Kulturkommentar

„Treffen IRL“

Treffen IRL

Treffen IRL

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
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Digitale Veranstaltungen haben Vorteile. Aber Treffen im echten Leben sind bewegender und inspirierender, findet Büchereidirektorin Claudia Knauer.

Claudia Knauer ist Jahrgang 1961, lebt mit ihrem Mann in Apenrade (Aabenraa) und ist Direktorin der Büchereien der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Sie war unter anderem stellvertretende Chefredakteurin beim „Nordschleswiger“ und schreibt seit Jahren weiterhin Gastbeiträge.

Nicht erst seit Corona spielt sich immer mehr im Internet ab. Das Leben wechselt(e) ins Virtuelle. Das kann seine Vorteile haben. Zoomkonferenzen und Sitzungen via Teams sparen (manchmal) Zeit, auf jeden Fall aber Benzin, wenn sich nicht alle an einem Ort sammeln müssen.

Aber IRL – im richtigen Leben (in real life, wie es in der englischaffinen Internetrunde heißt) ist doch noch einmal etwas ganz anderes. Es ist bewegend und inspirierend, wenn die richtigen Menschen am richtigen Ort zusammenkommen. So war es am Mittwochabend bei der Lesung mit Judith Hermann in der deutschen Nachschule Tingleff.

Auf Anregung einer Lehrerin, die in ihrem Deutschunterricht Erzählungen von Hermann mit ihren Schülerinnen und Schülern liest, war die mehrfach ausgezeichnete und komplett ins Dänische (und 25 andere Sprachen) übersetzte Schriftstellerin in den kleinen Ort weit weg von den Metropolen gekommen.

Literatur-AG und deutsche Bücherei hatten den Abend organisiert und die weit über 70 Gäste wurden Zeuge, wie Sprache lebt. Judith Hermann, die alle ihre Werke auch selbst als Hörbücher eingelesen hat, ließ innere Welten entstehen, mit ihrer kargen Sprache und all dem Ungeschriebenen zwischen den Zeilen.

Gut vorbereitete und engagierte Schüler und Schülerinnen sorgten mit ihren Fragen, die Hermann auf Augenhöhe beantwortete, für einen weiten Einblick in die einsame Welt einer Schriftstellerin. Solche Begegnungen geschehen nicht im Netz, sondern im wirklichen Leben.

Dafür Geld auszugeben, heißt, es gut auszugeben. Mit diesem kulturellen Rüstzeug wappnet man sich gegen die Widrigkeiten des Lebens oder lernt zumindest, sie zu verstehen oder auch nur, wenn gar nichts anderes geht, sie auszuhalten. Die Literatur zeigt: Man steht nicht allein – nicht mit einer verpassten Liebe, nicht mit einem Lebensumbruch oder einer allumfassenden Traurigkeit. Und das Wissen tröstet.

Die in diesem Kulturkommentar vorgebrachten Inhalte sind nicht von der Redaktion auf ihre Richtigkeit überprüft. Sie spiegeln die Meinung der Autorin oder des Autors wider und repräsentieren nicht die Haltung des „Nordschleswigers“.

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