Minderheiten in Europa
Gegen alle Widerstände: So wollen die Deutschen in Polen in Zukunft Schlagzeilen machen
Gegen alle Widerstände: So wollen die Deutschen in Polen Schlagzeilen machen
So wollen die Deutschen in Polen künftig Schlagzeilen machen
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Druck auf die Minderheiten: Die Minderheit in Polen macht sich Sorgen – auch um ihre Zeitung „Wochenblatt“. Deren Chefredakteur würde das Medium gerne modernisieren und einen ähnlichen Weg gehen wie „Der Nordschleswiger“. Doch das Geld ist knapp – und die Inflation hat auch Polen im Griff.
„Wochenblatt.pl“, die Zeitung der deutschen Minderheit in Polen, steht vor großen Herausforderungen – und hat sich deshalb Inspiration aus Nordschleswig geholt. Im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“ gibt Chefredakteur Rudolf Urban einen Einblick in die Situation in Oberschlesien.
Rudolf Urban, warum hast du uns vom „Nordschleswiger“ nach Oppeln eingeladen?
Es ist schon so, dass ich überzeugter Zeitungsleser in Papierform bin. Bücher lese ich sehr gerne noch in ihrer traditionellen Form, aber schon vor längerer Zeit haben wir in den Redaktionen der Medien der deutschen Minderheit gemerkt, dass da etwas Neues kommt, dass die Zeit sich wandelt. Das Papier, auch wenn wir es vielleicht nicht wahrhaben wollen, es ist ein Auslaufmodell und wir müssten uns darauf einstellen. Und es gibt auch einen aktuellen Anlass, die hohe Inflation, die Kosten, die uns einfach auffressen, was den Prozess hin zur Digitalisierung beschleunigt.
Wir wollten nicht im Dunkeln tappen, wir wollen schauen, was ginge vielleicht und was nicht. Und da wir wissen, dass ihr diesen Weg schon gegangen seid, haben wir uns ganz einfach diese professionelle Hilfe geholt.
Die deutsche MInderheit in Polen ist unheimlich groß und über ganz Polen verteilt. Doch eure Redaktion ist im Verhältnis dazu recht klein. Wie viele Journalistinnen und Journalisten seid ihr? Wie viele Mitarbeiter seid ihr insgesamt und seit wann gibt es das Wochenblatt?
Also das Wochenblatt wurde vor mittlerweile 32 Jahren gegründet, als die deutsche Minderheit in Oberschlesien in der Woiwodschaft Oppeln offiziell gegründet werden durfte. Da hat man dann gleich auch ein eigenes Medium geschaffen. Am Anfang war es ein Zweiwochenblatt und es hat mehrmals seinen Namen geändert. Wir sind jetzt seit ein paar Jahren Wochenblatt.pl und nicht nur auf Schlesien bezogen, sondern als Zeitung für alle Deutschen in Polen da.
Die Stammbesetzung der Redaktion, das sind insgesamt vier Personen von hier, nicht alle mit einem Festvertrag. Dazu kommt ein IfA-Redakteur*, und es gibt so ungefähr drei, vier relativ fest mit uns zusammenarbeiten freie Mitarbeiter. Dazu kommt noch der Übersetzer, zwei Korrekturleserinnen und der Grafiker, alle auf Honorarbasis.
Und so versuchen wir unsere 16 Seiten jede Woche mit interessanten Themen zum Thema deutsche Minderheit, ein wenig weniger deutsch-polnische Beziehungen und das Ganze zum großen Teil zweisprachig, deutsch-polnisch zu füllen.
*Das Institut für Auslandsbeziehungen (IfA) in Stuttgart fördert deutschsprachige Minderheitenmedien durch Entsendung von Journalistinnen und Journalisten in deren Redaktionen.
Eure Leserschaft lebt primär im oberschlesischen Raum. Ihr bedient aber Mitglieder der Minderheit in ganz Polen, oder?
Thematisch bedienen wir ganz Polen. Wenn es um den Vertrieb geht, wird es schwieriger als kleines Nischenmedium, wirklich überall zu sein. Da bieten wir den interessierten Lesern ein Abo an. Dann wissen sie, dass sie die Zeitung bekommen und sie nicht irgendwo an Kiosken suchen müssen. Aber es ist schon richtig, dass die meisten Leser in Oberschlesien sind, weil hier auch die deutsche Minderheit am größten ist – und sie auch nicht, wie in anderen Regionen, in Diaspora leben, sondern man findet sie hier fast in jeder Gemeinde, in jedem Ort.
Der Vertrieb über ein so großes Land ist schwierig, und wie du schon sagtest, wird er durch die Inflation auch immer teurer. Wie steht es denn um die Digitalisierung in Polen, verglichen mit Deutschland und mit Dänemark?
Wir sind zwischen Deutschland und Dänemark, würde ich sagen. Wenn ich meine Bekannten oder Verwandten aus Deutschland anhöre, sind wir, glaube ich, deutlich weiter als Deutschland. Wenn es da um Arztbesuche, Rezepte vom Arzt und so etwas geht, um digitale Unterschriften und digitalen Dokumentenverkehr. Das funktioniert alles mehr oder weniger reibungslos hier. Aber es funktioniert nicht bei allen Altersschichten gleich gut.
Das ist vielleicht ein Unterschied zu Dänemark, wo auch viele Senioren digital unterwegs sind. Das sind bei uns nicht so viele. Ich glaube, bei höchstens 60, da hört es auf bei den meisten. Wenn wir diesen Schritt gehen sollten, hin zu online, dann wird das natürlich noch eine zusätzliche Herausforderung. All diejenigen, die noch nicht online sind, von denen es hier vielleicht mehr als in Dänemark gibt, mit im Boot zu behalten.
Wir haben für die Minderheit in Nordschleswig ein Modell gefunden, dass wir noch alle zwei Wochen auf Papier erscheinen. Damit richten wir uns speziell an Personen, die den Umstieg auf Online aus unterschiedlichen Gründen nicht mitmachen können. Wie möchtet ihr diese Herausforderung angehen?
Zum Beispiel so, dass man jetzt statt wöchentlich vielleicht einmal im Monat ein Magazin herausbringt. Da werden wir uns vielleicht ein wenig auch an euch anlehnen. Es soll wirklich gezielt für Personen sein, die eben nicht online, nie online gewesen sind und es auch nicht lernen können. Oder die in Regionen oder Ortschaften leben, wo das Internet halt noch nicht so verbreitet ist. Oder, das ist ein wenig auch ein Spezifikum der Oppelner Region vor allem, dass sehr viele Senioren hier allein leben. Die Familie ist nach Deutschland ausgewandert und die Oma oder der Opa leben dann hier allein, oft in einem großen Haus.
Und da gibt es dann keine Hilfe bezüglich Smartphone oder Tablet ...
Die haben dann eben niemanden in der nächsten Umgebung, der ihnen das so ein wenig näher bringen könnte. Da fehlen vielleicht auch junge Nachbarn, da fehlt vor allem die Familie, der Enkel, der Sohn, die Tochter, die helfen könnten. Für diese Leser müssen wir natürlich auch etwas finden, damit Sie ihr Wochenblatt immer noch haben.
Finanziell steht die deutsche Minderheit in Polen nicht da, wo wir in Dänemark stehen. Gibt es das Gefühl, allein gelassen zu werden?
Es geht dabei gar nicht so sehr nur um Finanzen, sondern es geht auch um die politische und menschliche Unterstützung, die hier viele von der Minderheit seit Jahren vermissen – und die sie zum Beispiel aber gleichzeitig bei der Polonia* im Ausland sehen, die von der polnischen Regierung unterstützt wird.
Kein Minister, kein Regierungschef, auch nicht der Staatspräsident, würde in ein Land reisen und nicht die dortige Polonia besuchen, wenn es eine solche gibt. Das hat die deutsche Minderheit hier in den vergangenen Jahren vermisst. Dass ein Minister, eine Regierungschefin, die es ja 16 Jahre lang gab, das schafft, sich mal mit der Minderheit da zu treffen, wo sie lebt. Das war für viele schon ein Zeichen: „Aha, so viel wert sind wir also nicht.“
*Außerhalb Polens lebende Polinnen und Polen
Die deutsche Minderheit in Dänemark sieht und vermarktet sich immer auch als Brückenbauerin zwischen den Ländern. Wie sieht das hier aus?
Ja, die deutsche Minderheit in Polen sieht sich auch – und sah sich von Anfang an – als Brückenbauerin. Das hat auch am Anfang sehr, sehr gut funktioniert. Viele Städtepartnerschaften basierten am Anfang darauf, dass die deutsche Minderheit in der jeweiligen Stadt oder Gemeinde Kontakte nach Deutschland gesucht hat. Und daraus wuchsen dann diese Partnerschaften.
Aber dann ließ es nach, es wurde begonnen, die deutsch-polnischen Beziehungen zu gestalten, ohne die deutsche Minderheit mit einzubeziehen. Ich halte das für einen Fehler, denn wir sind ja diejenigen, die sowohl die polnische als auch die deutsche Mentalität, die Seele kennen. Wir leben eben in Polen, wir wissen, wie es ist, wie es funktioniert, wir haben Familie auch in Deutschland, leben teilweise auch in Deutschland, können also sagen, was Sache ist.
Wenn die Minderheit selbst aktiv geworden ist, wurde sie dann auch mitgenommen. Aber nie wirklich als Partner und als Mitgestalter dieser deutsch-polnischen Beziehungen, sondern eher als Zusatz. Vielleicht als Mehrwert, aber eben nicht wirklich als Gestalter.
Dabei macht es schon den Eindruck, als würde die Minderheit hier in der Region durchaus geschätzt werden ...
An der Basis wollen die Mitglieder der Minderheit diese Kontakte auch immer noch pflegen. Es geht da mehr um die höheren Ebenen. In der heutigen politischen Situation in Polen wird die Minderheit von der polnischen Politik eher als Vertreter der Bundesregierung angesehen und damit eben auch angegriffen, anstatt dass wir wie polnische Staatsbürger angesehen werden würden.
Immer wieder kommt es dazu, dass man die Minderheit dazu auffordert, die deutsche Außenpolitik zu erklären. Das können wir aber nicht. Auch die politischen Vertreter der deutschen Minderheit können es nicht. Der Abgeordnete der deutschen Minderheit in Polen ist doch kein Vertreter der Bundesregierung im Parlament, sondern der ist polnischer Abgeordnete, nur eben Vertreter der Minderheit. Das erschwert es natürlich auch uns als Minderheit, dass man da, ich will nicht sagen von der Mehrheit, aber von Teilen der Gesellschaft, positiv angenommen wird. Und da werden dann auch antideutsche und somit anti-Minderheitenressentiments geschürt.
Und um gegen solche Ressentiments vorgehen zu können, wäre eine auch digitale Öffentlichkeit für euch wichtig?
Ja, auf jeden Fall. Unsere Zeitung oder unsere Medien generell, wir machen auch Radiosendungen und Fernsehsendungen, die werden nicht nur von der deutschen Minderheit konsumiert. Viele gehören zur polnischen Mehrheit. Oder in Oberschlesien zu den Schlesiern, die eben keine Deutschen und keine Polen sein wollen. Sie informieren sich durch uns über die Tätigkeit der Minderheit, aber auch über die Probleme, die, die die Minderheit gerade hat.
Und ich denke mal, die verstehen dann auch den Standpunkt der Minderheit besser, wenn sie über sich diese Medien informieren können. Ohne diese Öffentlichkeit wäre das deutlich aufwendiger.