Leitartikel
„Warum Sankelmark? Darum!“
Warum Sankelmark? Darum!
Warum Sankelmark? Darum!
Diesen Artikel vorlesen lassen.
Projektmitarbeiterin Hannah Dobiaschowski war zum ersten Mal bei der Neujahrstagung des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) in Sankelmark dabei. Warum sie die Veranstaltung weiterempfehlen kann, erzählt sie in diesem Artikel.
Als ich am Sonntag von der Neujahrstagung in Sankelmark nach Hause fuhr, hatte ich das Gefühl, ein schönes Wochenende verbracht zu haben. Ich war müde, aber auch irgendwie erfüllt. Aber steht das nicht im Gegensatz zu manchen Gerüchten, die sich über Veranstaltungen der deutschen Minderheit verbreiten?
Sie seien langweilige Pflichtveranstaltungen, das Wort Vortrag steht immer wie ein Schreckgespenst im Raum. Oft ist über Reformen solcher Veranstaltungen die Rede, und der gemeinsame positive Nenner mit dem Deutschen Tag in Tingleff findet sich in der Torte.
Wie BDN Generalsekretär Uwe Jessen vergangene Woche in einem Interview betonte, seien für Sankelmark keine Reformen geplant. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass große Reformen notwendig sind.
Ob sich jemand verpflichtet gefühlt hat, teilzunehmen, kann ich nicht beurteilen, aber wahrscheinlich waren die meisten da, weil sie dabei sein wollten. Vielleicht geht es auch genau darum: dabei sein. Beisammen sein. Das jedenfalls war für mich der Kern der Veranstaltung.
Die Vorträge
Bei meiner Ankunft mojne ich so viel wie schon lange nicht mehr. Unter den über hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind sehr viele bekannte Gesichter, die unbekannten grüßt man natürlich auch.
Man richtet sich ein. Auf dem Programm steht eine Reihe Vorträge, und auch wenn es im Saal keine festen Plätze gibt, suche ich nach jeder Pause dieselbe Ecke auf und habe zumeist dieselben Leute um mich herum.
Bücherbus-Matthias zum Beispiel, der so stillsitzt, dass er einen ganzen Vortrag lang seine Teetasse nebst Untertasse auf dem Oberschenkel balancieren kann und gelegentlich eine Bemerkung macht, die seine Umgebung zum Lachen bringt. Und Blaustich-Jana, die den Mangel an Keksen bei der Kaffeepause durch ihren Vorrat an Süßigkeiten wettmacht und großzügig verteilt. Oder ein paar von den Jungen Spitzen, mit denen ich über einen schier endlosen Redebeitrag aus dem Publikum in ungläubiges Gekicher ausbreche.
Zwischen den Vorträgen
Und dann ist da die Zeit zwischen den Vorträgen. Oder vielleicht sollte man sagen: Da ist vor allem die Zeit zwischen den Vorträgen. Beim Frühstück, Kaffeepause (ohne Kekse), Mittag, Kuchenpause und Abendessen habe ich richtig viel Zeit für alle Menschen, die ich schon lange kenne oder gerade erst kennengelernt habe. Ich höre typisch nordschleswigsche Vorstellungs-Formeln: „Bist du auch ‚Nordschleswiger‘?“ „Nein, ich bin Bücherei.“
Es ist Zeit für Klatsch und Tratsch, aus einem Gespräch über eine konkrete Projektidee wird nach einer Weile ein persönlicher Austausch über die Kinder.
Viele dieser Menschen treffe ich bei verschiedenen Veranstaltungen in der Minderheit, aber oft ist nicht genug Zeit, ich selbst habe zu tun oder andere sind eingebunden. In Sankelmark ist das anders.
Abendveranstaltungen
Dann sind da noch die Abende. Eigentlich hatte ich vor, mich an dieser Stelle an den Rat meines Sitznachbarn beim Kneipenquiz des Museums zu halten, der sinngemäß und scherzhaft sagte: Was in Sankelmark passiert, bleibt in Sankelmark. Nachdem aber ein Foto von vier fröhlichen Menschen auf einem Tisch umgehend den Weg in die sozialen Medien gefunden hatte, ist das irgendwie hinfällig. Ob ich eine der Personen auf dem Tisch bin, könnt ihr jetzt raten.
Fragen
Zwischendurch frage ich mich: War dieses Wochenende für mich so toll, weil ich schon so viele Menschen kannte und die Strukturen und Eigenheiten der Minderheit nicht mehr neu für mich sind? Wie wäre es für Minderheiten-Neulinge, die nicht das Gefühl haben, bei der Platzsuche beim Frühstück an mindestens vier Tischen Leute zu finden, mit denen sie sich gerne unterhalten möchten. Macht diese Veranstaltung aus, dass man sich kennt? Wie wäre es für mich vor fünf Jahren gewesen?
Empfehlung
Ich werde auf jeden Fall wieder an der Neujahrstagung in Sankelmark teilnehmen. Ich hatte viel Spaß, ich hatte gute Gespräche und nicht zuletzt durch die Vorträge einige Erkenntnisgewinne. Es hat sich ein nettes Gemeinschaftsgefühl eingestellt, das Gefühl, dazuzugehören, Teil der Minderheit zu sein. Ich kann wirklich jedem empfehlen, auch mal zu kommen. Das kann auch nur für ausgewählte Veranstaltungen sein, nicht alle waren die ganze Zeit dabei. Wer aber gerne unter Menschen ist und Kaffeepausen ohne Kekse nicht schlimm findet, dem kann ich nur sagen: auf nach Sankelmark!