Kulturkommentar

„Loslassen“

Loslassen

Loslassen

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

In unserer Kultur ist der Tod ein Thema, das gerne verdrängt wird, schreibt Claudia Knauer in ihrem Kommentar. Menschen in Trauer gehe man aus dem Weg, weil einem die richtigen Worte fehlen. Dabei sei in Wirklichkeit das Ignorieren und Schweigen die falsche Entscheidung.

Es kommt für jede und jeden irgendwann eine Zeit des Abschieds. Das kann ein freudiger sein, wenn zum Beispiel die Schulzeit endlich hinter und die große weite Welt vor einem liegt. Aber selbst dann kann sich der eine oder andere kleine Wermutstropfen im Weinbecher finden, denn auf einmal geht der Freund nach Westen und man selbst nach Osten.

Dann gibt es die Abschiede von einem Land, wenn man, wie ich, Deutschland verlässt und nach Dänemark auswandert. Das Land mag nahebei liegen, aber die gewohnten Wege und die Sprache muss man hinter sich lassen. Natürlich spricht man in der Minderheit immer noch Deutsch, aber es ist anders.

Und dann die Trennungen – von der ersten Liebe, von der zweiten und, wenn es so gar nicht rundläuft, vielleicht auch von dem Menschen, der eigentlich Lebenspartner/partnerin sein sollte. Der Schmerz ist groß, selbst dann, wenn man der Mensch ist, der verlässt.

Den endgültigsten Abschied beschert uns der Tod. Unwiderruflich. Umso wichtiger ist es, nicht nur ein gutes Leben zu leben, sondern auch den Tod beizeiten zu bedenken. Die allerwenigsten wählen ihn selbst. Manchen wird ein guter Tod beschert – einschlafen und nicht wieder aufwachen. Inmitten grünen Grases mit Blick auf das Meer umfallen. Andere müssen sich lange quälen. Wer hier begleitet, braucht den Mut zum Loslassen. Und das gilt ebenso hinterher, wenn das gelebte und beendete Leben in den Gegenständen zur Hand genommen wird. Diese Abschiede sind noch einmal schwer. Und ebenso unumgänglich.

In unserer Kultur sind Tod und Vergänglichkeit Themen, die gerne an den Rand und abgeschoben werden. Lieber nicht darüber nachdenken, nichts sehen wollen. Menschen wechseln die Straßenseite, wenn sie einen Nachbarn in Trauer sehen, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Nicht Worte wären verkehrt, sondern das Ignorieren, aus Sorge, etwas falsch zu machen, ist es. Oft reicht auch eine stille Umarmung. Loslassen müssen wir, allein sollte dabei kein Mensch sein.

Mehr lesen

Kommentar

Jakob Münz
Jakob Münz Praktikant
„Das ist also der Deutsche Tag“