Vor 100 und vor 50 Jahren
Chronik: Grammatische Deutschheit und gefesselter Pfarrer
Chronik: Grammatische Deutschheit und gefesselter Pfarrer
Chronik: Grammatische Deutschheit und gefesselter Pfarrer
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Die Schlagzeilen von diesem Oktober sind ganz anders als noch vor 100 und vor 50 Jahren. Jürgen Ostwald hat im Archiv die Zeitungen durchforstet und nimmt die Leserinnen und Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit.
Donnerstag, 4. Oktober 1923
„Grammatische Deutschheit“
Von Friedrich Rückert, den man männiglich als guten Deutschen kennt, stammt folgendes wortspielendes Gedicht, an das die „Frankfurter Zeitung“ erinnert:
Neulich suchten auf Deutsch vier deutsche Deutschlinge deutschend,
Sich überdeutschend am Deutsch, welcher der Deutscheste sey.
Vier deutschnamig benannt: Deutsch, Deutscherig, Deutscherling, Deutschdich;
Selbst so hatten zu deutsch sie sich die Namen gedeutscht.
Jetzt wettdeutschten sie, deutschend in grammatikalischer Deutschheit,
Deutscheren Comparativ, deutschesten Superlativ.
„Ich bin deutscher als deutsch.“
„Ich deutscherer.“
„Deutschester bin ich.“
„Ich bin der Deutschereste, oder der Deutschestere.“
Drauf durch Comparativ und Superlativ fortdeutschend,
Deutschten sie auf bis zum – Deutschestereteresten;
Bis sie vor comparativisch- und superlativischer Deutschung
Den Positiv von Deutsch hatten vergessen zuletzt.
Diesem Gedicht darf man auch heute noch in einem Landstrich Bedeutung zumessen, in dem seit vielen Jahrzehnten viele Bewohnerinnen und Bewohner sich über Identität und was das denn sei, den Kopf zerbrechen. Davor zerbrachen sich andere den Kopf über Deutschtum im Landstrich, das war ungefähr dasselbe wie Identität, aber irgendwann als Wort wegen bestimmter Vorkommnisse obsolet. Ein Ergebnis ist – soweit ich sehe – bis heute nicht erzielt worden.
Das Gedicht Friedrich Rückerts stammt aus den Jahren kurz nach den Freiheitskriegen Anfang des 19. Jahrhunderts, also aus einer Zeit, als die Nationalismus-Büchse der Pandora geöffnet wurde und das Gift sich bald auch über den oben erwähnten Landstrich Nordschleswig ausbreitete. Als das Gift vollständig wirkte, hat wieder Friedrich Rückert, nunmehr selbst vergiftet, dichtend eingegriffen, und zwar mit seiner Gedichtsammlung „Ein Dutzend Kampflieder für Schleswig-Holstein“ von 1863.
Mittwoch, 10. Oktober 1923
Tondern. Die Schulkommission hat der Amtsschuldirektion folgende Vorschlagsliste für die Besetzung der Stellen an der Mittelschule eingereicht:
- Vizeschulinspektor: 1. Dr. Carl Tilse (Tondern), 2. Ludwig Andresen (Kiel), 3. Leiter der deutschen Schulabteilung in Augustenburg, Bach.
- 1. Lehrerstelle: 1. Peter Enemark Jörgensen (Tondern, bisher an der Alexandrinenschule). 2. Jes Petersen (Tondern, früher in Osterhoist als Vikar tätig), 3. Matth. Johannsen (Tondern. An der Alexandrinenschule angestellt gewesen).
- Stundenlehrerstelle: 1. Gertrud Knüppel (Tondern, früher Alexandrinenschule), 2. Ella Nissen (Tondern, früher Alexandrinenschule), 3. Ulla Grundmann (Tondern, früher Alexandrinenschule).
Es wird noch mitgeteilt, dass die Vorschläge von der Schulkommission einstimmig gemacht worden sind.
Der Wiederaufbau eines deutschen Schulwesens in Nordschleswig ging damals auch in Tondern voran. Auf Carl Tilse, der in unserer Chronik schon öfter mit seiner Jugendarbeit vorgestellt wurde, und den Historiker Ludwig Andresen, nach dem nach dem Wiederaufbau des Schulwesens nach 1945 die deutsche Schule in Tondern benannt wurde, brauchen wir, weil sie unseren Lesern bekannt sind, nicht einzugehen. Niels Petersen Bach, als Bauernsohn aus Schottburg stammend (Jahrgang 1868), war 25 Jahre in Kiel als Lehrer tätig, bevor er 1920 nach Augustenburg kam, um von 1923 bis 1925 Vizeschulinspektor in Tondern zu werden. Anschließend war er fast 40 Jahre an der Kopenhagener privaten Berlitz-Schule tätig – bis 1952, da war er bereits 84 Jahre alt. Er starb hochbetagt 1959 in Kopenhagen.
Betrachten wir noch die Lehrerinnen. Gertrud Knüppel, Jahrgang 1889, besuchte ein Lehrerseminar in Sachsen und war bis 1932 Lehrerin an der Mittelschule in Tondern. Über ihre Kollegin Ella Nissen war nichts zu ermitteln. Ulla Grundmann, 1888 in Tornesch bei Pinneberg als Tochter des dortigen Bahnhofsvorstehers geboren, hatte seit 1908 das Lehrerinnenseminar in Schwerin besucht und war nach einem Studienaufenthalt in Oxford und an der Askov Højskole Hauslehrerin auf Sophienhof bei Eckernförde. Von Oktober 1912 bis 1920 war sie Lehrerin an der Alexandrinenschule, der Höheren Töchter-Schule, in Tondern. Sie wird ab 1923 an der Mittelschule bis 1945 unterrichten. Das war 1923 der Anfang einer Zeit des schwierigen Neubeginns des höheren deutschen Schulwesens in Nordschleswig. Es mussten Mittelschulen (mellemskoler) mit Realklassen (realeksamen) nach dänischem Muster eingerichtet werden, die Abbauklassen der Gymnasien waren ausgelaufen. Leiter der Tondernschen deutschen Mittelschule war Dr. Tilse, Frau Grundmann, die zeitlebens unverheiratet blieb, seine Kollegin.
Unmittelbar nach ihrem Tod im März 1956 – sie war 1955 pensioniert worden – erinnerte sich Ernst Siegfried Hansen, lange Jahre Chefredakteur des „Nordschleswigers“ und Schüler Frau Grundmanns in Tondern, an die Jahre um 1930: „Sie war mit einer natürlichen Autorität ausgestattet. Wenn sie das Klassenzimmer betrat, standen wir da wie die Spargel im Beet. An die Tafel war bereits die Nummer eines Liedes geschrieben, das wir einleitend zu singen wünschten. Dann begann ein ungewöhnlich effektiver Unterricht. Sie legte Gewicht darauf, uns zu selbständig denkenden Menschen zu machen.“ Es blieb „die Erinnerung an eine Lehrerin, die im eigentlichen Sinne des Wortes eine Persönlichkeit war, ausgeglichen von Wesen und Temperament, objektiv in ihrer Einstellung zu den Schülern, energisch in der Durchführung ihrer pädagogischen Absichten, zugleich aber nachsichtig und verständnisvoll gegenüber den jungen, noch sich entwickelnden jungen Menschenkindern.“
Pastor Andreas Schau, der Ulla Grundmann in Tondern im März 1956 zu Grabe trug und seinerseits einstmals ihr Schüler war, sagte am Grab: „Mehr als sie sollte und was als notwendiges Ziel des Unterrichts gesetzt war, gab sie ihren Schülern an Wissen und Einsicht mit und formte so ihr Herz und ihre Charaktere. Ja, selbst später war ein Gespräch mit ihr eine Bereicherung. Noch bei meinem letzten Gespräch kamen wir auf das Wesen des Unterrichts zu sprechen, und sie sah das, was die Kinder Gerechtigkeit nennen, als eine der notwendigsten Grundlagen an.“ Nachrufe und Grabreden haben naturgemäß stets etwas Rühmendes an sich. Aber auch der heutige Leser bemerkt beim Lesen der obigen Zeilen, dass Ulla Grundmann eine besondere Lehrerpersönlichkeit in Nordschleswig war. Jeder von uns hat 30, 40 Lehrkräfte in seiner Kindheit und Jugend gehabt. Glücklich derjenige, der einen oder zwei oder gelegentlich sogar drei Lehrer oder Lehrerinnen hatte, an die er sich mit Dankbarkeit und Anerkennung erinnert. Die anderen mag man vergessen.
Donnerstag, 11. Oktober 1923
Vandalismus an Schinkels Grabmal
Eine betrübende Äußerung der sittlichen Verrohung sind die Beraubungen der Denkmäler und Grabstätten auf den Berliner Friedhöfen. Der alte Friedhof der Dorotheenstädtischen und Friedrich-Werderschen Gemeinde in der Chausseestrasse hat unter den Vandalen besonders schwer zu leiden gehabt. Am schlimmsten ist die Grabstätte Schinkels mitgenommen worden. Von der freistehenden granitenen Säule wurde die wertvolle, aus Bronze gegossenen Krönung und eine der drei bronzenen Rosen der Rückseite entwendet. Das bronzene Reliefbildnis auf der Vorderseite blieb erhalten. Das Denkmal nebst Gitter ist mit Benutzung von Entwürfen Schinkels selbst hergestellt worden.
Schinkels Grab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin und von ihm selbst entworfen ist in den vergangenen Jahren gereinigt und restauriert worden.
Mittwoch, 31. Oktober 1923
Namensänderung der norwegischen Hauptstadt
Die Führer der Linken, der Sozialisten und der Kommunisten im Storthing haben dem norwegischen Parlament den Antrag unterbreitet, dass der Name der Hauptstadt Christiania vom 1. Januar ab in „Oslo“ abgeändert werden soll. Die Stadt trug diesen Namen, bevor ihr vom Dänenkönig Christian IV. der Name „Christiania“ beigelegt wurde. Da die drei Parteien die Mehrheit im Storthing besitzen und auch sonst für die Namens-Änderung Stimmung vorhanden ist, besteht die Aussicht, dass die Änderung beschlossen wird. Man kann auch dieses als ein Anzeichen dafür deuten, welcher Art die Gefühle weiter Kreise in Norwegen gegenüber Dänemark sind, als Ausschlag einer Stimmung, die sich im Streit um Grönland und die Färöer kundgibt.
Das alte Kristiania, deutsch Christiania, weil Christian IV. sich um den Ausbau der kleinen Siedlung bemüht hatte, sollte bereits früher umbenannt werden. Nach der Selbstständigkeit Norwegens1905 nahmen die Stimmen zu. Auch die Stadt selbst wuchs. Im Jahr 1800 hatte die Stadt 9.000 Einwohnerinnen und Einwohner, um 1900 waren es bereits fast 200.000 (unsere Karte), heute (als Oslo) sind es fast 650.000.
Donnerstag, 25. Oktober 1923
Die Kirche zu Sonderburg
Die Sonderburger Kirche gehört als Bau zu den unansehnlichsten des Landes, und wenn sie nicht eine so hervorragende herrschende Lage hätte, so würde sie selbst zwischen den bescheidenen Wohnhäusern der alten Stadt geradezu unbedeutend erscheinen. Von jeher hat sie keine Beachtung gefunden; die gedrückten Mauern, die plumpen Strebepfeiler, das grobe große Dach charakterisieren sie als einen Bau, der zum Gebrauche wohl tauglich sein möchte, aber dem Schönheitsgefühle wenig geben könnte. Seitdem dass, vor reichlich vierzig Jahren, der Turm ausgebaut ist, erscheint sie freilich etwas gefälliger, wenigstens augenfälliger. Doch stößt sich nun heute wieder das feinere Gefühl an der Absichtlichkeit, mit der der Turm solchen Eindruck erzeugen soll, und auch dem oberflächlich Betrachtenden muss es auffallen, in wie starken Gegensatz sich doch dieser neue Bauteil zu dem alten Werke stellt.
So beginnt eine kleine „Würdigung“ der Marienkirche in Sonderburg aus der Feder des damaligen schleswig-holsteinischen Provinzialkonservators Richard Haupt. Er wird im Jahr darauf, 1924, sein über Jahrzehnte wahrgenommenes Amt niederlegen, im Alter von 78 Jahren. Sein Nachfolger wird Ernst Sauermann, der zuvor Direktor des Flensburger Museums war. Beide waren (auf deutscher Seite) herausragende Kenner der nordschleswigschen Kunst und Kultur. Haupts wissenschaftliche Schlussfolgerungen und ästhetische Wertungen waren oft eigenwillig und betont – wie hier – apodiktisch. Das Urteil über die Marienkirche wird vielleicht nicht jeder teilen wollen. Heute ist die Kirche bei gleichbleibender Fernwirkung als Stadtkrone im Gegensatz zu damals baulich sehr eingezwängt. Der Kirchbau entstand im späten 16. Jahrhundert unter Herzog Hans dem Jüngeren als einer der wenigen nachreformatorischen Kirchen in Nordschleswig. Der Turm, von dem Haupt spricht, wurde 1888 errichtet.
Freitag, 12. Oktober 1973
Schnee
Überraschend früh haben die ersten Schneefälle im Harz den „goldenen Oktober“ vorerst beendet. Die zeitweise dichten Schneefälle setzten gestern Vormittag ein, das Quecksilber sank örtlich auf unter null Grad. Mit Nachtbodenfrösten auch in den nächsten Tagen rechneten die norddeutschen Wetterämter. Als erster Alpenpass ist am Mittwoch das Timmelsjoch zwischen Österreich und Italien für den Winter gesperrt worden.
Donnerstag, 25. Oktober 1973
Hermann Claudius 95 Jahre alt
Der Lyriker Hermann Claudius wurde gestern in Grönwohld (Kreis Stormarn) 95 Jahre alt. Gratulant war Bundeskanzler Willy Brandt, der in einem Telegramm erklärte: „Ihr umfangreiches dichterisches Werk gehört zum besten literarischen Besitz unseres Volkes.“
Hermann Claudius (1878-1980) wurde von den Sozialdemokraten wie von den Nationalsozialisten gleichermaßen geschätzt. Er stand in seinen frühen Jahren der Jugendbewegung und der Sozialdemokratie nahe, 1933 unterzeichnete er mit 87 weiteren Dichtern ein Treuegelöbnis zu Adolf Hitler, im selben Jahr wurde er Mitglied der Preußischen Akademie der Dichtung (es waren Stellen frei geworden, denn Ricarda Huch, Thomas Mann, Heinrich Mann, Käthe Kollwitz u. a. waren ausgeschlossen worden). Sein Freund Hans Friedrich Blunck wurde 1933 Präsident der Reichsschrifttumskammer. Im nationalsozialistischen Eutiner Dichterkreis spielten Claudius wie auch Blunck bald eine Rolle.
Aus diesem Kreis stammte ebenso Christian Jenssen (1905-1996), der 1976 eine zweibändige Jubiläumsausgabe der Schriften Claudius’ herausgab – natürlich bereinigt um allerlei Werke, auf deren Fehlen auch nicht weiter hingewiesen wird. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Claudius unter vielen anderen bemerkenswerten Werken seiner Frühzeit der Autor eines der bedeutendsten Lieder der deutschen Arbeiterbewegung war: „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’/ Und die alten Lieder singen / Und die Wälder wiederklingen / Spüren wir, es muss gelingen / Mit uns zieht die neue Zeit. Mit uns zieht die neue Zeit. / (...)“.
Auch in Nordschleswig war Claudius bekannt. Welchem Lebensabschnitt man hierorts zugeneigt war, dem jungen Claudius oder dem alten, belegt ein Bericht vom Oktober 1956: „Die Herbsttagung des deutschen Jugendverbandes für Nordschleswig, die am Sonnabend und Sonntag in der deutschen Nachschule in Tingleff stattfand, stand in diesem Jahr auf einem besonders hohen Niveau. Der Vorstand hatte drei hervorragende Mitglieder des Eutiner Dichterkreises, die Heimatdichter Hermann Claudius, Hans Friedrich Blunck und Hans Heitmann eingeladen. Durch Vorlesungen, u. a. auch aus eigenen Werken, wurde der Sonnabendabend für die vielen Jugendlichen zu einem unvergesslichen Erlebnis.“
Es ist zu bedenken, dass die Veranstaltung von den Geburtsjahrgängen ca. 1935/1940 besucht wurde. Jugendliche an Literatur heranzuführen, hätte verantwortungsvollerer und gebildeterer Männer bzw. Frauen (die aber im damaligen Jugendverband und anderen Institutionen außerhalb der sozialen Bereiche keine entscheidende Rolle spielten) bedurft. 1956 erschienen von Ingeborg Bachmann die Gedichtsammlung „Die gestundete Zeit“, von Arno Schmidt „Das steinerne Herz“, von Friedrich Dürrenmatt „Der Besuch der alten Dame“. Bert Brecht war im August gestorben, im Juli Gottfried Benn.
Montag, 29. Oktober 1973
Kirchenräuber fesselten Pfarrer im Beichtstuhl
An einen Beichtstuhl der römischen Kirche San Pietro in Vincoli gefesselt, musste Pfarrer Francesco de Ponti miterleben, wie drei maskierte Räuber am Sonnabendabend drei wertvolle Gemälde aus dem 16. Jahrhundert stahlen.
Wir nehmen die Meldung einmal zum Anlass, auf ein anderes, nicht gestohlenes, Gemälde hinzuweisen: auf Constantin Hansens kleines (26 x 26 cm) Ölgemälde „Ansicht von San Pietro in Vincoli“ von 1836, das das Stockholmer Nationalmuseum vor ca. zehn Jahren angekauft und mit diesem Titel in seine Sammlungen aufgenommen hat.
Constantin Hansen (1804-1880) gehörte zu der großen Schar jener Maler des „Goldenen Zeitalters der dänischen Malerei“, die sich in Rom weitergebildet hatten. Ein zweijähriges Stipendium eröffnete 1836/37 auch ihm einen neuen Kontinent der Kunst. In der Kirche San Pietro in Vincoli finden sich noch heute ein Fresko Raffaels, besonders aber Michelangelos Julius-Grab. Das zog (und zieht noch heute) Kunstschaffende, Bildungsbeflissene sowie Touristinnen und Touristen an. Aber Hansens Gemälde zeigt gar nicht San Pietro in Vincoli. Der Maler zeigt vielmehr die Torre dei Margani. Dieser mittelalterliche Geschlechterturm steht genau gegenüber der genannten Kirche, der Maler steht also mitten auf der Piazza San Pietro di Vincoli, oben auf dem Esquilin, einem der sieben Hügel Roms. Würde er sich umgewendet haben, hätte er die Kirche gesehen und hätte gleich zu Michelangelo und Raffael, wie es alle anderen getan haben, Thorvaldsen, Eckersberg und alle anderen, hineingehen können.
Mitten auf der Piazza nahm Hansen also die Zeichnung auf, und so entstand später im Atelier als preiswertes Mitbringsel für die Reisenden die abgebildete kleine Ölskizze, wohl eine von mehreren. Hansen bevorzugte oft für Verkäufe das sehr kleine Kammer-Format. Wie Hansen wählten auch andere Maler denselben Standort mitten auf der Piazza für ihre Arbeiten. Wir nennen nur die Deutschen Martin von Rohden (1778-1868) und Andreas Achenbach (1815-1910).
Auch dänische Kollegen waren natürlich mit dem Motiv vertraut. Links neben dem Turm ist eine abschüssige Straße zu erkennen. Sie führt zu einer Treppe, die herab führt zum Colosseum (ca. 500 Schritte), wo 20 Jahre vor Hansen Eckersberg unentwegt gezeichnet hatte.
Warum erwähnen wir das alles? Weil vom 30. September 2023 bis zum 7. Januar 2024 im Kunstmuseum Ripen (Ribe) die ehrgeizige Ausstellung „Som brødre. Venskab og konflikt i guldalderen“ gezeigt wird. Wir begegnen dort zahlreichen Werken von Christen Køkke, Constantin Hansen, Wilhelm Bendz und anderen.