Kulturkommentar
„Wir sind gar nicht so verschieden“
Wir sind gar nicht so verschieden
Wir sind gar nicht so verschieden
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Klischees über Bayern gibt es zur Genüge, doch meistens stimmen sie nicht. In ihrem Kulturkommentar räumt Marlene Reissinger nicht nur mit ein paar Vorurteilen auf, sondern berichtet auch über ihre privaten Erfahrungen, die sie gemacht hat, als sie vor fünf Monaten aus Rosenheim nach Nordschleswig kam.
Nordschleswig und den Süden Bayerns trennen ungefähr zwölf Stunden Zugfahrt. Es ist also eine lange Strecke, die ich zurückgelegt habe, um hierherzukommen. Denn ich komme gebürtig aus Rosenheim, einer Stadt im Alpenvorland, nahe München und bin seit September in Dänemark, um einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst auf dem Knivsberg zu machen.
Wenn ich den Leuten erzähle, wo ich herkomme, machen viele große Augen und denken, ich hätte einen richtigen Kulturschock erlitten, nachdem ich angekommen war. Aber so war es nicht, denn so verschieden sind wir gar nicht.
Mir war nicht bewusst, wie viele Klischees es über Bayern und die Menschen, die dort leben, gibt. Ich wurde unter anderem gefragt, ob ich auch dafür wäre, dass Bayern ein eigenes Königreich wird, und es verwundert einige, dass ich nicht katholisch bin. Außerdem überrascht es, dass nicht alle Bier, Markus Söder und Schweinebraten mögen. Und nein, wir werden nicht zwangsverheiratet. Das sind nur die schönsten Klischees, die mir hier begegnet sind.
Lassen wir die Vorurteile mal außen vor, gibt es nicht viele grundlegende Dinge, die sehr verschieden sind. Da meine Eltern im Alltag beide kein Bayrisch sprechen, habe ich es selbst nie richtig gelernt. Manchmal täusche ich gerne vor, dass ich es könnte, weil es hier nur sehr wenige Leute gibt, die es mir nicht abkaufen. So richtig kann ich nur ein paar Phrasen, aber zumindest verstehe ich alles. Also besteht auf jeden Fall keine Sprachbarriere, denn für manche ist es doch eine Herausforderung, den bayerischen Dialekt vollständig zu durchdringen. Trotzdem sind Grußworte wie „Servus“, „Pfiatdi“, oder „Griasdi“, für mich normal. Gebrauche ich diese Wörter hier, wird mir der ein oder andere verwirrte Blick zugeworfen, denn hier sagt man „Mojn“, und zwar immer.
Die wohl offensichtlichste Änderung ist die neue Umgebung. Einige der äußeren Umstände sind aber tatsächlich ziemlich ähnlich. Genau wie bei mir daheim bin ich hier von vielen Feldern, Wäldern und kleinen Dörfern umgeben. Nur enden diese nicht irgendwann an einer Bergwand, sondern im Meer. Außerdem hat man hier eine anhaltende Weite, die ich so nicht kenne. Es gibt Orte, an denen ich dachte, dass die Landschaft kein Ende mehr nimmt. Sosehr ich diese Ausblicke und die Nähe des Meeres auch schätze, muss ich dennoch zugeben, dass ich die Berge liebe und vermisse. Ich genieße es, wenn ich zu Hause im Garten sitze und ich sie mir einfach anschauen kann.
Die schier unendliche Weite und das schnell erreichbare Wasser sind natürlich ein Luxus, aber nicht der alleinige Grund, wieso ich mich hier dennoch genauso wohlfühle wie in Rosenheim. Für mich war nämlich besonders schön, dass auch die Menschen hier hilfsbereit, freundlich und sympathisch sind. Denn es ist viel einfacher, auf fremde Leute zuzugehen, wenn diese einen freundlich anlächeln.