Deutsche Minderheit
Festgottesdienst zu 100 Jahren Nordschleswigsche Gemeinde: Die Kirche baut Brücken
Festgottesdienst zu 100 Jahren Nordschleswigsche Gemeinde: Kirche baut Brücken
Festgottesdienst: Die Kirche baut Brücken
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Die Kirche der deutschen Minderheit in Nordschleswig feierte ihr 100-jähriges Bestehen. Beim Festgottesdienst gab es viel Lob für die Nordschleswigsche Gemeinde – aber auch mahnende Worte.
Die Nordschleswigsche Gemeinde (NG) sei ein wichtiger Bestandteil der deutschen Minderheit – aber auch ein bedeutender Faktor im deutsch-dänischen Grenzland, denn die deutsche Kirche in Nordschleswig baue Brücken. Das sagte Marianne Christiansen, Bischöfin in Hadersleben, am Sonntag beim Festgottesdienst in der Kirche zu Tingleff.
Was vor 100 Jahren als Bruch zwischen der dänischen Volkskirche und der deutschen Kirche in Nordschleswig begann, habe sich zu einer Brücke zwischen deutsch und dänisch entwickelt, sagte die Bischöfin in ihrer Predigt.
Dies habe Mut gekostet, denn bei aller positiven Entwicklung sei es wichtig, auch die schwierigen Geschichten zu erzählen, die das Grenzland geprägt hätten.
Magaard: „Ein Schatz aus Erfahrungen“
Auch Bischof Gothart Magaard aus dem Sprengel Schleswig und Holstein – und somit Bischof der Nordschleswigschen Gemeinde – sprach die schwierige Anfangszeit an. Heute habe man im Grenzland einen „Schatz an Erfahrungen“.
„100 Jahre im Grenzland haben gezeigt, wie viele Jahre es dauert, um aus Feindschaft ein freundschaftliches Miteinander zu entwickeln“, so Magaard in seiner Predigt.
Experimenteller Gottesdienst
Der Festgottesdienst sei, so NG-Senior Matthias Alpen zu Beginn der Veranstaltung, ein Experiment. Es gab nicht nur zwei Predigten, sondern auch die Pastorinnen und Pastoren sowie die Kirchenältesten der Nordschleswigschen Gemeinde hatten Rollen, es gab deutsch-dänische Lieder und ganze neue Kirchenlieder.
Musikalisch begleitete Jan Simowitsch den Gottesdienst an der Orgel und am Klavier, als er mit dem ehemaligen „Knivsberger DEKTonium“ unter der Leitung von Nis-Edwin List-Petersen musizierte. Die Gruppe spielte zuletzt 1999, kam aber nun zum Kirchenjubiläum wieder zusammen – unter anderem zu einem Jubiläumskonzert im Haus Nordschleswig am Vorabend des Jubiläumsgottesdienstes.
Grußworte in der Kirche
Etwas ungewöhnlich für einen Festgottesdienst gab es am Anschluss drei Grußworte.
Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Kopenhagen, Pascal Hector, ging ebenfalls auf die historischen Höhen und Tiefen der deutschen Kirche in Nordschleswig ein.
Anfangs sei die Sprache eine Abgrenzung gewesen – auch in kirchlichem Zusammenhang. Heute sei die Nordschleswigsche Gemeinde ein Ort der Offenheit und Geborgenheit zugleich.
„Das friedliche Zusammenleben ist keine historische Selbstverständlichkeit. Es ist ein großes Geschenk“, sagte Hector in der Kirche.
Laut Bischof Elof Westergaard aus Ripen (Ribe) sei es wichtig, dass die Nordschleswigsche Gemeinde die besten Bedingungen habe, um ihre Arbeit durchzuführen. Er versprach die Unterstützung der dänischen Volkskirche.
„Es ist wichtig, als Bürgerin oder Bürger dieses Landesteils das Evangelium in der eigenen Sprache verkündet zu bekommen“, sagte der Bischof.
Der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger Hinrich Jürgensen beglückwünschte die Nordschleswigsche Gemeinde in seiner Heimatkirche. Die deutsche Kirche sei, so Jürgensen, eine wichtige Institution für die Familien und für die Identitätsbildung in der Minderheit. Gleichzeitig meistere die Nordschleswigsche Gemeinde aber auch die Brückenfunktion im deutsch-dänischen Grenzland.
Suppe und Grußworte in der Nachschule
Bei Suppe und gemeinsamen Kaffee gab es in der benachbarten Deutschen Nachschule weitere Grußworte.
Tonderns Bürgermeister Jørgen Popp Petersen sprach im Namen der vier nordschleswigschen Kommunen und blickte zurück auf die Gottesdienste auf „Synnejysk“. Damals musste „Æ Synnejysk Forening“ auf eine Pastorin aus der Minderheit zurückgreifen: Christa Hansen führte damals die Gottesdienste auf dem nordschleswigschen Dialekt durch.
Bischof Peter Skov Jacobsen aus Kopenhagen sprach die Nordschleswigsche Gemeinde – wie die anderen Bischöfe auch – auf einwandfreiem Deutsch an. „Es gibt Zeiten, in denen man sich verstehen kann oder verstehen will“, blickte er zurück. Im Grenzland habe es viele Jahre deutliche Zeichen der Versöhnung gegeben – unter anderem durch die Kirche.
Anwalt Stefan Reinel, Gemeinderatsvorsitzender der Petri-Gemeinde in Kopenhagen – und in Hadersleben in der Minderheit aufgewachsen, beglückwünschte die Nordschleswigsche Gemeinde zum 100-jährigen Bestehen: „Das war keine alte klapprige Dame, die wir im Gottesdienst erlebt haben, sondern eine junge agile Teenagerin mit Frische und Knackigkeit.“
Der ehemalige Pastor in Feldstedt, Hermann Augustin, Ratzeburg, hat persönlich schwierige Jahre in Nordschleswig erlebt – vor dem Zweiten Weltkrieg, während des Krieges, in den Nachkriegsjahren, Jubiläen ohne dänische Beteiligung. Seitdem hätten sich Deutsche und Dänische im Grenzland einander genähert. „Die Annäherung geht aber nicht weiter, wenn wir nicht weitermachen“, meinte er. Wie Hermann Augustin reichte auch sein späterer Nachfolger Friedrich Hauschildt der dänischen Mehrheit die Hand – und vertrat sogar mehr als 70 Mal den Organisten bei dänischen Gottesdiensten.
Stadtkirchenvertreter Piet Schwarzenberger aus Hadersleben (Haderslev) freute sich darüber, dass die deutsche Kirche in Nordschleswig – ob Stadtkirche oder Nordschleswigsche Gemeinde – heute das ernten dürften, was andere gesät hätten. „Wir dürfen Brückenbauer und -pfeiler sein, wo andere auf Grenzen gestoßen sind“, so Schwarzenberger. „Und wir wollen mit euch gemeinsam säen, damit andere nach uns ernten können“
Jubiläumsbuch mit aktuellen und historischen Themen
In Verbindung mit dem Jubiläum hat die Nordschleswigsche Gemeinde ein Buch mit vielen aktuellen und historischen Themen, Artikeln und Informationen herausgegeben.
Das Buch wird in der kommenden Zeit an NG-Mitglieder verteilt, wird aber auch in der Geschäftsstelle in Tingleff erhältlich sein.