Kulturkommentar
„Singen für die Freiheit“
Singen für die Freiheit
Singen für die Freiheit
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Wenn Frauen und Mädchen das Singen verboten wird, klaut man ihnen nicht nur die Kultur, sondern ihre Stimme, findet „Nordschleswiger“-Mitarbeiterin Lana Riedel.
Wir sollen zweimal das Lied „Happy Birthday“ singen, während wir uns die Hände waschen. So hieß es bereits zu Beginn der Pandemie in vielen Ratgebern zu den Hygieneregeln, wie man einer Ansteckung mit dem Coronavirus entgegenwirken kann. Auch der Alphabet-Song funktioniert: Es dauert etwa 30 Sekunden, ihn zu singen. Ich hab’s gemessen.
Wenn ich mich frage, ob das G vor dem H im Alphabet kommt, dann singe ich das Alphabet-Lied ebenfalls. Über dieses Lied habe ich das Alphabet überhaupt erst gelernt, wenn ich mich recht erinnere. Ich habe auch über Lieder gelernt, dass ich auf der linken Straßenseite gehe, wenn mal kein Gehweg vorhanden ist; dass Amsel, Drossel, Fink und Star heimische Vögel sind; dass die Gedanken frei sind.
Wir singen, um uns zu gratulieren. Ich singe, wenn ich Angst habe. Ich singe, wenn ich mich einsam fühle. Und was wäre der Deutsche Tag in Tingleffs Sporthalle ohne Gesang?
Singen, das bedeutet, dass jeder Mensch dieser Erde, der gesundheitlich in dieser Hinsicht nicht eingeschränkt ist, über sein eigenes Instrument verfügt. Jeder hat eine Stimme. Singen kann jeder. Ob schief oder leise oder einfach laut gesummt.
Und dann lese ich am Freitagmorgen das: In Afghanistan ist es Frauen und Mädchen ab dem 12. Lebensjahr nun verboten, in der Öffentlichkeit zu singen. Da werden weibliche Wesen – mal wieder – zu Menschen zweiter Klasse degradiert. Jeden von uns müsste es schmerzen, dass ihnen nicht nur die Stimme, sondern auch die Würde geraubt wird.
Musik transportiert Emotionen. Musik gibt Gefühlen eine Form und ist so oft Ausdruck von Schmerz und Ungerechtigkeit. Wie oft dient Musik denen als Protest, die unterdrückt sind. Wie oft wird durch Gesang Kultur vermittelt, Kultur vererbt.
Diese Nachricht zu lesen, vier Tage, nachdem der Weltfrauentag begangen wurde – vielerorts so bunt und laut – das macht mich unendlich traurig. Mir blutet das Herz. Wir kämpfen und schreien nach gleicher Bezahlung, während in Afghanistan die Frauen und Mädchen nach und nach ganz verstummen. Wer ist für sie bunt und laut?
Ich frage mich so oft, wie es sein kann, dass im Jahr 2021 immer noch dafür gekämpft werden muss, dass alle Menschen dieser Welt wie Menschen behandelt werden. Es wird niemals unwichtig werden, dass wir für andere einstehen und unsere Stimme erheben, dass wir aufstehen und laut singen. Jeden Tag. Für diejenigen, die keine Stimme haben.