Dezentralisierung

Alles nur „heiße Luft“? Das sagen Nordschleswigs Bürgermeister zum Provinz-Plan der Regierung

Alles nur „heiße Luft“? Das sagen Nordschleswigs Bürgermeister zum Provinz-Plan der Regierung

Alles nur „heiße Luft“? Das sagen Nordschleswigs Bürgermeister zum Provinz-Plan der Regierung

cvt/mon/rie/gp/lev/Ritzau
Apenrade/Kopenhagen
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Henrik Frandsen
Tonderns Bürgermeister Henrik Frandsen. Foto: André Thorup (JydskeVestkysten)

Gerade einmal 20 zusätzliche staatliche Jobs werden in der zweiten Runde des Dezentralisierungs-Planes der Regierung von der Hauptstadt nach Nordschleswig verlegt. Tonderns Bürgermeister ist enttäuscht, Apenrades Bürgermeister freut sich über Apple und Google und Verbände warnen vor Kompetenzverlust.

Lediglich über 20 weitere Stellen, von denen zuvor nichts bekannt war, kann sich Nordschleswig freuen. Die staatliche IT-Abteilung richtet Arbeitsplätze für 20 Mitarbeiter in Augustenburg in der Kommune Sonderburg ein. Das steht nach der Bekanntgabe des zweiten Teils des Planes „Besseres Gleichgewicht“ durch Regierungschef Lars Løkke Rasmussen und Innovationsministerin Sophie Løhde (beide Venstre) am Mittwoch fest. Bei der ersten Runde der Dezentralisierung im Jahre 2015 hatten Nordschleswig und das südliche Jütland noch über 700 neue Stellen gejubelt.

Auch bei den neuen Ausbildungsstätten sieht es düster aus: Keine der zehn neuen Einrichtungen, von denen am Mittwoch die Rede war, kommt nach Nordschleswig. Die 83 bzw. 80 „neuen“ Jobs bei der Steuerbehörde in Tondern und Hadersleben standen schon lange vor der heutigen Bekanntgabe  fest.

Tonderns Bürgermeister: „Heiße Luft“

Entsprechend enttäuscht reagierte Tonderns Bürgermeister Henrik Frandsen (Venstre): „Ich bin etwas enttäuscht darüber, dass der Ehrgeiz nicht größer ist“, sagte er dem Nordschleswiger zu der Tatsache, dass die Verlagerung staatlicher Arbeitsplätze einen Bogen um die Kommune Tondern machte, und dass die großen Städte wie Odense, Aalborg und Aarhus zu den Gewinnern gehören.

„Der Titel  ’Eine bessere Balance’ trifft in diesem Zusammenhang nicht für Tondern zu. Da ist wohl eher von Festreden und heißer Luft die Rede“, so Frandsen mit Blick darauf, dass die im Zuge der Neuaufstellung der Behörde Skat schon zugesicherten 83 Stellen für die Schulden-Eintreibung sich nun in das Präsentations-Material eingeschlichen haben. „Dabei handelt es sich nicht um die Verlagerung von neuen Arbeitsplätzen, sondern um den Rettungsplan für Skat“, kritisiert Frandsen.

Apenrades Andresen freut sich für die Gewinner

Thomas Andresen (Venstre), Bürgermeister in Apenrade, sagte dem Nordschleswiger: „Ich freue mich darüber, dass staatliche Arbeitsplätze nach Nordschleswig verlagert werden. Die Apenrader Bürger erhalten die Möglichkeit, in Nachbarkommunen zu arbeiten. Wir bekommen ja in absehbarer Zeit um die 500 private Arbeitsplätze, die Apple und Google benötigen. Ich bin alles andere als enttäuscht, und freue mich für die Kommunen, die staatliche Arbeitsplätze erhalten.“

Mit 20 weiteren staatlichen Stellen nicht gerade üppig ausgestattet wurde Apenrades Nachbarkommune Sonderburg. Ihr Bürgermeister Erik Lauritzen (Soz.) freute sich am Mittwoch: „Wir sind sehr zufrieden. Wir haben weitere 20 hochspezialisierte Arbeitsplätze zusätzlich zu den 376 Jobs erhalten, die mit der Landwirtschaftsbehörde kamen. Damit baut die Regierung auf die guten Erfahrungen, die wir bei der Etablierung optimaler Rahmenbedingungen für öffentliche Arbeitsplätze gemacht haben. Gleichzeitig ergibt es Sinn, die vielen zur Verfügung stehenden Quadratmeter in Augustenburg besser zu nutzen.“

Haderslebens Bürgermeister Hans-Peter Geil (Venstre) sagte nur knapp: „Ich bin zufrieden! Wir haben 80 neue Arbeitsplätze bekommen – darüber hinaus auch zwei neue Ausbildungen am UC Syd.“

Opposition warnt vor Bluffnummer

Martin Lidegaard, finanzpolitischer Sprecher der sozialliberalen Radikale Venstre, kritisiert die Dezentralisierungsmaßnahmen der Regierung als große Bluffnummer. Es würden 4.000 Jobs ausgelagert – und zugleich rund 5.000 Stellen „alleine im Ausbildungsbereich“ außerhalb von Kopenhagen gestrichen, schreibt er auf Twitter. Den 160 Millionen Kronen, die in neue Ausbildungsmaßnahmen investiert werden, stünden drei Milliarden Kronen gegenüber, die die Regierung außerhalb Kopenhagens im Bildungsbereich einsparen will, schreibt er.

Auch von diversen Verbänden kommt Kritik. Der Abteilungsleiter für öffentlich Beschäftigte in der Ingenieursgewerkschaft IDA, Carsten Eckhart Thomsen, spricht von drohendem Kompetenzverlust: „Es ist eine heftige Ankündigung, und man gefährdet die Expertise, die in den staatlichen Behörden aufgebaut wurde. Außerdem besteht die offensichtliche Gefahr, dass die Wachstumsmöglichkeiten für das lokale Gewerbe deutlich verringert werden“, sagt er.

Der Zentralrat der Behinderten (DCH) soll nach Brovst in Nordjütland umziehen. Dem Vorsitzenden des Dachverbandes der Behindertenverbände, DH, Thorkild Olesen, gefällt das gar nicht. „Ich befürchte, dass wichtiges Wissen verloren geht, wenn der Zentralrat der Behinderten vermutlich Mitarbeiter verliert und Veränderungen durchmachen muss. Eine wichtige Aufgabe des Behindertenrates ist es, Wissen zu sammeln und Zusammenarbeit zwischen Behörden, Organisationen, Wirtschaft und anderen zu schaffen“, schreibt er in einer Pressemitteilung.

Landwirte erfreut

Anders sieht es der landwirtschaftliche Dachverband Landbrug & Fødevarer. „Das Nahrungsmittelcluster steht ohnehin bereits für einen großen Teil der Beschäftigung in den Außengebieten, wo sehr viele Unternehmen und Landwirte derzeit feststellen, dass es schwer ist, qualifizierte Arbeitskraft zu finden“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Lone Andersen.

Rune Moesgaard, politischer Chef des Fernwärme-Verbandes Dansk Fjernvarme macht sich unterdessen Sorgen über die Zukunft der Energieaufsichtsbehörde, die nach Frederiksværk ziehen soll „Wir können nur dafür appellieren, dass das gründlich vorgearbeitet wird, bevor die Energieaufsichtsbehörde nach Frederiksværk verlegt wird, damit kein größerer Kompetenzverlust als nötig entsteht“, schreibt er in einer Pressemitteilung.

Die Vorsitzende des Angestellten-Dachverbandes FTF, Bente Sorgenfrey, kritisiert, dass die Mittel für die Verlegung von Ausbildungsplätzen in Provinzorte nicht ausreichen würden. „Es ist positiv, dass die Regierung die Ausbildungsmöglichkeiten für junge Leute in der Provinz gerne priorisieren will, aber die Initiative wird leider von riesigen Einsparungen überschattet, die die Regierung weiterhin aus den Ausbildungen abzieht“, sagt sie.

Hans Kristian Skibby, wachstumspolitischer Sprecher der Dänischen Volkspartei (DF), sieht unterdessen die Verteilung vor allem in die großen Städte kritisch: Die Zielsetzung, dass „unsere großen Provinzstädte in Sachen staatliche Arbeitsplätze deutlich mehr berücksichtigt werden sollten“ sei nicht eingehalten worden. Die Universitätsstädte würden auch ohne die zusätzlichen Jobs gut auskommen, meint er.

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