Gesellschaft
Mitarbeiter geförderter Vielfaltprojekte fühlen sich bedroht
Mitarbeiter geförderter Vielfaltprojekte fühlen sich bedroht
Mitarbeiter geförderter Vielfaltprojekte fühlen sich bedroht
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Ihre Projekte werden vom Bund gefördert. Dennoch haben viele der Menschen, die sich für die Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt einsetzen, das Gefühl, dass der Raum für solche Aktivitäten schrumpft.
Viele Mitarbeiter staatlich geförderter Projekte für «Vielfaltgestaltung» fühlen sich aufgrund ihrer Tätigkeit bedroht. Das zeigen die Ergebnisse einer Befragung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.
Die Wissenschaftler hatten für ihre Untersuchung 2020 zunächst die Verantwortlichen für 68 Modellprojekte kontaktiert, die über das Programm «Demokratie leben!» des Bundesfamilienministeriums Zuwendungen erhalten. Die unter dem Titel «Vielfaltgestaltung» geförderten Projekte bearbeiten die Problemfelder Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit, Antiziganismus, Homo- und Transfeindlichkeit, Rassismus sowie den Themenbereich «Chancen und Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft».
Von Diskreditierung bis hin zu körperlichen Übergriffen
Von den 50 Organisationen, die den Online-Fragebogen des DeZIM zumindest teilweise ausfüllten, gaben rund zwei Drittel (34 Organisationen) an, in den zurückliegenden zwölf Monaten «mit konkreten, unmittelbaren Bedrohungen konfrontiert gewesen zu sein». Diese reichten von Diskreditierung, Verleumdung und Diffamierung (54 Prozent) bis hin zu körperlichen Übergriffen, von denen acht Prozent der an der Befragung beteiligten Gruppen berichteten.
In mehreren Fällen sahen sich die Organisationen zudem mit Hackerangriffen und anderen Formen von Cyberattacken konfrontiert. Sachbeschädigung, Beleidigung und Vandalismus wurden ebenfalls als Formen der Bedrohung genannt.
Nach den Urhebern gefragt, gaben Betroffene demnach an, dass die Bedrohungen zum weitaus größten Teil aus dem rechten bis rechtsextremen Spektrum stammen, wozu sie auch sogenannte Reichsbürger und Verschwörungsgläubige zählen. Jüdische Initiativen hätten darüber hinaus Anfeindungen aus dem islamistischen Bereich und
auch vereinzelte Übergriffe aus dem linksextremen, sogenannten anti-imperialistischen Spektrum geschildert. Organisationen, die sich gegen Transfeindlichkeit positionieren, hätten zudem von Diffamierungsversuchen «aus der bürgerlich-konservativen Mitte» berichtet.
Psychische Belastung nur eine der Folgen
Zu den Modellprojekten, die unter dem Titel «Vielfaltgestaltung» gefördert werden, gehören unter anderem ein Projekt mit dem Titel «Meet a Jew» des Zentralrats der Juden in Deutschland, ein Projekt in Halle an der Saale, das sich für Teilhabe und Mitgestaltung junger Migranten in Ostdeutschland einsetzt sowie eine Initiative, die sich «Aufbau, Qualifizierung und Stärkung queerer Bildungsprojekte in strukturschwachen Regionen» zur Aufgabe gemacht hat.
Die Forscher kommen zu dem Schluss, die Bedrohungen seien für die Mitarbeiter der Projekte nicht nur psychisch belastend, sondern beeinträchtigten auch die Arbeitsabläufe. Die Auseinandersetzung mit Bedrohungen, Sicherheitsvorkehrungen sowie Absprachen mit Sicherheitsbehörden und anderen Akteuren seien aufwendig und schränkten dadurch die Mitarbeitenden in ihrer inhaltlichen Arbeit stark ein. Hinzu kämen Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung.
Gerade in einigen Regionen Ostdeutschlands sei es schwer, Mitarbeitende für rassismuskritische Arbeit zu gewinnen, vor allem solche, die selbst einen Migrationshintergrund aufweisen, berichteten die Betroffenen den Wissenschaftlern.
Nach Einschätzung des DeZIM brauchen engagierte Organisationen und ihre Mitarbeiter «wirksame und konsequente Unterstützung». Nur so könne verhindert werden, «dass die unmittelbaren und mittelbaren Angriffe zu einem nachhaltigen Rückzug zivilgesellschaftlichen Engagements führen».