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Deutschland und Dänemark nach 1945: „Auf Gedeih und Verderb Bundesgenossen“

Deutschland und Dänemark: „Auf Gedeih und Verderb Bundesgenossen“

„Auf Gedeih und Verderb Bundesgenossen“

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Nordschleswig/Kopenhagen
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Historische deutsch-dänische Gespräche in Paris zwischen dem dänischen Staatsminister H. C. Hansen und Konrad Adenauer – damals neben der Kanzlerrolle auch noch Außenminister. Foto: Archiv

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Auf dem Weg zur EU: Dänemarks – durch die deutsche Besatzung des Landes 1940-1945 – militärisch gescheiterte Neutralitätspolitik führte nach 1945 zu einem strategischen Umdenken in der dänischen Außen- und Sicherheitspolitik. Dieser Artikel stammt aus einer Archiv-Serie von Siegfried Matlok über das 50-jährige Bestehen der EU.

Im Juni 1945 gehörte Dänemark in San Francisco gemeinsam mit 50 anderen Ländern zu den Gründungsmitgliedern der UNO. In wenigen Jahren war es der Sowjetunion nach 1945 unter Diktator Stalin gelungen, die baltischen Staaten zu annektieren, und Volksdemokratien unter der Führung der kommunistischen Parteien einzurichten. Sowohl Polen als auch Ungarn, Rumänien und die Tschechoslowakei fielen mehr oder weniger brutal in den Schoß der Sowjetunion.

Dänemark fühlte sich nicht mehr sicher, der Kalte Krieg klopfte an die Tür, und Dänemark trat im April 1949 der Nordatlantischen Allianz, der Nato bei – mit den USA bis heute als wichtigsten Schutzpartner.

Ein Problem beschäftigte aber weiterhin die dänische Innen- und Außenpolitik: Deutschland, Deutschland, Deutschland, wie es einst Außenminister Per Hækkerup formulierte.

Die fünf Besatzungsjahre warfen dunkle Schatten auf die Beziehungen zum großen und für viele auch nach 1945 zunächst noch unberechenbaren Nachbarn. Zusätzlich belastet war das neue Verhältnis zur neuen Bundesrepublik durch die ungelösten Minderheiten-Fragen südlich und nördlich der Grenze.

Interesse galt dänischer Minderheit

Für die dänische Politik ging es dabei natürlich in erster Linie um die Interessen der dänischen Minderheit, deren offener Wunsch nach einer Grenzverschiebung, der auch von vielen Dänen im Königreich geteilt wurde, bereits in der Thronrede am 9. Mai 1945 eine Abfuhr erhalten hatte: Die Grenze liegt fest!

So lautete die unmissverständliche Haltung der dänischen Regierung, eine Linie, die auch in den Jahren danach trotz innerpolitischer Streitigkeiten Richtschnur dänischen Handelns war. Ungeklärt blieb aber die übergeordnete sicherheitspolitische Frage.

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Ausschlaggebend für die Kursänderung war die Tatsache, dass die Amerikaner nach dem blutigen Korea-Krieg, der drei Millionen Tote forderte, die Befürchtung äußerten, dass die Russen möglicherweise auch Deutschland angreifen würden und dass deshalb nun konkret über eine deutsche Wiederaufrüstung nachgedacht werden müsse.

Auch um der 1949 demokratisch gegründeten Bundesrepublik eine Zukunftsperspektive zu eröffnen: gen Westen angesichts der Teilung durch die sowjetisch besetzte Zone in Ostdeutschland.

Erster europäischer Vorstoß

Einen ersten europäischen Vorstoß gab es durch die französische Regierung, deren Ministerpräsident Pleven im Oktober 1950 eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vorschlug– mit dem Ziel, eine europäische Armee aufzubauen in Anlehnung an die zuvor entworfene Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion). Dadurch sollte Westdeutschland in ein kollektives westliches Verteidigungssystem eingebunden werden.

Der deutsche Bundestag stimmte diesem Plan bereits im November 1950 zu. Bundeskanzler Adenauer sah darin auch die erste große Chance auf eine Wiederherstellung der staatlichen Souveränität und damit auch auf die Aufhebung des Besatzungsstatuts.

Am 26. Mai 1952 wurde der Deutschlandvertrag von den westlichen Sieger- und Besatzungsmächten USA, Großbritannien, Frankreich mit der Bundesrepublik unterzeichnet, von den Sowjets als „Generalkriegsvertrag“ bezeichnet.


EVG-Vertrag scheitert in Paris

Am 30. August 1954 kam es unter Premierminister Pierre Mendès France zur Abstimmung in der französischen Nationalversammlung über den EVG-Vertrag, der in der Präambel ein ,geeintes Europa’ als langfristiges Ziel definierte. Mit 319:264 Stimmen beschloss das Parlament, die Entscheidung über die EVG auf unbestimmte Zeit zu vertagen, über den Vertrag selbst wurde nicht einmal mehr abgestimmt.

Ein schwerer Rückschlag, doch der Integrationsprozess wurde fortgesetzt. Die am 28. September eingeleitete Londoner Neunmächtekonferenz (Beneluxstaaten, Bundesrepublik, Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada, USA) verhandelte über Alternativen nach dem Scheitern des EVG-Vertrages und einigte sich auf „Die Londoner Akte“ vom 3. Oktober 1954.

Sie ermöglichte der Bundesrepublik Deutschland den Beitritt zur NATO. Gleichzeitig war damit für die Bundesrepublik die Aufhebung des Besatzungsstatuts und die Anerkennung als Vertreter Gesamtdeutschlands in internationalen Angelegenheiten verbunden.

Die Bundesrepublik verpflichtete sich unter anderem, die Grundsätze der UN-Charta und des NATO-Pakts zu beachten und „die Wiedervereinigung Deutschlands oder eine Grenzänderung nicht gewaltsam zu erstreben, völkerrechtliche Streitfragen friedlich zu lösen“.

Statt Hass und Misstrauen

Die Londoner Akte setzte nun auch die dänische Politik unter Druck.  Der sozialdemokratische Außenminister Hans Christian Hansen – kurz nur H. C. genannt – hatte bei einem Besuch Anfang Oktober in Washington dem amerikanischen Außenminister John Foster Dulles versprochen, dass Dänemark den Fahrplan einhält und „die Londoner Absprachen gutheißen werde“, obwohl Dänemark an den Londoner Verhandlungen selbst gar nicht beteiligt gewesen war. 

Am 19. Oktober 1954 fand eine heftige Folketingsdebatte zur Wiederaufrüstung statt. Hansen betonte, „dass die Verteidigung der dänischen Südgrenze weiterhin ein Anliegen der Nato sei“. Es sei unrealistisch zu glauben, dass eine deutsche Wiederbewaffnung vermieden werden könne.

„Im Verhältnis zu Deutschland sei es besser, normale Beziehungen zum früheren Gegner zu erlangen statt Hass und Misstrauen walten zu lassen“, argumentierte Hansen.

Konrad Adenauer und H. C. Hansen im Gespräch. Foto: Parbst Erik/Ritzau Scanpix

Argumente von Kraft

 

Der frühere konservative Außenminister Ole Bjørn Kraft, der 1951 zu einem Gespräch in Bonn mit Bundeskanzler Adenauer zusammengetroffen war, erklärte: Dänemark habe nur die Wahl zwischen der Zustimmung zur Wiederbewaffnung Deutschlands oder einem Austritt aus der Nato mit allen Folgen für die dänische Sicherheit.

Verweigere man West-Deutschland den Zugang zur demokratischen Welt, so werde der Nationalismus in Deutschland dieselbe Chance bekommen, die Hitler nach Versailles ergriffen hatte, warnte Kraft.

Harten Widerstand leistete die Radikale Venstre, deren Sprecher Jørgen Jørgensen eine dänische Volksabstimmung forderte und der sich dabei auf den SPD-Vorsitzenden Erich Ollenhauer berief, da die SPD Anfang Oktober im Bundestag gegen die Londoner Beschlüsse gestimmt hatte, weil sie dadurch die Chancen auf eine deutsche Wiedervereinigung gefährdet sah.

Widerstandskämpfer für deutsche Wiederbewaffnung

Die größte Unterstützung für die Zustimmung der Londoner Beschlüsse fand H. C. Hansen ausgerechnet in Kreisen des dänischen Widerstandes.

Sein Parteifreund Frode Jacobsen, der Vorsitzende des Freiheitrates im dänischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung gewesen war, stellte sich voll und ganz hinter die Wiederbewaffnung Deutschlands. Gerade wenn man gegen deutschen Militarismus sei, müsse man zu den Londoner Beschlüssen Ja sagen. 

Und er fügte hinzu: Selbst in den dunkelsten Stunden der Besatzungszeit habe er „niemals das Gefühl gehabt, gegen Deutsche zu kämpfen, sondern nur gegen den Nazismus“. 

Im Gegenteil habe er „diesen Kampf als auch einen Kampf um die Befreiung des deutschen Volkes empfunden“. Die Toten des Freiheitskampfes seien für die Freiheit gefallen, lautete sein dramatischer Appell.

Die Nato und die Minderheiten-Frage

Da die Venstre-Fraktion einerseits zwar die westdeutsche Nato-Aufnahme unterstützte, andererseits aber auch Fortschritte in der Südschleswig-Frage erreichen wollte, hatte die sozialdemokratische Regierung die Befürchtung, dass eventuell auch noch Abgeordnete der eigenen Sozialdemokratie sich der Stimme enthalten könnten.

Um eine hohe Zahl von Enthaltungen zu vermeiden, was als eine Niederlage hätte aufgefasst werden können, war die Regierung – wenn auch widerwillig – bereit, eine mehrheitliche Entschließung des Folketings zur Tagesordnung anzunehmen, „wonach die Zustimmung für die Nato-Mitgliedschaft nach den Richtlinien der Londoner Konferenz zugesichert wurde“.

Gleichzeitig wurde – so der Text – „der Außenminister aufgefordert, bei der Sitzung des Nato-Rates die dänischen Gesichtspunkte über die Interessen der dänisch gesinnten Südschleswiger geltend zu machen“.

Historische deutsch-dänische Gespräche in Paris zwischen dem dänischen Staatsminister H. C. Hansen und Konrad Adenauer – damals neben der Kanzlerrolle auch noch Außenminister. Foto: Archiv

Hansen trifft Adenauer in Paris

Mit diesem „Doppelbeschluss“ reiste H. C. Hansen am 22. Oktober 1954 nach Paris zur Sitzung des Ministerrates der Nato-Außenminister.  Als Beobachter wohnte auch Bundeskanzler Konrad Adenauer – zu diesem Zeitpunkt auch noch Außenminister – der Sitzung des Nato-Rates bei. Die Außenminister der Teilnehmerstaaten hätten Deutschland in ihren Kreisen sehr herzlich begrüßt, berichtete Adenauer später.

In der Sitzung sprach H. C. Hansen auch die Südschleswig-Frage an, die vom Folketing – sozusagen als Junktim – mit der westdeutschen Nato-Aufnahme verknüpft worden war. Hansen nutzte die Gelegenheit, um auf folgenden Tatbestand aufmerksam zu machen: Die deutsche Minderheit sei im Folketing vertreten, während die dänische Minderheit keinen Sitz im schleswig-holsteinischen Landtag erreicht hätte, obwohl sie vier- bis fünfmal so viele Stimmen aufzuweisen hat als die deutsche Minderheit nördlich der Grenze.

Ideale der Nato-Zusammenarbeit

H. C. Hansen erinnerte an die „Ideale, die der Nato-Zusammenarbeit zugrunde liegen“ und gab seiner Hoffnung Ausdruck, die Bundesregierung möge „in Zusammenarbeit mit der schleswig-holsteinischen Regierung eine befriedigende Lösung des gesamten Komplexes finden“.

Bemerkenswert war, dass die bilateralen Minderheiten-Fragen nun im Nato-Rat von einer multinationalen zu einer internationalen Frage geworden war.

Auch der norwegische Außenminister Halvard Lange ergriff im Nato-Rat das Wort und verwies „auf die große Bedeutung, die die Südschleswig-Frage für das dänische Volk“ habe. 

Er hoffe deshalb „auf eine befriedigende Lösung dieser Frage zwischen den beiden Nachbarstaaten, die jetzt Mitglied des gleichen Bündnisses geworden sind“.

Bundeskanzler Adenauer verstand natürlich diesen Wink mit dem Zaunpfahl und erklärte  – noch in Gegenwart von H. C. Hansen – in einer ersten Stellungnahme,  „die Bundesregierung sei bereit, auf eine positive Lösung des Minderheitenproblems in Schleswig-Holstein hinzuwirken“.

Wörtlich: „Man kann sich darauf verlassen, dass eine befriedigende Regelung  gefunden wird.“

 

Die Pariser Verträge

Bereits am Tag danach –  am 23. Oktober 1954 – unterzeichnete Adenauer zusammen mit  den Außenministern von USA und Großbritannien sowie dem französischen Ministerpräsidenten Mendes-France die Pariser Verträge einschließlich des neu verhandelten Deutschlandvertrags als Protokoll.  

Die Bundesrepublik Deutschland, die USA, Großbritannien und Frankreich hatten sich vorher in Paris auf eine Reihe von Verträgen geeinigt. Diese hatten grundlegende Bedeutung für die Zukunft Deutschlands, Europas und für das Verhältnis zwischen Ost- und Westmächten, in die die Welt seit Ende des Zweiten Weltkriegs aufgeteilt war.

Die Bundesrepublik wurde mit den Pariser Verträgen zu einem anerkannten, formal weitestgehend eigenständig handlungsfähigen Staat – fest verankert im Block der Westmächte und zukünftig militärisch in die Nato integriert.

Auch „Der Nordschleswiger“ berichtete über die historische Nato-Übung. Foto: Archiv/Der Nordschleswiger

Der Ball liegt noch in Kopenhagen

Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte jedoch vor der Presse zu Recht darauf hingewiesen, dass die Nato-Mitgliedschaft erst dann erworben werde, wenn alle bisherigen Teilnehmerstaaten und die Bundesrepublik ratifiziert hätten.

Der Ball lag also im dänischen Spielfeld – in einem hochbrisanten politischen Spannungsverhältnis: einerseits mit einem formalen Veto-Recht Dänemarks, andererseits mit dem hohen Risiko, bei einem Nein eventuell sogar die eigene Nato-Mitgliedschaft in Gefahr zu bringen.

Bedeutung bei einem sowjetischen Angriff

Druck kam aber nicht nur von innen, sondern auch von außen. Die Sowjetunion protestierte gegen die dänische Anerkennung der Wiederaufrüstung in Deutschland. In einer Note, die dem dänischen Gesandten in Moskau überreicht wurde, hieß es: „Durch die Unterstützung der Pariser Verträge hat die dänische Regierung einen Weg beschritten, der Westdeutschland in einen Militärblock einbezieht, der gegen die friedliebenden Staaten Europas gerichtet ist.“

Diese Moskauer Protest-Note änderte aber nichts an der dänischen Haltung – im Gegenteil. Der Chef des Heeres, Generalmajor Erik Kragh, maß der deutschen Wiederbewaffnung „größte Bedeutung“ bei.

Die geplante Aufstellung von zwölf neuen deutschen Divisionen war aus seiner Sicht „eine unermessliche, dringend benötige Stärkung der westeuropäischen Verteidigung“.

Eine Stationierung deutscher Einheiten in Holstein würde bei einem Angriff der Sowjets  die Zufahrtswege nach Jütland verhindern, sodass ein eventueller Kampf um Jütland auf deutschem Boden beginnen würde.

Hans Schmidt-Oxbüll saß für die Schleswigsche Partei im dänischen Folketing. Foto: Archiv/Der Nordschleswiger

Minderheiten-Fragen diskutiert

Parallel zu diesen sicherheitspolitischen Aspekten wurden nach dem Nato-Treffen zwischen H. C. Hansen und Konrad Adenauer zwischen den Regierungen in Kopenhagen und Bonn – auch unter aktiver Teilnahme der schleswig-holsteinischen Landesregierung – Verhandlungen über die Minderheiten-Fragen eingeleitet.

Dabei ging es nicht nur um die Aufhebung der Fünf-Prozent-Sperrklausel gegen die Partei der dänischen Minderheit, sondern auf Drängen von Bonn und Kiel auch um Fragen der deutschen Minderheit. Sie führten zur Einigung – zu den berühmten Bonn-Kopenhagener Minderheitenerklärungen.

Mit der Einigung in Bonn – unterzeichnet am 29. März 1955 von Konrad Adenauer und H. C. Hansen, der gerade Nachfolger des kurz zuvor verstorbenen Hans Hedtoft neuer dänischer Staatsminister geworden war – wurde ein wichtiges Hindernis zwischen beiden Ländern zukunftsorientiert aus dem Wege geräumt;  das politische Nachkriegs-Drama war aber längst noch nicht beendet.

Schmidt-Oxbüll enthielt sich der Stimme

Der Abschluss erfolgte im Parlament, wo die Nato-Frage und die Minderheiten-Erklärungen im April 1955  „gleichzeitig“ behandelt wurden.

Es gab noch immer starke Kräfte im Parlament, aber auch außerhalb von Christiansborg, die eine westdeutsche Nato-Mitgliedschaft bekämpften. Das galt im Folketing für die Radikale Venstre ebenso wie für die dänischen Kommunisten, deren Führer Aksel Larsen die „sowjetische Karte“ spielte und sogar erklärte, „die Sowjetunion könne die Pariser Verträge nur als eine militärische Bedrohung auffassen“.

Unterschiedliche Haltung

H. C. Hansen wurde unter anderem die unterschiedliche Haltung von SPD und dänischer Sozialdemokratie in der Frage der westdeutschen Wiederbewaffnung vorgeworfen.

Er verteidigte sich mit dem Hinweis, dass es sich dabei lediglich um eine unterschiedliche Auffassung „in der Taktik“ handelte.

Die Radikalen versuchten erneut, die Entscheidung zu verschieben, um eine von ihnen gewünschte Volksabstimmung über den Nato-Beitritt abzuwarten, aber dies lehnte die große Mehrheit im Folketing ab.

Mit 136:28-Stimmen, wobei sich der seit 1954 dem Folketing angehörende Abgeordnete der deutschen Minderheit, Hans Schmidt-Oxbüll, der Stimme enthielt, „um sich nicht in innerdänische Angelegenheiten einzumischen“.

 

Größere Mehrheit für Minderheiten als für Nato

Am 19. April 1955 war es dann endlich so weit: 145:24- Stimmen – ohne Enthaltung – votierten für die Annahme der Pariser Verträge und damit für den westdeutschen Nato-Beitritt.

Gleich im Anschluss  folgte  dann – auch in Anwesenheit des gerade ernannten deutschen Botschafters Georg Ferdinand Duckwitz auf der Zuschauertribüne im Parlament – die Abstimmung über die Kopenhagener Erklärung und die Gesetzesvorlage „zur Aufhebung des Verbots gegen die Errichtung deutscher Examensschulen in Nordschleswig“:  Mit Ja stimmten 156 Abgeordnete, 9 Abgeordnete stimmten mit Nein – bei drei Enthaltungen. 

Der Vertreter der Schleswigschen Partei, Schmidt-Oxbüll, stimmte – wie nicht anders zu erwarten – sowohl für den deutschen Nato-Beitritt als auch für die Kopenhagener Erklärung, die ja der dänische Teil der Bonn-Kopenhagener  Minderheitenerklärung war.

Der Kommunist Aksel Larsen bezeichnete die Erklärung „als ein Papierlappen, der nur dem Zweck dienen sollte, dass das dänische Volk die Zustimmung zur Aufnahme Deutschlands in die Nato besser schlucken könne“.

Die erste deutsch-dänische Nato-Übung war ein Erfolg. Foto: Archiv/Der Nordschleswiger

Minderheiten sicherheitspolitisch untergeordnet

Wahr ist, dass die Ratifizierung der westdeutschen Nato-Mitgliedschaft durch das Folketing ohne die Minderheiten-Regelung, insbesondere zum Schutze der Interessen der dänischen Minderheit in Südschleswig, nicht nur größte parlamentarische Schwierigkeiten bereitet hätten. Zumal die Minderheiten-Erklärungen zu diesem Zeitpunkt ja nur ein Vertrauens-Vorschuss sein konnten; für die Mehrheiten wie für die Minderheiten.

Der bekannte dänische Journalist und Historiker Erling Bjøl vertrat die Ansicht, dass die Bonner Erklärung mit Vorteilen für die dänische Minderheit letztlich dennoch den sicherheitspolitischen Interessen Dänemarks untergeordnet wurde.

Was dabei international auf dem Spiel stand, das bekam die dänische Regierung Anfang Januar 1955 zu spüren, als der amerikanische Nato-General und Oberkommandierende in Europa, Alfred Gruenther, – noch kurz vor dessen Tod – den dänischen Staatsminister Hans Hedtoft in Kopenhagen aufsuchte und „auf eine rasche Re-Militarisierung Westdeutschlands zur Sicherung der Nordflanke drängte“.

US-Diplomaten forderten in Kopenhagen eine rasche Ratifizierung des Nato-Beitritts. Den Amerikanern ging es, wie der Historiker Bo Lidegaard festgestellt hat, dabei gar nicht so sehr um das deutsch-dänische Grenzland, sondern im Kalten Krieg galt ihr Interesse – Grönland.

 

Ende gut – alles gut

Das Problem der deutschen Wiederaufrüstung hatte schon seit fünf Jahren ganz oben auf der Tagesordnung der dänischen Politik gestanden. Jetzt war diese sicherheitspolitische Frage national und international endgültig beantwortet, und „Der Nordschleswiger“ zog  in einem Leitartikel folgendes Fazit:

„Deutschland und Dänemark sind in Zukunft auf Gedeih und Verderb Bundesgenossen.“

 

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