Historisches
Atemberaubender Flug eines Lendemarkers durch die deutsch-dänische Geschichte
Atemberaubender Flug eines Lendemarkers durch die deutsch-dänische Geschichte
Atemberaubender Flug durch die deutsch-dänische Geschichte
Diesen Artikel vorlesen lassen.
Der nordschleswigsche Historiker René Rasmussen liefert mit seinem Buch „Danmarks bedste flyver“ über den 1890 in Lendemark geborenen Christian L. Johannsen einen spannend geschriebenen Einblick in die im Ersten Weltkrieg bei der deutschen Luftwaffe begonnene Karriere des einst berühmten dänischen Luftfahrtpioniers. Flüge nach China, Rettung aus den Fluten des Atlantik und undurchsichtige Einsätze für Hitler-Deutschland waren Stationen im Leben des 1972 verstorbenen Abenteurers.
Im Jubiläumsjahr der Volksabstimmungen im deutsch-dänischen Grenzland und anlässlich der Rückschau der dänischen Feierlichkeiten anlässlich der kurz zuvor erfolgten Vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark fand der Auftritt eines Flugzeugs, das einen Dannebrog aus großer Höhe während des Volksfestes auf den Düppeler (Dybbøl) Schanzen bei Sonderburg (Sønderborg) abwarf, Erwähnung.
Beim Grenzjubiläum Erinnerung an Flugpionier Johannsen
Der nordschleswigsche Historiker und Museumsinspektor im Museum Sønderjylland Schloss Sonderburg, René Rasmussen, hat die Lebensgeschichte des 1920 in dem Doppeldecker über König Christian X. und vielen Tausenden dänischen Nordschleswigerinnen und Nordschleswigern während des Wiedervereinigungsfestes kreisenden Piloten Christian L. Johannsen erforscht und niedergeschrieben.
Das vom historischen Verein „Historisk Samfund for Sønderjylland“ herausgegebene reich illustrierte Werk bietet auf 352 Seiten einen atemberaubenden Flug durch die deutsch-dänische Geschichte.
Geburtsort im deutschen Nordschleswig
Interessant gerade auch für Leserinnen und Leser in der deutsch-dänischen Grenzregion ist die Darstellung der Kindheit und Jugend des 1890 im dänischen Lendemark im damaligen deutschen Kreis Tondern (Tønder) geborenen und überwiegend im heute deutschen Flensburg (Flensborg) aufgewachsenen Johannsen. Detailliert schildert René Rasmussen die Lebensverhältnisse des jungen Johannsen, der vor Beginn seiner kurzen Fliegerkarriere gegen Ende des Ersten Weltkriegs seinen Militärdienst absolvierte und nur knapp gefährliche Fronteinsätze in deutscher Uniform überlebte.
Eine Verwundung war es, die dem luftfahrtbegeisterten jungen Nordschleswiger eine Pilotenausbildung eröffnete und kurz vor der deutschen Niederlage 1918 Gefechte während der damals halsbrecherischen Einsätze mit feindlichen Fliegern überleben ließen.
Karriere in Dänemark fortgesetzt
Rasmussen beschreibt, wie es Johannsen nach 1918 gelang, seine Tätigkeit nach Dänemark zu verlegen und sogar am Aufbau einer dänischen Luftwaffe mitzuwirken. Vor allem geht es aber darum, wie der Nordschleswiger es während der frühen 1920er-Jahre geschafft hat, sich mit Schauflügen, als Charterpilot und schließlich vielen spektakulären Flügen hinaus in die weite Welt den Ruf als „Danmarks bedste flyver“ erworben hat.
Beeindruckend sind die Berichte über diverse Flughavarien, die der auf zeitgenössischen Fotos im überzeugenden Helden- und Abenteureroutfit abgebildete Johannsen überlebt hat.
Reise per Flugzeug nach China
So begleitet man bei der Lektüre den Flieger bei seiner Expedition nach China, wo Johannsen dem Regime des damaligen Herrschers Chiang Kai-chek beim Aufbau einer eigenen Luftwaffe behilflich war. Der Autor hat viele Zitate aus Interviews mit Johannsen in seinen Text eingebaut. Mitunter mit augenzwinkernden Hinweisen, dass Johannsen auch die Kunst verstand, mit etwas Fantasie das wohl auch unter Flugpionieren beliebte „Seemannsgarn“ zu spinnen.
Das wohl spannendste Kapitel handelt vom Atlantikflug Johannsens im Jahre 1931, der ausgehend von Lissabon mit einer Notlandung vor Neufundland beinahe zum Tod des Flugpioniers und seiner Besatzung geführt hat.
Autor Rasmussen hat eine umfangreiche Zahl von Quellen ausgewertet, um den Überlebenskampf der Crew und deren spektakuläre Rettung durch ein norwegisches Frachtschiff darzustellen.
Trotz der Ehrungen Johannsens in Dänemark verlegte der gebürtige Nordschleswiger, der 1920 die Vereinigung seiner Heimat mit Dänemark unterstützt hatte, seine Tätigkeit wieder nach Deutschland. Begünstigt von seiner deutschen Schulausbildung und deutschem Militärdienst war er zunächst in der zivilen Luftfahrt, unter anderem mit Hamburg-Fuhlsbüttel als Base, im Einsatz.
Zweite Karriere in Nazideutschland ab 1933
Sehr interessant zu lesen ist, wie Johannsen eine zweite „Karriere“ als Flieger nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten starten konnte. Der inzwischen nicht mehr ganz junge Pilot wurde NSDAP-Mitglied. Rasmussen berichtet über teilweise undurchsichtige Aufgaben Johannsens, aber auch über Probleme des gegenüber den Nazis vermutlich opportunistisch auftretenden Piloten mit dem Terrorregime.
Es liegen offenbar keine Dokumente über alle Tätigkeiten Johannsens vor allem als Fluglehrer bis zur Niederlage Nazi-Deutschlands vor.
Beteiligt an Versuchen mit Düsenflugzeugen
Er war offenbar auch an Versuchen mit den seinerzeit neuen Kampfflugzeugen mit Düsenantrieb der deutschen Luftwaffe beteiligt. Beschrieben wird auch, wie Johannsen nach 1945 nach Dänemark zurückkehrte, dort teilweise unter sehr bescheidenen Umständen sein Leben fristete. Der einzige Sohn Werner, der in Deutschland während des Krieges Militärdienst leistete, ist 1951 in Indochina umgekommen, als Mitglied der französischen Fremdenlegion.
Das Buch bereichert nicht nur die nordschleswigsche Geschichtsschreibung. Es gibt auch Einblicke in die Zeit der Demilitarisierung Deutschlands infolge des Versailler Friedensvertrags von 1919 und das oft undurchsichtige Treiben Deutschlands bereits während der Weimarer Republik, wieder eine eigene Luftwaffe und Luftfahrtindustrie aufzubauen – mit Christian Johannsen aus Lendemark als einem Mitwirkenden.
Das sehr lesenswerte Buch ist zum Preis von 298 Kronen im Buchhandel erhältlich.