Wissenschaft
Eltern werden: Nichts für schwache Nerven
Eltern werden: Nichts für schwache Nerven
Eltern werden: Nichts für schwache Nerven
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Forschung gibt es auch in Nordschleswig: Christina Prinds ist eine der Forscherinnen, die hier arbeiten. Es gibt kaum Wissen über den Prozess, Eltern zu werden. Das wollte sie ändern. Die ausgebildete Hebamme hat sich in einer Untersuchung mit Frauen und Männern beschäftigt, die Eltern werden. Dabei ist sie ihrem Ziel ein großes Stück näher gekommen, mehr darüber zu erfahren, welche Bedeutung das Elternwerden für die Menschen hat.
Welche Gefühle haben Frauen, die ein Kind zur Welt bringen oder gebracht haben? Was geht in ihnen vor? Gleiches gilt für Männer: Was fühlen Männer, die Väter werden? Welche Freuden oder Sorgen gehen ihnen durch den Kopf?
Es gibt viele Fragen zum Thema Elternwerden. Doch Antworten gibt es wenige – zumindest auf Forschungsebene. Das ist Christina Prinds aufgefallen. Die ausgebildete Hebamme forscht seit 14 Jahren im Bereich der Geburtshilfe. Eine halbe Stelle hat sie für ihre Forschung am Apenrader Krankenhaus, mit einer weiteren halben Stelle lehrt sie an der Süddänischen Universität (SDU).
Jetzt hat sie sich mit einem neuen Forschungsfeld auseinandergesetzt. „Wie das Leben sich verändert, wenn man Eltern wird“.
Es passiert etwas beim Elternwerden
25 Jahre hat Christina Prinds Mütter und Väter auf dem Weg zum Elternwerden und auch danach begleitet. Im Laufe dieser Jahre bemerkte sie, dass „es so viel gab, dass wir über die Elternschaft nicht wissen“, sagt sie. Dabei sei jedoch nicht der physische Vorgang gemeint, macht sie deutlich. Es geht um die psychischen Vorgänge in den Müttern und Vätern. Damit hat sie sich bei ihrer Forschung Apenrader Krankenhaus (Sygehus Sønderjylland) beschäftigt – als eine der wenigen weltweit.
Wenig Wissen über die Mehrheit
„Die meisten kommen ins Krankenhaus, bekommen ihr Kind und gehen wieder. Über sie wissen wir jedoch am wenigsten“, berichtet die Forscherin. Für sie genug Anlass, um sich dieses Themas anzunehmen.
Im Mittelpunkt der Forschung am Apenrader Krankenhaus stehen in der Regel die sogenannten Volkskrankheiten, also solche, an denen die meisten erkranken. „Jetzt ist das Elternwerden keine Krankheit, doch eine Geburt hat für wirklich viele Menschen große Bedeutung“, sagt die Forscherin.
„Fast alle haben sich über das Elternwerden Gedanken gemacht. Kann ich Mutter oder Vater werden? Will ich das? Wie werde ich als Elternteil?“, seien solche Fragen, die sich viele angehende Eltern stellen.
Forschung vor und nach der Geburt
Christina Prinds hat während ihrer Forschung mit vielen angehenden Eltern gesprochen – auch mit solchen, die schon Eltern geworden sind. Bis eineinhalb Jahre nach der Geburt reichen ihre Untersuchungen.
Eine der Untersuchungen zum Elternwerden basiert auf einem Frageschema, das breit im ganzen Land an Frauen und Männer verteilt wurde, die sich in dieser Lebensphase befinden.
„75 Prozent der Befragten haben geantwortet, dass sich die Bedeutung und das Ziel des Lebens verändert hätten“, berichtet sie. Nachfolgend gab es weitere Untersuchungen. Mehrere Interviews wurden geführt. Wie erleben sie es, Eltern zu werden, war die Frage.
Sorge um die Partnerin und Paradox
„Einige Väter berichteten, wie sehr sie sich um die Partnerin sorgten“, berichtet die Hebamme. Pass auf, wenn du mit dem Rad nach Hause fährst, lautete beispielsweise ein oft gesagter Satz. „Eine neue Form von Verantwortung, die mit der Schwangerschaft kommt.“ Für manche Väter sei auch die Geburt ein Erlebnis, bei dem sie sich große Sorgen um die Partnerin machten. „Geht alles gut? Wie lange dauert das? Geht die Geburt gut?“ Doch kaum jemand spreche mit anderen über diese Ängste und Sorgen – besonders nicht die Männer.
Hinzu komme ein Paradox: „Die werdenden Eltern freuen sich auf das Kind, doch schwingen auch hier Sorgen und Ängste mit. Werde ich eine gute Mutter, ein guter Vater?“
Zweifel bei Eltern, die schon ein Kind haben
Selbst bei Paaren, die schon einmal Eltern geworden sind, können Zweifel auftauchen. „Es gab ein Paar, das wenige Tage nach der Geburt des zweiten Kindes in der Küche stand und sich einig war: Wir hätten sie nicht bekommen sollen.“ Solche Paradoxe können entstehen, obwohl sich die Menschen auf das Kind gefreut haben. „Doch das zweite Kind ist eben nicht wie das erste. Es ist vielleicht keine reelle Reue, sondern mehr ein Ausdruck von Machtlosigkeit“, sagt die Forscherin.
Sterblichkeit wird bewusst
Auf solche Paradoxe sind Christian Prinds und ihr Team mehrfach gestoßen. „Eine Geburt ist mehr als eine glückliche Begebenheit“, fasst sie zusammen. Ein weiteres Paradox ist die Sterblichkeit, die den werdenden Eltern bewusster wird. „Obwohl wir in einem der sichersten Länder weltweit leben, kann man unsicher sein. Passiert etwas mit mir, meinem Kind oder meinem Partner?“, sagt sie. Es ist die Angst, jemanden zu verlieren, die vielen werdenden und neuen Eltern im Kopf herumgeistert. Man entdeckt jedoch seine eigene Verletzlichkeit und die des Lebens.
Es seien neue Gedanken, dass die Verletzlichkeit des Partners – oder auch die eigene – eine bedeutende Rolle einnimmt.
Komplexe psychologische Vorgänge
Eine Geburt habe jedoch ebenso viele – wenn nicht mehr – positive Einflüsse auf die Menschen: „Viele sagen, dass das Band zwischen ihnen und der Partnerin oder dem Partner enger geworden sei. Besonders im ersten Jahr, nachdem das Kind auf die Welt kam“, sagt die 50-Jährige.
„Es ist also wesentlich komplexer, Eltern zu werden, als wir bisher wussten“, sagt Christina Prinds.
Thema soll offener kommuniziert werden
Mit ihrer Forschung möchte sie auf die Gefühle und Gedanken aufmerksam machen, die die angehenden oder neuen Eltern beschleichen können. „Sie sollen nicht denken, dass solche Gefühle oder Gedanken falsch sind. Sie sind natürlich“, erklärt sie. „Wir wollen mit unseren bisherigen Ergebnissen Bewusstsein dafür schaffen, dass es viele Eindrücke gibt. Das ist nicht nur für die Eltern wichtig, sondern auch für die Menschen im Gesundheitssystem, die mit Geburten zu tun haben. Deshalb haben wir Fortbildungen und Kurse durchgeführt, die sich mit dem Thema befasst haben“, berichtet Christina Prinds. Das Wissen solle verbreitet werden, so ihr Ziel.
Sie fordert die werdenden Eltern dazu auf, über ihre Gefühle, ihre Sorgen und Ängste zu sprechen.
Inzwischen gibt es unter anderem Fernsehserien, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Es freut Christina Lange Prinds, dass das Thema mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. So empfiehlt die Forscherin die deutsche Fernsehserie „Push“, die bei DR ausgestrahlt wird und in der drei Hebammen bei ihrer Arbeit begleitet werden.