Kulturkommentar
„Zeit nehmen lohnt sich“
Zeit nehmen lohnt sich
Zeit nehmen lohnt sich
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Es kann sich lohnen, mal in die Tiefe zu gehen und sich Zeit zu nehmen, meint Büchereidirektorin Claudia Knauer. Wer nicht nur Überschriften und Parolen konsumiere, wappne sich auch dagegen, auf Populisten hereinzufallen.
Der Boom der Achtsamkeits-Apps ist ungebrochen. Wer eine App zum Meditieren heruntergeladen hat auf sein oder ihr Smartphone und nicht so klug (oder achtsam?) war, die Benachrichtigungen abzuwählen, erhält jeden Tag einen Hinweis: Atme. Sei im Hier und Jetzt. Mach deinen Abwasch und denke nur an deine Tätigkeit. Jetzt!
Ja, solche Hinweise lesen sich für manche/n schräg. Aber mal ehrlich? Wann hast du zuletzt tief und ruhig geatmet? Es tut gut – wenn man es nicht zu ausgiebig macht, sonst wird einem schwindelig. Zieht man die ganze Esoterik und den Hype darum ab, dann bleibt eine Kernbotschaft, die schon unsere Großeltern gepredigt haben (und sie haben, so ungern man das zugibt, auch mal recht): Eile mit Weile. In der Ruhe liegt die Kraft. Schlaf erst einmal darüber.
Wir haben eine extrem fatale Neigung zum Huschhusch. Eben mal schnell die Überschriften überfliegen und dann den Post auf Facebook liken oder, viel schlimmer noch, teilen.
Aus Erfahrung weiß ich, dass Überschriften und Vorspanne, heute Teaser genannt, naturgemäß verkürzen bis hin zum ganz falschen Eindruck, der erweckt wird. Manche, mittlerweile sehr viele, Medien und soziale Netzwerke arbeiten genau darauf hin, denn Klicks bedeuteten Daten und Geld.
Es kann sich also lohnen, mal in die Tiefe zu gehen, sich Zeit zu nehmen. Man kann sogar am Schreibtisch sitzen und denkend einfach in die Ferne schauen. Das hat nichts mit Achtsamkeits-Apps-Esoterik zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand.
Wir können davon ausgehen, dass Kant seine Hauptwerke nicht im Galopp geschrieben, Einstein seine Relativitätstheorie nicht zwischen Aufstehen und erstem Kaffee durchdacht und Biontech seinen lebensrettenden Impfstoff zwar in kürzester Zeit, aber nicht überhastet entwickelt hat.
Weshalb nehmen wir uns nicht auch mal die Zeit zum genauen Lesen, zum Nachschlagen, zum Durchsprechen – abseits von Schlagworten und Parolen. Büchereien sind gerne mit Recherchehilfen und Lektüre behilflich. Das wäre übrigens auch ein gutes Programm gegen Populisten. Die lieben nämlich die krasse Überschrift und das Nicht-Nachdenken.