Deutsch-Dänisch
Vom Leben auf dem Lande: Soll ich mal was erzählen?
Vom Leben auf dem Lande: Soll ich mal was erzählen?
Vom Leben auf dem Lande: Soll ich mal was erzählen?
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„Nimm dir Zeit für eine Reise in die Vergangenheit!“ Das wäre ein passendes Motto für das Erstlingswerk von Randi Jepsen. „Hör mal zu“ – „Nu skal du bare høre“, das ist auch der Titel ihrer liebevollen Hommage an das Leben in Brauderup und ihre Kindheit dort in den 1960er-Jahren. Es ist zugleich ein Kapitel deutsch-dänischer Dorfgeschichte.
Zwei Jahre hat Randi Jepsen an ihrem Buch gearbeitet. „Nu skal du bare høre“ heißt ihre ganz persönliche Geschichte über das Leben auf dem Lande im Herzen Nordschleswigs.
Randi Jepsens Rückblick auf Kindheit und Jugend nahm ihren Anfang mit einem Aufruf des Møllen-Theaters, Erlebnisse aus Nordschleswig für ein Theaterstück einzusenden.
„Mein Text war nicht unter den ausgewählten Geschichten. Nur wenige Zeilen daraus – und die stammen nicht einmal von mir“, sagt sie. „Für ein Theaterstück war meine Familiengeschichte wohl auch zu umfangreich.“
Es sei ihr Sohn Frank gewesen, der sie ermutigt habe, ihre Geschichten vom Leben auf dem Lande auf Papier zu bannen.
Lange Gespräche mit dem Vater
Gesagt – getan. Vor gut drei Jahren veröffentlichte die 66-Jährige ihre Hommage an eine Kindheit mitten in Nordschleswig, in Brauderup (Broderup).
Einen Quell der Inspiration und eine wertvolle Gedächtnisstütze fand sie bei der Recherche in ihrem Vater Henrik Christian Jepsen aus Tingleff (Tinglev).
„Wir haben oft und lange über das Dorfleben damals und über unsere Familie gesprochen. Mein Vater konnte sich noch gut an alles erinnern“, erzählt Randi Jepsen.
Gern denkt sie heute an die vielen Stunden mit dem Vater zurück, der im vergangenen Jahr im hohen Alter vom 94 Jahren verstorben ist: „Wir haben es geschafft, über alles zu reden und viele schöne Stunden miteinander verbracht. Es war eine wunderbare Zeit.“
Die Gretchenfrage
Vor etwa drei Jahren brachte Randi Jepsen in Eigenregie ihre Dorf- und Familienchronik heraus und damit ein Büchlein, das zugleich ein entscheidendes Kapitel der Grenzlandgeschichte umfasst. Beleuchtet es doch eine Zeit, in der die Frage nach deutscher oder dänischer Gesinnung einer Gretchenfrage gleichkam.
„Auch wenn dies in meiner Familie keine große Rolle gespielt hat, irgendwie war das Deutsch-Dänische in unserem Alltag damals allgegenwärtig“, erinnert sie sich.
Kein Wunder. Ihre beiden Protagonisten, die Geschwister Thilde und Adolf, stammen aus der deutschen Volksgruppe. Sie waren die Pflegeeltern ihres Vaters.
Liebevolle Pflegeeltern aus der Volksgruppe
„Mein Vater hat in den beiden liebevolle Pflegeeltern gefunden – und sein Leben lang nicht mal einen Klaps auf den Po bekommen“, erzählt die Autorin: „Thilde und Adolf durften meinen Vater allerdings nur unter einer Bedingung in Pflege nehmen: Er sollte eine dänische Schule besuchen.“
So geschah es.
Es sei eine unbeschwerte Kindheit gewesen, denn bei Tante Thilde war alles erlaubt. Nur fluchen durfte man nicht!
Unter ihrem Dach wuchs Henrik Christian auf. Dass er eigentlich heimatlos war, das entdeckte Jepsens Vater erst, als er zur Armee musste.
„Mein Großvater ist im Ersten Weltkrieg desertiert und über die Königsau nach Dänemark geflohen“, erzählt Randi Jepsen. Damit hatte der Soldat zugleich seine Bande zum deutschen Kaiserreich nachhaltig gekappt.
„Erst 1953 hat mein Vater die dänische Staatsbürgerschaft angenommen“, sagt Randi Jepsen und breitet die vergilbten Dokumente auf dem Tisch aus, die das bezeugen.
Dorfchronik im Spiegel der Grenzlandgeschichte
Gern erinnert sich die Haderslebenerin an ihre Kinder- und Jugendjahre in dem Dorf Brauderup, dessen gesellschaftliches Fundament ein Versammlungshaus, der Kaufmann, ein Fuhrunternehmer, eine Molkerei, eine Zementgießerei, ein Malermeister, ein Tischlermeister sowie sechs Bauernhöfe waren.
Der Bäcker und der „heimdeutsche“ Metzger aus Tingleff fuhren wöchentlich über die Dörfer und boten ihre Waren feil.
Auch in diesen Nachkriegsjahren hat es inmitten der dörflichen Idylle einen schwelenden deutsch-dänischen Konflikt gegeben: „In unserem Alltag haben wir das kaum wahrgenommen“, erinnert sich Randi Jepsen.
Für sie ist jedes Wort ihres Rückblicks ein Fenster, das sie zu den Tagen ihrer Kindheit öffnet. Generationsübergreifend lädt sie alle ein, daran teilzuhaben – an der guten alten Zeit.