Kulturkommentar
„So viele Türchen“
So viele Türchen
So viele Türchen
Ein Kulturkommentar von Claudia Knauer, Büchereidirektorin des Verbandes Deutscher Büchereien Nordschleswig.
Eigentlich habe ich gar keine Zeit, den Kulturkommentar zu schreiben. Ich muss noch so viele Türchen aufrubbeln, -raten, – knaubeln oder – ich bin nicht so der geduldige Typ – aufreißen. Früher, als die Welt noch in Ordnung war und das Worldwideweb noch nicht einmal ein Traum, da gab es einen Adventskalender. Es gab Türchen, die ganz vorsichtig aufgemacht wurden (also nichts für mich) und dahinter prangte als Bild ein Stern, die Krippe oder Maria. Dann übernahm die Schokoladenmafia das Ruder. Hinter die Türchen kam Schokolade.
Wenige Jahrzehnte später gab es gar kein Halten mehr. Man kann jetzt seine Legosammlung über 24 Tage vervollständigen, Barbies mit 24 sinnlosen Kleinteilen anziehen, die Portweinkollektion erweitern oder jeden Tag im Advent ein anderes Bier trinken. Nicht, dass sich die Kirche diese Zeit des Erwartens so gedacht hätte, aber wenn an Wachstum und Vermögen geglaubt wird wie an Heilige, darf es keinen wundern, wenn die Adventskalenderflut über uns kommt und jedes Jahr mächtiger und teurer wird. Die Kultur verabschiedet sich, der Kommerz bestimmt.
Ergänzt wird das Ganze übrigens virtuell – geh ins Netz, melde dich an, öffne die Türchen und gewinne – in der Regel nichts, aber der Anbieter hat deine Daten und kann dich den Rest des Jahres mit Mails zuspammen.
Natürlich gibt es auch die Gegenbewegung – weniger ist mehr. Rubbel und spende eine Ziege, ein Huhn, eine Zahnbürste für Afrika oder meditiere über den Satz des Tages oder – am allerbesten und ganz gratis – tu doch einfach gar nichts.
Nutze die Zeit des Wartens auf die Ankunft, indem du der Musik zuhörst, die du dir ausgesucht hast (und nicht die, die hinter dem Türchen verborgen war), indem du das Gedicht liest, das du magst und allenfalls, indem du den Jahresrückblick des „Nordschleswigers“ liest. Ansonsten: Mach Türchendiät.