Kulturkommentar
„Kanelstang, Brunsviger und Brødtorte: Kultur geht durch den Magen“
Kanelstang, Brunsviger und Brødtorte: Kultur geht durch den Magen
Kanelstang und Brunsviger: Kultur geht durch den Magen
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„Nordschleswiger“-Praktikantin Anna Ittner hat nun drei Monate in Dänemark verbracht. Warum neben Landschaftsbewunderung und Museumsbesuchen auch Gebäck einen wesentlichen Bestandteil am Erleben eines neuen Landes für sie ausmacht, schreibt sie in ihrem Kulturkommentar.
Dänemark. Bevor ich im Juli hierhergekommen bin, wusste ich nicht viel über das Land. Rot-weiße Flagge, viel Strand, etwas teuer – das war im Grunde mein Wissensstand. Umso mehr habe ich während meines dreimonatigen Praktikums in der Redaktion des „Nordschleswigers“ in Apenrade darangesetzt, die Region kennenzulernen. Doch wie stellt man das eigentlich am besten an? Meine Antwort nun kurz vor meiner Abreise: Kuchen.
Kultur aus zweiter Hand
Die Kultur des anderen Landes kennenlernen, das wollen viele Reisende. Leicht gesagt, doch so einfach ist es dann gar nicht. Man kann ja schlecht an beliebige Türen klopfen und wildfremde Familien fragen, ob man nicht mal beim hyggeligen Abendessen zuschauen oder sie an einem typischen Sonntag begleiten kann. Klar, man kann an Veranstaltungen teilnehmen, ins Theater gehen, ein Museum besuchen.
Auch die Landschaft sollte man sich anschauen, und davon hat Dänemark ja von Lolland bis Röm (Rømø) und von Kollund bis Skagen viel zu bieten. An all solchen Orten kann man vieles über die Geschichte und Gebräuche des Landes lernen. Aber eben immer nur aus zweiter Hand.
Die direkteste – und praktischerweise gleichzeitig einfachste – Art jedoch, ein anderes Volk kennenzulernen, ist zu essen, was sie essen. Das ist ein Kulturerlebnis von innen heraus. Die gleichen Gerichte den eigenen Gaumen beglücken lassen, wie die Einheimischen es mit ihrem tun. Sich den Bauch von der gleichen Suppe wärmen lassen, den gleichen Käsegestank im Kühlschrank haben, sein Brot auf die gleiche Weise belegen.
Risikoarmes Geschmacksabenteuer
Meine Wahl fällt bei dieser Art des eintauchenden Kulturerlebens mit Vorliebe auf Gebäck. Immer süß, immer lecker – da kann man einfach nicht viel falsch machen (zum Glück hat es der Lakritzwahn hierzulande nicht in die populärsten Kuchen geschafft). Selbst wenn sich die süße Kaffee-Beilage dann nicht als das entpuppt, was ihre Bezeichnung angibt.
Sich den Bauch von der gleichen Suppe wärmen lassen, den gleichen Käsegestank im Kühlschrank haben, sein Brot auf die gleiche Weise belegen.
Ich habe Æblekage bestellt, in dem Glauben, ein Stück Apfelkuchen zu bekommen, wie der Name suggeriert, und war freudig überrascht statt enttäuscht, als der Kellner mir ein Glas köstliches Kompott servierte. Auch die Brødtorte enthielt weniger Brot, als ich angenommen hatte, und war – wahrscheinlich deswegen – noch leckerer als erwartet.
Endloser Zimt
Die Dänninen und Dänen machen auch, was die Menge an Zimt in ihren Teigvariationen angeht, aus meiner Sicht einfach sehr viel richtig. Hier scheint zu gelten: je mehr, desto besser. Kanelstange, Kanelsnegl, Kanelsnurrer, … die Auswahl in der Vitrine ist schier grenzenlos.
Mein Highlight-Gebäck aber ereilte mich ganz unverhofft: Eine Besucherin der Redaktion brachte es mit. Von Fünen, was, wie mir gesagt wurde, der beste Ort für diesen Kuchen ist: den vor Butter-Zucker-Soße triefenden Brunsviger.
Kuchen muss man teilen
Und was hat das ganze Gefuttere nun mit der dänischen Kultur zu tun? Sehr viel, denke ich. Die Vielfalt an Kuchen und Teigwaren passt perfekt zum dänischen Lebensstil, wie ich ihn verstanden habe: voll Hygge und Gastkultur, Gemütlichkeit und Gemeinschaftssinn. Kuchen ist süß, Kuchen kann oder muss man sogar teilen, Kuchen schmeckt allen gut, Kuchen bringt die Leute zusammen an einen Tisch. Wie könnte man die dänische Mentalität denn besser zusammenfassen?
Abschließend ist also zu sagen: Dass es in Apenrade statt einem Fast-Food-Restaurant eine Drive-in-Bäckerei gibt, sagt für mich eigentlich alles über dieses Land aus, was man wissen muss.