgesprochen, trotzdem aber dürfte er wohl einen Anspruch nicht mehr erheben und auch dem künftigen Mbret seine Würde nicht neiden. Denn Albanien hat ein äußert schwieriges „Parkett“. Als Kandidaten gelten jetzt ein Vetter des italienischen Königs, der Herzog von Aosta, und Prinz Nikolaus von Rumänien, der mit einer italienischen Prinzessin verlobt ist. Werden sie glücklicher sein als Prinz Wilhelm?

Nach den Balkankriegen 1912/13 wurde den unruhigen Albanern Fürst Wilhelm zu Wied aus dem rheinischen Neuwied vor die Nase gesetzt. Er kam Anfang 1914, musste sich aber schon zu Beginn des Weltkriegs auf immer verabschieden. 1924, als der albanische Großgrundbesitzer Achmed Zolu Ministerpräsident war, wurde die Königsfrage wieder debattiert. Keiner der oben Genannten kam zum Zug, vielmehr ließ sich einige Jahre darauf Zolu selbst zum König krönen. Auch das währte nicht allzu lange. Bevor er ins Exil ging, ließ er aber noch ein Schloss in Tirana bauen, das heute dem Staatspräsidenten für Empfänge dient.

Mittwoch, 27. Februar 1924

Zunahme des Luxus in Dänemark

Im Jahre 1913 betrug die Einfuhr von Automobilen nach Dänemark 823, im ersten Halbjahr 1923 dagegen 7.221. Der Verbrauch von Kaffee betrug in den Jahren 1906 bis 1910 durchschnittlich pro Kopf 4,4 kg jährlich – im Jahre 1922 6,6 kg. Kopenhagen hat im Jahre 1923 10.000 neue Telefonanschlüsse erhalten. In Dänemark hat jeder 12. Einwohner Telefon. Dänemark ist damit das telefonreichste Land in Europa. Die Zunahme der Gegenstände, die lediglich dem Genuss und der Bequemlichkeit dienen, hat mit dazu beigetragen, dass die Krone in den letzten Jahren immer tiefer gesunken ist.

Donnerstag, 28. Februar 1924

Der Hitler-Prozess

München, am 26. Februar. Kurz vor 11 Uhr wurde die Öffentlichkeit wiederhergestellt. Ein Beschluss des Gerichts wurde nicht verkündet, doch wurden die Pressevertreter vorläufig zugelassen. Es folgt die Vernehmung des Hauptangeklagten Hitler. Er schildert seine Jugend in Österreich. (….)

Der Prozess gegen die Verschwörer des Hitler-Putsches 1923 wurde in unserer Zeitung außerordentlich aufmerksam verfolgt. Er wurde dabei nicht kritisch beobachtet, wie es sich für einen Gerichtsreporter gehört hätte. Vielmehr wurde durch den wortgetreuen Abdruck der Aussagen der Angeklagten, namentlich Hitlers, eine Zustimmung zum Putsch-Geschehen suggeriert. Diese öffentliche Wirksamkeit lag auch ganz in der Absicht der Angeklagten, es war bekanntlich ihre Prozess-Strategie, die vom Gericht geduldet, wenn nicht gar gefördert wurde.

Diese ausführliche fast Tag für Tag erfolgende Wiedergabe der Wortmeldungen in unserer Zeitung war der mit Abstand umfangreichste Themenblock in der „Sonderburger Zeitung“, über nichts wurde im ganzen Jahr ausführlicher berichtet. Wir haben schon öfter darauf hingewiesen, dass die Protagonisten der deutschen Volksgruppe durch die andauernde Grenzrevisionsdebatte nicht nur revisionistisch-nationalistische, sondern zugleich auch völkische und antisemitische Inhalte in die Diskussion einfließen ließen. Damit wurden bereits kurz nach der Volksabstimmung jene Pfade gelegt, die 1933 und folgende Jahre (nach der deutschen Machtergreifung der Nationalsozialisten) zur freiwilligen, gewissermaßen freudigen Selbstgleichschaltung der deutschen Organisationen (im dänischen Ausland!) in Nordschleswig führten.

 
Foto: DN

Montag, 11. Februar 1974

Nach der Aufführung heiße Diskussionen

Apenrade. Genau ein Jahr nach der letzten Studioaufführung im Deutschen Gymnasium ist es am Mittwoch wieder so weit: das künstlerische Ensemble der Städtischen Bühnen Flensburg gastiert mit James Saunders „Der Schulmeister“ und Eugene Ionescos „Die Unterrichtsstunde“ an dem deutschen Lehrinstitut. Das Deutsche Gymnasium setzt damit eine nicht zuletzt aufgrund anschließender heißer Diskussion erfolgsträchtige Veranstaltungsreihe fort. Seit am 1. 3. 1968 mit „Bericht für eine Akademie“ von Kafka und „Autobus S“ von Raymond Queneau die ersten Studio-Aufführungen der Flensburger Bühnen in der Aula des Deutschen Gymnasiums stattfanden, ist der Widerhall beim Publikum immer größer geworden.

Die Initiative zu den Aufführungen in Apenrade gingen auf den damaligen Deutsch- und Englischlehrer am Gymnasium, Hans Jürgen Nissen (1933-2015), zurück, der 1975 Direktor der Schule werden sollte. Er organisierte neben den Theateraufführungen auch Vorträge und Lesungen. Stets wurde darüber im Anschluss an die Darbietungen diskutiert, es war damals ohnehin eine diskussionsfreudige Zeit. Viele der ehemaligen Schülerinnen und Schüler erinnern sich noch heute lebhaft an die damaligen Veranstaltungen.

Donnerstag, 14. Februar 1974

„Deutschstunde“ erscheint in der DDR

Der Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz soll sechs Jahre nach seiner Veröffentlichung in der Bundesrepublik in diesem Jahr im Aufbau-Verlag in der DDR verlegt werden. Dies geht aus der Ost-Berliner kulturpolitischen Wochenzeitung „Sonntag“ hervor, die sich in ihrer jüngsten Ausgabe mit Lenz beschäftigt. Sie bezeichnet ihn als einen „politisch und ethisch engagierten“ Schriftsteller, der sich „um die Verbreitung des Vernünftigen“ bemühe. Schon früh habe er sich für die „Anerkennung der DDR“ eingesetzt.

Um Siegfried Lenz und seine „Deutschstunde“ ist es in unseren Tagen ruhiger geworden. Das war einmal anders. Der Roman, 1968 erstmals erschienen, hatte 1974 eine Auflage von über einer halben Million erreicht. Wir müssen ihn hier nicht vorstellen, Leser in Nordschleswig kennen ihn. Dass er in der DDR erscheinen sollte, war dort nicht unumstritten, schließlich ging es um Zensur und Malverbot. Aber die progressiven Kräfte setzten sich durch. Der Roman erschien mit einem Nachwort des DDR-Autors Kurt Batt. Man hätte keinen geeigneteren finden können. Batt hatte in den 1950er-Jahren in Leipzig unter Hans Mayer und Ernst Bloch studiert und saß somit auch in dem berühmten Hörsaal 40 der Universität. Er promovierte später über Klaus Groth, war Lektor im Hinstorff Verlag und bei Aufbau. Das Nachwort zur „Deutschstunde“ sollte neben einem Lenz-Aufsatz in der DDR-Zeitschrift „Sinn und Form“ eine seiner letzten Arbeiten sein. Den Anfeindungen aus reaktionären Kreisen der SED war er nicht gewachsen. Er starb an einem Herzinfarkt im Februar 1975.

Buchumschlag der DDR-Ausgabe Foto: ZVAB

Freitag, 15. Februar 1974

Ende des Sonntagsfahrverbots

Aller Voraussicht nach wird der Währungsausschuss heute das Sonntagsfahrverbot und die Geschwindigkeitsgrenze von höchstens 60 Kilometern in der Stunde innerhalb geschlossener Ortslagen mit sofortiger Wirkung aufheben. Handelsminister Poul Nyboe Andersen erklärte (…) am Montag, er neige dazu, nur noch die Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern auf allen Straßen und Autobahnen durch freies Gelände in Kraft zu lassen und die Belieferung mit schwerem Heizöl um einen Rest von zehn Prozent zu verringern. Das Verbot der Benzinabgabe an Tankstellen in Reservekanister soll weiterhin in Kraft bleiben.

Mehr lesen