Kulturkommentar

Wurzellos ohne Tradition und Ritual

Wurzellos ohne Tradition und Ritual

Wurzellos ohne Tradition und Ritual

Claudia Knauer /Büchereidirektorin/
Apenrade
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Foto: dpa

Ein Kulturkommentar von Claudia Knauer, Büchereidirektorin des Verbandes Deutscher Büchereien Nordschleswig.

Wenn sich in Dänemark der Sommer nähert, dann merkt man das nicht nur an den steigenden Temperaturen, sondern auch an vielen Traditionen, die selbst gelernte Dänen schätzen. Hat man das Glück zur deutschen Minderheit zu gehören, steht das Knivsbergfest oben auf der Liste der Traditionen,  im Sinne  von Brauchtum und kulturellem Erbe. Hier findet die Weitergabe, das Tradere, von Überzeugungen und Verbindungen statt.  

Andere tradierte Veranstaltungen sind das Johannisfest mit Feuerrede oder die Übergabe der Studentenmütze als Ritual,  eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende, feierlich-festliche Handlung mit hohem Symbolgehalt. Denn die „studenterhue“ sagt: du bist erwachsen (naja, man glaubt es jedenfalls) und  gehst in die Welt hinaus. Dazu gehört die Tradition des „studenterkørsel” – bezeichnend, dass es dafür kein richtiges deutsches Wort gibt. 

Viele dieser Traditionen und Rituale haben ihre Verankerung im Dänischen, sind für Nordschleswiger aber genauso wichtig und bindend. Denn diese Traditionen und Rituale geben uns in dieser sich so schnell verändernden Welt Wurzeln. Sie zeigen uns, wie auch Ringreiten oder Tierschau, wo wir herkommen und wo wir hingehören.

In der Adventszeit dann machen sich die deutschen Einflüsse zumindest bei uns bemerkbarer: Natürlich gibt es einen Adventskalender und keinen Teller am Adventswochenende im Fenster. All das sind Fixpunkte im Leben, die es ermöglichen, die Welt aus den Angeln zu heben und die Konventionen, die ungeschriebenen Gesetze des Zusammenlebens, unter die Lupe zu nehmen. Denn das ist immer wieder notwendig, sonst würden gleichgeschlechtliche Paare noch heute unter Strafandrohung leiden oder alleinerziehende Mütter im Heim für gefallene Mädchen landen. 

Gut, dass unsere Wurzeln uns stark genug machen, neue Wege zu gehen.

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